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Die Stimme© Jürgen HeusserMontagmorgen, wieder einmal der Beginn einer endlos erscheinenden Woche. Das Hämmern in meinem Kopf schleicht sich noch immer leicht durch meine Hirnrinde. Die Aspirin wirken auch nicht mehr so gut wie sie früher gewirkt haben. Irgendwie habe ich wohl am Wochenende wieder einmal zu lange gemacht. Zum Glück kann man da schon sagen, das ich noch eine Stunde mit der Bahn unterwegs bin, so kann ich mich noch ein wenig sammeln bevor die Arbeit beginnt. In der ersten Zeit hat mich diese Stunde morgens hin und abends wieder zurück mächtig gestört. Heute empfinde ich diese Bahnfahrt jedoch erholsam und beruhigend. Besonders nach so einem verkaterten Wochenende. Nun wurden die Tage auch wieder wärmer und auch von der vorbeirauschenden Umgebung war wieder mehr zu sehen als verschwommene Silhouetten in der Nacht. Schon waren 4 Monate des neuen Jahres an mir vorbei gezogen und der Mai gab seinem Namen als Wonnemonat alle Ehre. Aus tristem Grau schlugen sich erst zarte grüne Triebe, die sich dem Grauen Schleier von Tagen annahmen und ihn vertilgten. Dem Grün folgten bunte Farben der Frühlingsblumen die es einem angenehm machten, die Fahrt am Fenster zu genießen. So saß ich auch an diesem ach so grausamen Montagmorgen in dem Abteil in dem ich jeden Tag der Woche meinem Elend entgegen fuhr. Mein Blick starr und den bunten Punkten auf den Wiesen folgend, kaum die einen im Rausch der Fahrt verloren um die nächsten voller Begierde in mich auf zu nehmen. "Ist hier noch frei?", fragte hinter mir eine wohlklingende Stimme. Wie ein Hallowach Klingeln löste sich mein Blick vom Wandern über Wiesen, Felder und Blumen und ich schlug heftig mit dem Kopf gegen die Scheibe. Autsch ! Nie wieder werde ich so viel trinken, schwor ich mir wie fast jeden Montag. Ich blickte mich um und sah, dass ich immer noch allein in dem Abteil saß. Super, eingenickt und ne Beule wird das wohl auch geben. Die Stimme verfolgte mich nun den ganzen Weg bis zum Hbf München und über den ganzen Tag hinweg. Real kam die Stimme mir vor. Vertraut und wie ein Ohrwurm nicht aus dem Kopf zu bekommen. Ein jeder kennt sicher diesen Ärger wenn am Morgen im Bad oder in der Küche im Radio ein Lied läuft und es einen den lieben langen Tag verfolgt. Düdel düdel immer wieder genau dann wenn man es vergessen geglaubt, ist es auf einmal wie von Geisterhand wieder im Kopf. Die Monotonie meiner Arbeit erdrückte mich. Datenberge hoch wie die Alpen. Ich hasse Bergsteigen! Papier aus dem ich am liebsten Urlaubsflieger basteln würde. Es stimmt, ich war nicht glücklich in meinem Bürojob. Jeden Tag immer wieder Vorgänge bearbeiten, Dateneingabe, weiterbearbeiten, ausdrucken, versenden, ablegen und weiter und weiter und, ach haken wir das ab. So war ich wieder einmal heilfroh, den Montag herum gebracht zu haben und mit der Bahn auf dem Heimweg zu sein. Eine Stunde ruhe genießen und das vorbei huschen der Häuser zu beobachten. Eigentlich sollte ich mir bei der Bahn einen Job suchen, denn ich genoss es mit dem Zug zu fahren. Es gab mir ein Gefühl von zu Hause. So rangen meine Gedanken mit mir, ob ich einfach mal …. - " Ist hier noch Frei" erklang die gleiche Stimme wie bei der Fahrt am frühen Morgen. Gott sei Dank schlug ich mir bei diesen mal nicht meine Stirn an der Scheibe an, denn eine Beule hatte ich schon. Nein, dachte ich bei mir - ignorier es, als im gleichen Moment erneut die Stimme freundlich fragte " Entschuldigen Sie, wissen sie, ob hier noch frei ist ? " . Im umdrehen sagte ich "aber Nein, setz….!!!!" Zu meinem Erstaunen musste ich feststellen, dass ich wohl doch sehr urlaubsreif war, denn ich war alleine im Abteil. Da muss ich wohl diesmal doch einige Gehirnwindungen raus geschossen haben. Mit meinen knapp 33 Jahren werde ich wohl doch zu alt für lange Feiern. Heute Morgen konnte ich es noch auf einen Sekundenschlaf mit dem Deutschen Bahn Hartscheibenwecker begründen, aber nun. So stand ich auf um nach draußen zu schauen. Wie all so üblich in der Rush Hour oder