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Dez
01
Morgen kommt ein neuer Tag
© John Marlow

Peter konnte es noch immer kaum glauben: Da saß diese blonde Traumfrau neben ihm in seinem Wagen und lächelte ihn verheißungsvoll an, während der ganzen Fahrt zum Hotel.

Sie waren sich vor zwei Monaten zufällig auf einer Party begegnet und hatten den ganzen Abend heftig miteinander geflirtet. Obwohl er bereits fünfzehn Jahre mit Bettina verheiratet war, hatte er seit der ersten Begegnung mit Mariella nicht einmal ansatzweise ein schlechtes Gewissen. "Wie man sich in sich selbst täuschen kann", dachte er. Nie hätte er es für möglich gehalten Bettina untreu zu werden, obwohl er mit Mariella noch nicht einmal geschlafen hatte. Er und Bettina lebten eigentlich nur noch nebeneinander anstatt miteinander, hatten nur noch selten Sex und sprachen meistens über belanglose Dinge, um nicht zu streiten. Bettina hatte sich in den letzten Jahren sehr verändert; sie glaubte all die Dinge, die sie wegen ihrer strengen Erziehung scheinbar als Jugendliche verpasst hatte, nachholen zu müssen. Selbst er wurde plötzlich von ihrem Zweifel an versäumten Gelegenheiten eingeschlossen. Sie stellte ihre eigene Wahl, ausgerechnet ihn, den, wie man sagte, gut aussehenden und charmanten Bauingenieur geheiratet zu haben, in Frage. Sie sprach dies ihm gegenüber jedoch nie offen an. Aber er merke, dass sich etwas Entscheidendes zwischen ihnen verändert hatte. Waren es anfangs nur die kleinen Dinge des Alltags, wie z.B. seine zerknitterten Oberhemden oder die verstaubten Schuhe, die er achtlos nach einem Bürotag abstreifte, so wurde Bettina immer penibler ihm gegenüber. Allmählich entwickelte sie sich zur Nörglerin. Bettina selbst ging dagegen mit Freundinnen immer öfter auf so genannte Ü30-Partys und betrieb zudem seit sechs Wochen wieder regelmäßig Vereinssport. "Ich tue das für meine Fitness und weil ich Spaß haben will!", erklärte sie genervt, als er einmal fragte, warum sie ihn nicht einfach einbezogen hatte, "Das ist doch nichts für dich, du langweilst dich nur und verdirbst mir mit deiner schlechten Laune den ganzen Abend. Triff dich doch auch wieder mal mit deinen Freunden und unternehmt etwas!"

Während die Sonne an diesem Nachmittag ein mildes Licht auf die Straße warf, sah er verliebt zu Mariella und wie der warme Fahrtwind ihr blondes, langes Haar umspielte. Hatte Bettina ihn nicht "dazu" halbwegs ermuntert? Er hatte fast vergessen, wie aufregend und unbeschreiblich wohltuend die Bewunderung und das Interesse einer so hinreißend schönen wie klugen Frau für einen Mann sein konnte. Er fühlte sein Herz wieder bis zum Hals klopfen wie bei einem verliebtem Teenager, wenn ihre tiefen Blicke sich sekundenlang trafen. Diese Gefühle und die Vertrautheit, die er für Mariella verspürte, das waren die Dinge, die Bettina ihm nicht mehr gab und die er jetzt auch nicht mehr für sie empfand. Er hatte seit einigen Wochen das unbestimmte Gefühl, dass Bettina sich mit jemandem traf. Da waren die merkwürdigen Anrufe auf ihrem Handy, worauf sie sich sofort jedes Mal in ein anderes Zimmer zurückzog, die Türen sorgfältig schloss und mit gedämpfter Stimme redete. Für die Ü30-Partys, die sie jetzt noch häufiger besuchte, benötigte sie deutlich länger für ihr Styling als früher. Als er ihr eingeschaltetes Handy zufällig einmal im Haus fand, las er indiskret ihr SMS und sah seine Vermutung bestätigt. "Wahrscheinlich hält sie mich für einen ahnungslosen Blödmann", knurrte er leise. "Warum sagte sie nicht einfach, dass sie einen anderen liebt und macht Schluss?"

In diesem Zeitraum geschah es dann, dass er Mariella auf der Firmenparty eines Geschäftspartners traf. Ausgerechnet an dem Tag, an dem es Bettina nicht so gut ging. Sie klagte schon den ganzen Morgen über heftige Kopfschmerzen, die auch durch Tabletten nicht nachließen. "Fahre ohne mich hin", sagte sie, "Firmenpartys sind wichtig. Da sollte man nicht ohne wichtigen Grund fehlen." "Bist du sicher, dass ich nicht bleiben soll? Nachher geht es dir womöglich noch schlechter?", hörte er sich mehr aus Pflichtgefühl als aus echter Besorgnis fragen. Dann fuhr er zu dieser Party und traf später Mariella, mit der den ganzen Abend tanzte und die er unter anderen Umständen an diesem Abend nie kennen gelernt hätte. "Manchmal hat das Schicksal auch ganz nette Überraschungen parat", dachte er vergnügt und freute sich auf das Wochenende, das er mit Mariella im Holiday Inn gebucht hatte. Bettina war am Freitagmorgen schon früh mit ihrer Sportgruppe das ganze Wochenende zu einem großen Punkteturnier nach Süddeutschland gereist. Er hätte nicht besser passen können.

