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Liebesgeschichten Liebe Romantik love story Liebesgeschichte romantische Kurzgeschichte

Martin

© Jacqueline Schmidl


Eigentlich wollte er sterben.
Eine vollkommen gewöhnliche Liebesgeschichte sollte ihn zu einem vollkommen gewöhnlichen Selbstmord treiben.
Martin zog diese vollkommen normalen Liebesgeschichten an. Sein ganzes Leben lang. Im Kindergarten war er verliebt in ein Mädchen, welches er beim Studium kennenlernen sollte.
Er brach sein Studium ab und sie brach sein Herz.
Vorher war er gerade aus einer Beziehung mit dem Kopf voran geflogen, mit einem saftigen Tritt in den Hintern, und zwar vom neuen Freund seiner (Ex-)Freundin.
Er begann, die Frauen zu hassen, wollte aber nicht schwul werden.
Also stürzte er sich in die Renovierung seiner Wohnung und des Hauses seiner Eltern, in sein neu begonnenes Studium und schlussendlich vom Dach eines Hochhauses.
In dem Krankenhaus, in dem im das Leben gerettet wurde, lernte er kurz nach seiner Aufwachphase aus dem Koma in halb weggetretenem Zustand seine nächste große Liebe kennen. Sie hieß Maria.
Sie war Krankenschwester und für seine körperliche Pflege zuständig, was sie sehr sorgfältig ausführte. Als er bei halbem Bewusstsein war, sah er schwummrig ihre Gestalt um ihn herumwuseln und meinte lallend:
"Na Sie müssen Big Mamma sein, vor der mich alle gewarnt haben. Alle haben immer gesagt, im Himmel sind alle fett."
Die Figur, die er sah, verharrte ruhig, dann verließ sie wortlos den Raum.
Er schlief lange und das nächste Mal, als er wach wurde, war die Krankenschwester Maria wieder da. Er sagte nichts, er fragte sich nur, warum sie ihn so seltsam ansah.
"Haben Sie das ernst gemeint", fragte sie ihn und wusch sein Gesicht.
"Was meinen Sie genau", formulierte er angestrengt, denn man muss sagen, nach solch einer langen Zeit Koma und soviel Drogen im Blut lässt sich nicht so leicht reden.
Ich kenn das von meiner Mam, nachdem sie operiert wurde, besuchte ich sie im Aufwachraum und sie stelle mir eine volle Stunde lang ein und dieselbe Frage und redete dermaßen lallend, dass sie besoffen richtig nüchtern wirkt.
Aber zurück zu Martin und Maria.
"Sie haben mich Big Mamma und fett genannt", lachte Maria und wusch seine Achseln und Unterarme.
Martin dachte lange nach, so lange, bis sie schon wieder weg war und schlief auch bald wieder ein.
Am nächsten Tag, als sie wieder kam um nach dem Rechten zu sehen, sagte er sofort: "Nein, das hab ich nicht ernst gemeint."
Maria lachte und Martin war verliebt.
Die Zeit im Krankenhaus zu erzählen, wäre vollkommen sinnlos, denn Maria hatte nie Zeit, sie war zwar den ganzen Tag da, außer Montags und Samstags, am Abend war sie weg, das war dann immer die Zeit, wo Martin richtig energiegeladen war und reden wollte.
Sie sprachen oft miteinander, Martin erzählte ihr all seine danebengegangenen Liebesgeschichten, traute sich aber nicht den wahren Grund zu sagen, warum er hier war, warum man ihn vom Boden vor dem Hochhaus aufklauben musste. Er sagte, er wäre gefallen, ganz einfach.
Sie glaubte ihm oder auch nicht, sie fragte nicht nach, sie war keine Frau, die ständig nachfragte und nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus fuhr sie ihn nach Hause und er war glücklich, dass er die Marquise übersehen hatte, auf die er gefallen war, er war daran runtergerutscht und kam sich vor wie James Bond, schlussendlich fiel er die restlichen fünf Meter auf den Boden und tat sich nicht viel an.
Sie half ihm, seine Sachen nach Hause zu tragen und kochte Kaffee.
An ihren freien Tagen gingen sie spazieren, essen, ins Kino, ins Pub, in Museen und er versuchte immer wieder, einen Funken Freude in ihren Augen zu sehen. Sie schien in ihm trotzdem nur immer einen Patienten zu sehen, den sie waschen und pflegen muss.
Martin begann, Medizin zu studieren und bat Maria, ihm ein bisschen zu helfen, was sie auch tat.
Sie tranken Kaffee, waren auf bis in die Nacht und nachdem sie drei Monate lang nicht einmal "nur Freunde" waren, hatten sie Sex.
Ihr Blick blieb immer gleich.
Er fing an zu fragen.
Bist du verheiratet.
Hast du Kinder.
Warst du schon mal schwanger.
Bist du krank, hattest du mal den Tripper oder so.
Hast du vor, eine Familie zu gründen. Wie viele Kinder willst du haben.
Sie antwortete karg und meist mit einem Schulterzucken, sah bei jeder Antwort an ihm vorbei und suchte wahrscheinlich nach einem Engel.
Du weißt alles von mir, alma mia, sagte er und wollte mit seinem einst begonnenen Spanischstudium glänzen, du weißt alles und du erzählst nie etwas von dir. Warum schweigst du immer.
Maria zuckte nur mit den Schultern und ging schneller in Richtung Parkbank.
Er liebte sie, er gab alles für sie, sie wollte es gar nicht und sagte es ihm auch.
Sie sagte, verlieb dich nicht in mich, ich bin dein Tod, diesmal könntest du wirklich sterben, wenn du von einem Dach springst.
Er lachte und sagte, was für ein abartiger Gedanke, ich könnte wegen einer Frau sterben wollen.
Sie sah ihn mitleidig an, lächelte sanft wie immer und legte ihre Hand auf seine Schulter.
Martin war gefangen. Jeden Morgen und Abend dankte er Gott im Stillen, dass dieser ihm eine zweite Chance gegeben hatte, dass er ihn auch diesmal zu blöd für alles sein ließ.
Er drohte Maria nicht, als sie ihm sagte, dass sie eine Beziehung nicht aushielte und ihn verlassen müsse, sie weinte und er strich ihr über die Haare und beruhigte sie, ihr letzter Satz war, "Immer mach ich alles falsch", und er sagte nichts, diesmal war er es, der ruhig blieb und sich nur seinen Teil dachte.
Nach ihrem Abschied fuhr er zu einem See, der zwar weit von seinem Zuhause weg war, aber wen kümmert es schon.
Als kleines Kind war er einmal fast ertrunken und verweigerte dann jeden Schritt ins Wasser, er ging immer nur duschen und hatte keine Badewanne Zuhause.
Er dachte nicht lange nach, wusste nur, dass er es diesmal richtig machen würde und dachte sich nur, dass Gott das Leben nicht in der Hand hat, sondern jeder Mensch selbst, er wollte damals zwar sterben, hatte aber einfach Glück und nicht Pech, für ihn war es diese letzte Beziehung die schönste seines Lebens und damit verabschiedete er sich.



Eingereicht am 26. Juli 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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