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Ein Winternachtstraum

© Verena Bürger


Ihre Füße waren längst zu Eisklumpen geworden, ihre Mine zu einer Verfrorenen. Würden Tränen fließen, so hingen sie wie Eiszapfen auf den rosigen Wangen. An Tränen wollte sie aber erst gar nicht denken. Sie senkte ihren Blick: Mindestens ein Dutzend Zigarettenstummel. Normalerweise wäre ihr sonst schon speiübel geworden. Aber nichts drehte sich in ihr, das diesem Gefühl hätte Folge leisten können. Eiskalt, zugefroren. Ein leerer Bus fuhr an ihr vorbei, dröhnte doppelt so laut in ihren Ohren. Warum war er einfach vorbeigefahren, als ob sie dort gar nicht gestanden hätte? War auch er vorbeigelaufen, als ob sie gar nicht da gewesen wäre?
Sie dachte an ihre Freundin Anette. Sie erwartete sie in einer halben Stunde im alten Schwimmbad. Das Publikum würde ihr aus dem alten Becken zujubeln. Anette war eine begnadete Sängerin. Sie würde es ohne eine von diesen dämlichen Castingshows schaffen, welche die Popstars von heute fabrizierten, die dann bis morgen hielten, da die Masse nun mal von der Masse lebte, und nicht mehr von Qualität.
Langsam setzte Luise sich in Bewegung, die Hände zu Fäusten in ihrer Jackentasche verborgen. Es war ihr beider Tag gewesen, dem sie seit einigen Tagen entgegengefiebert hatten. Während Anette in einem 24 Stunden Marathon ihre Outfits präsentiert hatte, hatte Luise ihr erzählt wie sie sich das Treffen vorstellen würde. Und das nicht nur einmal. Schließlich fiel ihr jede fünfte Minute etwas Besseres ein, was natürlich Anettes Bestätigung bedurfte.
Sie taute innerlich ein wenig auf, etwas setzte sich in Bewegung. Ein Schluchzen. Sie beschleunigte. Warum war er nicht gekommen? Sie versuchte ihre Gedanken zu unterdrücken, und dem schwarzen Loch keine Chance zu geben. Doch sie wusste, war es so weit, war es zu spät. Vor ihrem inneren Auge spielten sich alle nur möglichen Schlüsselszenen ab. Der erste Abend, die erste Nacht, der erste Morgen - Wärme, Geborgenheit und diese Selbstverständlichkeit zwischen ihnen. Damals dachte sie an diverse Tierdokumentationen im Fernsehen, die vom Duft als ausschlaggebenden Faktor der Partnerwahl berichteten. Betörend war er ihr in die Nase gestiegen und sie hatte sich nicht mehr von dieser Welt gefühlt, als er sie an sich heranzog und...
Rot! Sie stand mitten auf der Fahrbahn. Gerade sah sie noch wie der Alte im roten Mazda sich wild gestikulierend aufregte, dann die Kurve kratzte.
Es war nicht mehr weit. Sie konzentrierte sich nun auf den restlichen Weg. Die Straße war dunkel, bis auf ein paar einsame, kitschig bunte Lichterketten. Es wurde für Weihnachten aufgerüstet.
Die eher schäbigen Häuser waren mit einzelnen Graffitikritzeleien versehen. Wie schwere, graue Klötze standen sie da, zu ihren Füßen Müllreste. Plötzlich fühlte sie sich ebenso schwer und klotzig. Eine graue Gestalt kam ihr entgegen. Sie hörte das unappetitliche Rotzen eines Mannes. Was für ein wunderbarer Tag, dachte Luise.