Der Wagen bog in die Zufahrt zum Holiday Inn ein. Mariella stieg aus und zog dabei ihren knappen schwarzen Minirock mit einem unschuldigen Lächeln zurecht, während er die Koffer auslud. Nachdem sie eingecheckt hatten und die Zimmertür endlich hinter ihnen ins Schloss fiel, schlang Mariella ungestüm ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn so leidenschaftlich, das ihm fast der der Atem stockte. Sie ließen sich beide auf das Bett fallen und er fuhr mit seiner Hand unter ihre Bluse, wo er ihre wohlgeformten Brüste fest umschloss. Sie drängte sich erst an ihn, doch dann sagte Mariella plötzlich, "Lass uns bitte erst duschen, Schatz, dann fühle ich mich wohler. Nach der langen Fahrt bin ich etwas verschwitzt und das mögen wir Frauen gar nicht gern...", dabei sah sie ihn wieder so unschuldig an, dass, wenn Sie es gewollt hätte, er in diesem Moment sogar nackt zur Bar gelaufen wäre, um Eis für einen Drink zu holen. "Sie hat ja recht", dachte Peter, "wir haben noch das ganze Wochenende vor uns und das werden wir stressfrei genießen." "Ich gehe zuerst ins Bad, wenn es Dir nichts ausmacht, Mariella. Ihr Frauen braucht ja meistens eine kleine Ewigkeit im Badezimmer", sagte er mit einem verschmitzten Lächeln. Bettina hätte ihn für so eine Bemerkung erwürgen können, doch Mariella zwinkerte ihm nur zu mit einem bezauberndem Blick und flüsterte:"Du kennst die Frauen gut, mein Schatz, aber beeile dich wirklich. Ich kann es kaum erwarten." Sie war eine absolute Traumfrau.

Während er unter der Dusche stand und das warme Wasser auf sein Gesicht prasseln ließ, fühlte er das Glück und die Geborgenheit, wonach er sich so schon so lange gesehnt hatte. Er stellte das Wasser ab und begann sich abzutrocknen. Wo blieb Mariella? Wartete sie schon ungeduldig darauf, gleich nach ihm unter die Dusche zu springen? Er öffnete erwartungsvoll die Tür vom Badezimmer und stand vor Bettina.

Es gibt Situationen im Leben, die waren so unwirklich und bizarr, dass man nicht im Entferntesten eine Vorstellung davon haben konnte, wie man sich darin fühlte geschweige denn verhalten sollte. Dies war so eine Situation und Peter wünsche sich für einen Augenblick überall zu sein, nur nicht hier, so spärlich bekleidet mit einem Handtuch um die Hüften, im Hotelzimmer mit seiner Geliebten und vor seiner Ehefrau stehend, die mit wild und wütend, funkelnden Augen sich drohend vor ihm aufbaute. "Du bist ein Schwein", brach es nach einem scheinbar ewig dauernden Moment aus ihr heraus, "ein elender Mistkerl. Das hätte ich Dir nicht zugetraut. Mit meiner besten Freundin...!" "Freundin?", echote er verwirrt zu sich selbst. Der Boden schien sich plötzlich zu drehen. Ungläubig wich er ein paar Schritte zurück. "Mariella, eine Freundin, Bettinas Freundin?",suchend blickte Peter umher und sah Mariella in einer Ecke des Hotelzimmers stehen. Sie hatte eine Jacke über ihr schwarzes Kostüm gezogen sah überhaupt nicht mehr zärtlich zu ihm herüber, sondern mit dem kalten und verachtenden Blick einer antiken Rachegöttin. "Sie haben mich beide reingelegt", schoss es ihm wie ein Blitz durch den Kopf, als er allmählich begriff, was ihm gerade widerfuhr. Er fühlte nur den dumpfen Schmerz der großen Enttäuschung langsam in sich aufsteigen und ging wie in Trance zum Stuhl, auf dem er seine Sache abgelegt hatte. Bettina zischte einige böse Worte von Scheidung und Schuld, die er aber nicht mehr richtig wahrnahm. Es war peinlich und gleichzeitig zutiefst demütigend, was ihm hier passierte. "Der Betrüger wurde von zwei Betrügerin betrogen", dachte er bitter. Nachdem er sich angezogen und seinen Koffer in die Hand genommen hatte, drehte sich wortlos um ohne die beiden Frauen noch eines Blickes zu würdigen und zog die Tür hinter sich zu. Im Flur hörte er noch Mariella zu Bettina sagen: "Er ist es nicht wert! Er hat dich betrogen, dich, meine beste Schulfreundin. Ich kenne einen guten Anwalt, der einiges bei der Scheidung für dich herausschlagen wird."

