Heute Nacht
© Lukas Tezlaff
Hallo.
Ich weiß dass du Phantasie hast, auch wenn sie in deinem Alltag ein seltener Gast ist.
Gräme dich nicht, denn so geht es mir auch, und vielen hier in Deutschland.
Nun, ich möchte dass du dir einmal etwas vorstellst.
Stell dir doch einmal vor, es ist eine wunderschöne Nacht in einer fremden Stadt in der dich niemand kennt und keiner Erwartungen an dich hat oder dich an seiner Kentniss über dich beurteilt. Du bist du wie du gerne wärst. Aber du bist nicht allein. Du hast inmitten dieser Nacht jemanden kennen gelernt. Durch Zufall oder durch Fügung weiß niemand und du verschwendest auch keinen Gedanken daran. Es ist nicht wie sonst. Dinge geschehen einfach, stehen für sich und haben keine Konsequenzen. Du denkst nicht und fühlst
nichts anderes als die angenehme Kühle des Gehweges und staunst über den ganz anderen Eindruck, den du von der Innenstadt hast. Du fühlst dich mit allem verbunden und trotzdem frei. Ihr lauft durch die verwaisten Straßen, selbst die besprayten Fassaden gefallen dir und du hast das Gefühl es wäre deine Stadt, dein Publikum, das sich wohlwollend vor dir verneigt. Der Wein den ihr beiden zusammen gekauft und fast ausgetrunken habt, steigt dir schon ein wenig in den Kopf und am liebsten würdest du tanzen, neue Wege
finden, über eine Mauer herüber springen anstatt darum herum zu gehen. Alles ist perfekt in dieser Nacht.
Der Mensch dessen Bekanntschaft du gemacht hast, scheint ein Spiegel deiner selbst zu sein. Er wandelt verträumt neben dir her, ihr redet fröhlich und schweigt fröhlich. Alle Zwänge sind in weiter Ferne. Kann man sich einfach nur mögen und gern haben?
Nicht Denken. Das ist Vergangenheit und Zukunft, aber keins von beidem ist das jetzt.
Die Geräuschkulisse eines Lokales steigt euch ins Ohr und nach ein paar Metern über das kühlende Gras einer kleinen Parkanlage steht ihr davor. Platz an der Sonne steht auf einem Schild in Sonnenform, das über einer Treppe hängt, die ein ganzes Stück weit nach oben in das Lokal führt. Ihr schaut euch an. Keine Worte. Ihr geht zusammen hinein. Sofort schlägt euch die Wärme, der Geruch von Menschen, Bier und Zigaretten entgegen. Du bist überrascht. Du magst die Musik. Du magst die vielen Menschen, magst sogar den
Geruch.
Ihr setzt euch, bestellt ein Bier. Du schaust dich um und siehst viele freundliche Gesichter die ausgelassen plaudern, zwinkern und lachen. Das Umfeld saugt dich auf und du tust es ihm gleich. Deine Gedanken drehen sich um all die Eindrücke. Lachen, Musik, ein altes Klavier das in einer Ecke steht. Wie gerne würdest du Klavier spielen können. Du siehst Kellner, Billardspieler, Augen.
Augen.
Dein Gegenüber sieht dich an.
Lacht dich an.
Du kannst es zulassen.
Sieh nicht weg.
Nicht heute Nacht
Es blitzt.
Sieh nicht weg.
Schon wieder.
Lächele.
Rede.
Beuge dich vor.
Rede weiter.
Sieh hin.
Spüre den Atem.
Riech den Atem.
Rotwein.
Süßer Rotwein.
Süße Lippen.
Du merkst wie ihr einander immer näher kommt. Im guten Gespräch um den Körper beiläufig zu machen. Keine Scheu. Nur Instinkt. Ihr redet über vieles. Einstimmig. Ihr redet darüber, wie es sich anfühlt sich nicht zu kennen und doch das Gefühl zu haben eins zu sein. Dann wieder alte Comicserien. Ihr lacht viel. Ihr trinkt gemeinsam. Keiner kommt auf die Idee zu tanzen. Du traust dich nicht zu tanzen. Sie auch nicht. Es ist O.K. Alles ist O.K heute Nacht.
Du erzählst ihr wie schön ihre Augen sind. Nicht wie in einem Liebesroman, sondern mit einem Hauch Erhabenheit, als wäre es kein Problem deine Gefühle auszudrücken. Ist es auch nicht. Nicht heute Nacht.
Es wird später. Ihr zahlt und verlasst den Platz an der Sonne und tauscht ihn gegen einen Platz im Mondlicht. Der Park durch den ihr auf dem Hinweg gegangen seid liegt vor euch und eine alte Weide nimmt euch auf. Es dreht sich alles ein wenig. Aber es ist gut. Du möchtest etwas sagen, aber der Moment tut es für dich. Keine Worte mehr. Nicht heute Nacht. Arm in Arm liegt ihr unter den ausgebreiteten Armen der Weide und schlaft ein. Ihr werdet euch nicht heiß und innig küssen, ihr werdet nicht miteinander schlafen
oder eure Adressen austauschen. Es ist zu kostbar. Ihr werdet es in eurem Herzen tragen und davon zehren, oder eine Geschichte darüber schreiben. Ihr werdet wieder dieses einmalige, seltene Gefühl der Perfektion erheischen können wenn ihr daran denkt. Heute Nacht.
Eingereicht am 21. Juli 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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