Endlich bog sie um die Ecke und sah das erleuchtete Gebäude, in dem sie als kleines Mädchen ihr Seepferdchen gemacht hatte. Ein Grüppchen junger Leute lungerte vor dem Eingang rum. Sie erkannte den dicken Adrian. Er spielte sich als großer Eventmanager auf, weil er mittels der Position seines Vaters, der im Stadtrat saß, die Schwimmhalle klar hatte machen können. Er kannte Anette nur flüchtig, aber Luise war sich sicher, dass er sich durch sein Engagement mehr erhoffte. Er hatte Null Chancen. Am liebsten hätte Luise ihm das gerade Mal so um die Ohren geschlagen, wie er da so breitbeinig und überlegen stand und den großen Macker mimte. Sie war gereizt, merkte, dass sie sich zusammenreißen musste. Tief durchatmen…
Sie schlüpfte durch einen dicken, roten Vorhang und sah auf die merkwürdige Location der alten Schwimmbadhalle. Das Becken senkte sich praktischer Weise sanft in den Erdboden, so dass das leere Becken als eine Art Tribüne den Zuschauern dienen konnte. Am Ende, in der Tiefenebene, wo sie als kleines Mädchen dem roten Gummiring nachgetaucht war, war eine kleine Bühne aufgebaut. Anette würde auf schwarzen Holzbrettern singen, hinter ihr Max am Schlagzeug, Kai am Bass und Susi an der Gitarre. Sicher würde es ein Erfolg werden.
Luise seufzte. Weiße Plastiktische standen am Beckenrand. Die ersten Grüppchen sammelten sich um sie herum, bedeckten sie mit ihren Bierbechern, umhüllten sie in schalem Zigarettenrauch. Plötzlich wurde sie von hinten angerempelt. Der dicke Adrian stürzte an ihr vorbei. "Hey, pass doch auf!" rief sie, doch er beachtete sie nicht und lief Richtung Bühne einem Tontechniker entgegen. Die Bar war in der ehemaligen Bademeisterkabine.
Wo war Anette?
Immer noch stand sie wie angewurzelt im Eingangsbereich, unentschlossen, allein und konfus. Sie seufzte und ging langsam zur Bar. Plötzlich war alle Energie verschwunden. Es reichte nicht einmal, um sich für ein Getränk zu entscheiden. Wieder driftete sie in ihren Gedanken dahin.
Es war ihre erste Beziehung gewesen. Vorher konnte sie kaum nachvollziehen, wie ihre Freundinnen sich die Augen aus dem Kopf heulten wegen nichts sagender Kleinigkeiten. Sie wusste kaum zu sagen, ob in diesen Beziehungen die beiden Partner wirklich durch Liebe einander gebunden waren. Was war es dann, das sie zusammenhielt? Doch was konnte sie schon dazu sagen, sie, die sich mit ein paar merkwürdigen, kurzweiligen Affären begnügt hatte, und immer noch nicht sagen konnte, was sie eigentlich getrieben hatte. Ja, hallte es verächtlich in Luise, ‚getrieben' ist gerade der richtige Ausdruck. Ihr sonst gesunder und ausgeprägter Verstand konnte sie wohl kaum in die demütigende Situation einer heimlichen Geliebte gebracht haben. Andererseits ahnte sie, dass sie sich selbst schneller auf dem Fluchtweg befunden hatte, als nur irgendjemand sie in irgendeiner Form hätte an sich binden können. Das Paradox von quälender Sehnsucht nach und Angst vor Nähe hatte sie in einen unbefriedigenden Zustand der Lähmung versetzt.
Dann der Tag, als Jonas zehn Minuten zu spät zum Seminar gekommen war. Luise saß von müden und angeödeten Gesichtern umgeben in dem leicht müffelnden Raum der philosophischen Fakultät und wartete auf den Beginn des Wochenendseminars "Mythologie heute: Der Mythos der Globalisierung". Freitagnachmittag, und dann so was. Doch ihre missmutigen Gedanken wurden jäh unterbrochen, als Jonas, wie ein frischer Wind, auf sie, oder besser gesagt auf den freien Stuhl neben ihr, zukam. Sie sah in sein Gesicht. Seine dunklen, undurchdringbaren Augen machten ihr unverständlich klar, dass er genau dort Platz nehmen wollte. "Jonas", sagte er ihr zunickend und dann kam Mister Mythos und riss die Studenten aus ihrem Dämmerschlaf. Luise saß angespannt und versuchte krampfhaft den dargelegten Gedanken zu folgen. Sie traute sich ihrer linken Seite keines Blickes. "Jonas", hallte es in ihrem Kopf und wenn sie die Ohren versperrte, meinte sie es sogar von Mister Mythos' Lippen ablesen zu können. Die Pause rückte näher und Luise merkte wie sie von Nervosität inklusive schwitzigen Handflächen eingenommen wurde. Ihr wurde beinahe schwindelig. Das konnten doch kaum die berühmten Schmetterlinge sein?!