Er wusste nicht wohin er fuhr und auch nicht wie er die ganze Zeit bis hierher gefahren war. Alles funktionierte automatisch und Peter war noch nicht in der Lage einen klaren Gedanken fassen. Das ihm Mariella die ganzen 2 Monate etwas vorgespielt hatte, traf ihn tiefer, als er sich selbst eingestehen wollte. Hatte sie wirklich nichts für ihn übrig, waren es tatsächlich Lügen von Anfang bis Ende gewesen. Die ganzen Küsse, die Zärtlichkeiten und die Liebesmails - alles gelogen? "Alles gelogen!", dröhnte sein Verstand. "Alles gelogen!"

Jetzt stand die Sonne schon tief am Horizont und noch immer fuhr ohne Ziel über die einsamen Landstraßen. In der Ferne sah er einen dunklen Punkt am Straßenrand, der sich beim Näherkommen als Kleinwagen entpuppte. Offensichtlich eine Autopanne, was sich unschwer an der weißen Dampfwolke erkennen ließ, die unter der geöffneten Motorhaube hervorquoll. Daneben stand eine Frau, die ihn im Vorbeifahren mit verzweifeltem Blick winkte. Peter bremste etwas unwillig, stieg dann aber aus und ging zu der aufgelösten Fahrerin. "Sie sind meine Rettung", sagte sie aufgeregt. "Es scheint heute niemand beim Pannendienst Zeit zu haben." "Am Wochenende haben die Hochkonjunktur", bemerke er trocken, "weil da fast jeder nach Hause oder in den Wochenendurlaub fahren will. Ich schaue mal nach. Vielleicht kann ich ihnen helfen." "Danke", sagte die Frau erleichtert, "vielen Dank! Sie sind ein Schatz!" Bei dem Wort "Schatz" zuckte er unwillkürlich zusammen und duckte sich noch tiefer über den Motorraum des Polos. Nach wenigen Augenblicken war klar, dass der Autokühler einen großen Riss hatte. Sie konnte mit ihrem Auto nicht weiterfahren. Erst jetzt nahm er sie richtig wahr. Er schätzte ihr Alter auf Anfang bis Mitte 30. Sie hatte schwarze, schulterlange Haare und trug einen knielangen, marineblauen Rock mit einer weißen Bluse, die ein dezentes aber ansehnliches Dekolleté darbot. Der Sommerwind trug den Duft ihres Parfüms zu Peter und er verharrte länger als beabsichtigt über dem Motorraum ihres Wagens. "Sorry, aber der Wagen muss in die Werkstatt. Der Kühler ist hinüber. Wenn Sie wollen, versuche ich den Pannendienst zu erreichen und vereinbare die Abholung. Wohin wollten Sie eigentlich?", Peter war selbst über seine Initiative erstaunt. "Das ist sehr freundlich, aber die Mühe müssen Sie sich nicht machen.", sagte sie nun schon viel ruhiger. "Allein das jemand angehalten und mir etwas moralischen Beistand geleistet hat, war schon Hilfe genug. Das macht nicht jeder Autofahrer." "Es macht mir nichts aus und wenn Sie möchten, fahre ich Sie ihrem Ziel", hörte er sich sagen. Sie zögerte und blickte zur Seite auf ihren Wagen. Peter ärgerte sich sofort über seinen forschen Vorstoß: "Sie hält mich jetzt wahrscheinlich für einen der Kerle, die die Situation einer hilflosen Frau schamlos ausnutzen. Ich werde...." "Einverstanden", unterbrach Sie seinen Gedankengang. "Wenn es Ihnen wirklich nichts ausmacht, wäre es sehr freundlich von Ihnen, mich in die nächste Stadt zu fahren. Ich werde dort in einem Hotel übernachten." Nachdem sie den Abschleppdienst informiert und die Formalitäten geklärt hatten, fuhren sie los. Wieder roch er den Duft ihres Parfüms. "Wissen Sie", sagte er, "für heute komme ich schon zu viel zu spät. Mein Ziel habe ich nicht erreicht. Ich werde auch in der Stadt übernachten. Morgen kommt wieder ein neuer Tag." Sie sagte nichts und blickte mit einem unsicheren Lächeln etwas verlegen zu ihm hin. Peter setzte mit einem Lächeln nach: "Ich habe einen Bärenhunger und werde noch etwas essen. Mit schmeckt es aber am liebsten in Gesellschaft. Ich lade Sie gern ein und würde mich sehr freuen, wenn wir heute Abend im Hotelrestaurant gemeinsam essen.", sagte er erwartungsvoll. Sie zögerte erneut etwas, doch dann sagte sie: "Vielen Dank für die Einladung. Nach so einem schlimmen Tag wäre das ein versöhnlicher Abschluss. Morgen kommt wieder ein neuer Tag." "Ja", sagte er und blickte dabei in ihre wunderschönen Augen, "der wird sicher besser." Jetzt lächelten sie beide.

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