"Hey Süße", ließ Luise hochschrecken. Anette stand neben ihr. Sie strahlte. Ihre Wangen waren vor Aufregung leicht gerötet. "Wasn los mit dir?" Dann begreifend: "Wo isser?" Luise brachte kein Wort über die Lippen. Es reichte gerade für ein schwaches Schulterzucken. Doch auch so verstand Anette und drückte sie kurz und fest an sich. "Komm, ich geb' 'n Bier." Sie folgte Anette an die Bar, sah wie Anette sich an zwei mächtigen Bierbäuchen vorbeidrängte, sich ganz selbstverständlich Platz verschaffte. Sie dagegen würde sich jedenfalls fürs Erste anstellen und dann von dort aus gründlich analysieren, ob es legitim war sich vorzudrängeln.
Anette drückte ihr den feuchten Plastikbecher in die Hand. Erst jetzt fiel Luise auf, dass Anette nicht das geplante Outfit trug. "Wieso haste denn nun nicht die Lederhose und das schwarze Oberteil an?" "Ach, fand das echt 'n bisschen zu heftig für so 'ne Schwimmhalle. Fühl mich wohler so. Ist doch auch okay, oder?" "Klar, sieht klasse aus." Anette hatte sich für den sportlicheren Look entschieden. Ihre grünen Sneakers, die teuren Dieseljeans und das sonnengelbe T-Shirt mit blauer Aufschrift: Pusteblume. In Hamburg hatten sie diesen Fang gemacht, als sie Luises Bruder Olaf besucht hatten. Selbst hatte sie das T-Shirt in grasgrün mit weißer Aufschrift: Sumpfblume.
"Also, was war los?" Anette zog sie aus dem aufkommenden Getümmel an die gekachelte Wand des Schwimmbads.
"Ich hab gewartet, er ist nicht gekommen. Das ist alles."
"Idiot! Hat er denn nicht angerufen?"
"Nee."
"Anette!? Komm mal! Wir müssen die Playlist noch mal durchgehen!"
"Vergiss ihn und entspann dich jetzt. Trink Bier! Das hilft. Ich muss."
Anette warf ihr noch einmal einen aufmunternden Blick zu, dann ging sie Max entgegen, der schon ungeduldig wartete.
Sie konnte sich nicht rühren. Das Gefühl absoluter Verlassenheit ließ ihren ganzen Körper erstarren. Völlig entrückt stand sie an der kühlen Wand, ihr Blick leer. Ein Anruf wäre doch das Einfachste in der Welt gewesen. Daran hatte sie vorher gar nicht gedacht. Doch diese Tatsache schnürte ihre Kehle noch stärker zu. Vergewissernd wühlte sie noch einmal in ihrer Wildlederhandtasche und ertastete das Mobiltelefon: Nichts. Als sie es wieder zurück in die Handtasche plumpsen ließ und aufschaute, sah sie Michael auf sich zukommen. Sie kannte ihn nur flüchtig von den Partys, auf denen sie zusammen mit Anette gewesen war. Bevor er nur irgendetwas sagen konnte, war ihr klar, dass Anette ihn geschickt hatte, um sie auf andere Gedanken zu bringen und aufzumuntern. Obwohl sie Anettes Sorge rührend fand, wäre sie am liebsten auf der Stelle weggerannt. Michael lächelte schief und fragte: "Lust auf 'n Bier?" Sie nickte und presste ein verkrampftes Lächeln hervor. "Warte hier, bin gleich wieder da." Er ging Richtung Bar. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie an dem Bier von Anette nur genippt hatte. Na ja, schaden konnte es nicht. Ohne abzusetzen ließ sie das Bier durch ihre Kehle laufen. Die Kühle schien ihren Schmerz für einen kurzen Moment zu lindern.
Einmal waren sie und Jonas heftig betrunken gewesen, als sie gemeinsam zum Geburtstag von einem Jonas' Freunde eingeladen waren. Damals war ihre Beziehung noch frisch, und trotz der Nähe zwischen ihnen waren beide noch vorsichtig und zurückhaltend gewesen. An dem Abend sollte aber auch dieses kleine Hindernis aus dem Weg geräumt und ihre Bande verstärkt werden. Luise hatte kleidungsmäßig alle Asse ausgespielt und hatte fantastisch ausgesehen. Sie hatte die Blicke der anderen Gäste auf sich gerichtet gespürt. Doch war sie sonst verunsichert gewesen, hatte sie in dem Augenblick gewusst, dass sie schön war. Es wurde viel angestoßen und zugeprostet. Jonas war nicht stets in ihrer Nähe gewesen, doch sie hatte gewusst, dass seine Augen nur ihr galten. Sie hatte ihr geheimnisvolles Lächeln aufgelegt und hatte seine Blicke erwidert. In ihr hatte sich ein Feuer entfacht, das sich soweit in ihrem Körper ausgebreitet hatte, dass der Wunsch nach Verschmelzung mit Jonas immer stärker geworden war. Vielmehr noch, sie wollte ihn verzehren. Wie ein Vamp war sie schließlich durch den Raum geflogen. Ihre Mission war eindeutig gewesen.
Luise merkte wie sie lächelte. Unter normalen Umständen wäre sie niemals so progressiv an die Sache herangegangen.
Doch niemand hatte sie stoppen können. Sie wollte ihn verführen und die Nacht zu einer unvergesslichen machen. Von hinten hatte sie sich an Jonas geschmiegt, der eigentlich gerade mitten in einem Gespräch gewesen war. Doch was hätte belangloser sein können als das.
Es war nicht schwer gewesen, Jonas auf die kleine Tanzfläche zu ziehen, quasi leichte Beute, denn er war schon längst von ihrem Anblick verführt gewesen. Sie hatte seinen Herzschlag gespürt, seine warmen weichen Lippen auf ihren - der Kuss, dem sie sich nur entwendet hatte, um Luft zu holen. Sie hatten sich längst über die stimmende Chemie hinweggesetzt, und erzeugten nun Starkstrom. So perfekt, so einmalig! Sie sog Jonas nun förmlich in sich auf.
Er knabberte an ihrem Ohrläppchen und flüsterte: "Du kleines Miststück! Warte nur, bis wir zu Hause sind!"
Und Luise merkte, wie es sie durchfuhr.
"Träumst du?" Michael lächelte schief und hielt ihr das nächste Plastikbecher-Bier entgegen.
"Nee, gar nicht. Danke für das Bier", antwortete sie schnell. "Prost!" Beide setzten an.
"Und, was machste so?" Luise konnte sich gerade noch beherrschen, nicht mit den Augen zu rollen. Da musste jetzt wohl durch, hörte sie sich innerlich zu sich selbst sagen. Doch bevor sie eine Antwort über den allgemeinen Studiumsstress aussprechen konnte, ging ein Kratzen durch die Lautsprecher, und beide drehten sich zu der kleinen Bühne, wo Anette versuchte, das Mikrofon in Gang zu bekommen. Froh dem Smalltalk entgangen zu sein, gab sie Michael mit einem Blick zu verstehen, dass sie sich nun einen guten Platz im Becken suchen würde, um ihrer Freundin und dem Konzert ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken. Es gab Stress mit den Anwohnern und der Nachtruhe, deswegen musste das Konzert fortzeitig beginnen. Luise sah die roten Stressflecken auf Anettes Wangen und ahnte, dass es in Anette brodelte. Doch sie musste selbstverständlich Haltung bewahren.
Luise bekam Gänsehaut, als Anettes samtige, dunkle und doch klare Stimme die Halle ausfüllte. Ihr war als vibrierte die Luft, und doch als ob ein jeder den Atem anhielt. Ihre vom Gram und Verzweiflung verkrampfte Rücken- und Nackenmuskulatur entspannte sich. Die Musik schien sie sanft im Arm zu wiegen. Das warme Gefühl der innigen Freundschaft zu Anette und der Stolz auf sie breitete sich in ihrem Brustbereich aus. Doch gleichzeitig streifte sie der Schmerz des Versagthabens, ein quälender Gedanke, der auf der Lauer lag, und nur auf den richtigen Augenblick wartete, um als stumpfer Dolch ihr Herz zu durchbohren. Dieser Augenblick war gekommen, als Anette sich mit glänzenden Augen noch einmal vor dem 300 Menschen zählenden Publikum vorbeugte. Damit war Luises vakuumsartiger Zustand zu Ende. Um nicht von den anderen umgerannt und getreten zu werden, erhob auch sie sich, blieb jedoch verwirrt und orientierungslos stehen. Ihr wurde klar, dass sie wieder mit den Tränen kämpfte. Er hatte sie sitzen gelassen. Wahrscheinlich hatte sie ihn einfach zu sehr bedrängt, nur an sich gedacht, obwohl er angedeutet hatte, dass es ernsthafte Probleme in seiner Familie gab. Aber warum hatte er ihr auch nichts gesagt? Was war so geheimnisvoll? Und nun waren vier Wochen vergangen, in denen Jonas sich kaum von selbst gemeldet hatte. Er war so distanziert gewesen. Wut mischte sich unter ihre Enttäuschung. Warum hatte er dann überhaupt zugesagt, heute Abend zu kommen?
Sie beschloss nach Hause zu gehen. Ihr war alles zuviel. Aber vorher musste sie Anette noch zu dem gelungenen Auftritt gratulieren. Sie drängte sich an schwitzigen Rücken vorbei. Anette war noch nicht zu sehen. Deswegen zögerte sie nicht, die Band in der Sammelumkleide aufzusuchen. Sie wollte raus aus dem Menschengewühl.
Wie aufeinander abgestimmt ging die Tür auf und Anette kam ihr entgegen, gefolgt von ihren drei Bandmitgliedern. "Hey, du warst großartig!" Sie drückte ihre Freundin kurz an sich. Und bevor sie etwas erwidern konnte, machte Luise ihr klar, dass sie zu nichts mehr zu gebrauchen war und nach Hause gehen wollte. Um ihrer Leere Raum zu geben, fügte sie auf ihre trockene Art und Weise hinzu. Wie absurd das klang!
"Klar, verstehe ich. Aber mach dich nicht fertig, hörst du? Es wird sicher eine Erklärung dafür geben. Wirst sehen!" Luise lächelte tapfer, konnte aber nichts mehr sagen. Sie beeilte sich, an die frische Luft zu kommen, und atmete dreimal tief durch bevor sie ihren Weg nach Hause fortsetzte. Sie konzentrierte sich auf den Rhythmus ihrer Absätze, nahm ihre Umgebung nur vage wahr. Es war merkwürdig still. Nur wenige Autos fuhren an ihr vorbei. Sicherlich saßen sie alle zu Hause im Warmen und brachten sich mit den Aldi Lebkuchen in Weihnachtsstimmung. Bitter lachte sie in sich hinein.
Angekommen kramte sie schließlich mit steifen Fingern ihren Haustürschlüssel zu dem 30er Jahrebau hervor, in dem ihre kleine Zweizimmerwohnung lag, 1. Stock. Die Holztreppe ächzte unter ihr. Und als ob sie sich auf der Flucht befunden hätte, blieb sie einen Augenblick an ihre Wohnungstür gelehnt stehen, welche leise hinter ihr ins Schloss gefallen war. Ihr Blick fiel auf das hastig zusammengefaltete Stück Papier, was unter ihrem rechten Schuh hervorblitzte. Sie merkte, wie Adrenalin in ihrem Körper ausgeströmt wurde. Sie bückte sich und hob es mit zitternden Händen auf. Es war seine Handschrift! Die krakeligen Zeilen in schwarzem Kugelschreiber waren eindeutig von ihm. Vor lauter Freude und Erleichterung fingen die Buchstaben vor ihren Augen an zu tanzen.
Doch die unterste Zeile nahmen sie ganz klar wahr: "PS: Frische Brötchen zum Frühstück?"

Eingereicht am 04. Februar 2007.
Herzlichen Dank an die Autorin.
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