wie man sonst sagt im Feierabendverkehr, war in den Wagen eine gute Begängnis. Die Gesichter von vielen kannte ich schon vom Wöchentlichen hin und her. Jeder in sich selbst gekehrt, in Gedanken oder in Zeitschriften versunken. Tag für Tag jeder auf seinem Platz, Tag für Tag, so wie auch ich in meinem kleinen Abteil. Selten kam es vor, dass sich viel im Abteil abspielte, da hier jeder für sich war. Umso mehr beschäftigte mich auch jene zauberhafte Stimme, dich sich in mein Ohr gefressen hatte und mir immer zu flüsterte " ist hier noch frei, ist hier noch frei". Was ist so besonderes daran, ach pfeif doch drauf, dachte ich mir, und verzog mich wieder in mein Abteil, das nach wie vor so schlecht besucht war wie zuvor. An diesem Abend ging ich alles wesentlich ruhiger an. Kein Kneipenbesuch, sonder eher Katerpflege machen. Dies hieß bei mir gemütlich zu Hause mit einem Gläschen Wein und ein paar Appetithappen vor den Fernseher zu verbringen. Die nächsten Tage fing ich nun an, an mir zu zweifeln. Nun, die große Feier war nun schon lange hinter mir und in den letzten Tagen hatte ich doch sehr anständig gelebt. Keine Ausschweifung, die meine Hirnwindungen hätte durcheinander bringen können. Dennoch geschah nun jeden Tag das gleiche. Bei meiner Fahrt zur Arbeit und von der Arbeit wieder zurück hörte ich immer wieder diese wie Watte so weiche Stimme. So real, mich jedes Mal wieder hochschrecken lassend. Auch wenn ich mir sagte, nee Freunde, heute nicht. Mich angestrengt hinsetzte, mein Blick auf die Tür gebannt, aufpassend ob jemand käme und diesen Satz sagen würde. Nichts ! Kaum aber ward ich nur für eine Minute abgelenkt, war sie da " Entschuldigung, ist hier noch frei? " Mein Blick aber fiel ins Leere. Wie konnte das sein. Ich war nahe dran mich krankschreiben zu lassen. Denn das ging nun schon eine ganze Woche so und ich war froh dass es Wochenende war. Der Samstagmorgen fing gemütlich an. Lange schlafen und sich von den Strapazen der Arbeitswoche erholen. Noch halb im Schlaf musste ich mich erst einmal mit kaltem Wasser frisch machen bevor ich meinen Kaffee an der Maschine ansetzte. Kurz geduscht und Zähne geputzt und ab zum Bäcker. Es gehörte einfach dazu, ein Wochenende mit frischen Semmeln, einem gemütlichen Frühstück und einer guten Klassischen CD zu beginnen Nachdem ich mir alles hergerichtet hatte und meinen ersten Schluck Kaffee getrunken hatte, warf ich einen Blick in die Tageszeitung. Politische Reformen, Anschläge, na, erst einmal die Werbung. Ich wollte gerade in die neue Media Markt Werbung reinschauen, als mein Blick auf eine Überschrift fiel und mir der Atem stockte. Ein Gefühl wie 10000 Ameisen auf meiner Haut so ging mir dieser Satz durch und durch. Ich ließ die Werbung fallen und fing an zu lesen. Da stand im Zeitungsartikel "Entschuldigung ist hier noch frei". Immer mehr Komapatienten …… Kaum noch ein Bettenplatz frei. …….. Ein besonderer Fall. Frau K. (33) aus Augsburg erlitt vor 1 Jahr einen Unfall auf dem München Hbf. und liegt seit her im Koma. Die Pendlerin rutschte auf einem verschütteten Getränk aus und schlug so heftig mit dem Kopf auf. Die Chancen stehen schlecht, dass sie jemals wieder aus dem Koma erwacht…….. Es war genau dieser Satz der mich seit 1 Woche nun verfolgte. Tag und Nacht die Stimme in meinem Kopf. Wenn ich den Satz las hörte ich die Stimme in meinen Kopf. Wie in Trance ließ ich mein Frühstück stehen und zog mich an und machte mich auf den Weg in das Krankenhaus. Zu Fuß lag es gerade einmal 10 Minuten von mir zu Hause weg. Mit der Zeitung in der Hand fragte ich mich durch und nach 1 Stunde war ich so weit, das ich vor der Tür stand in der die Frau lag. Zwei weitere Stunden dauerte es, bis ich mich traute das Zimmer zu betreten. Da lag sie. Das kribbeln der Ameisen war wieder da und dazu krabbelten weitere mindestens 20.000 durch meinen Bauch. War das ein Traum? Es kam mir zwar ein bisschen bescheuert vor als ich sagte " Entschuldigung, suchen sie einen freien Platz?" Kaum hatte ich diesen Satz ausgesprochen, schlugen die Geräte an. Die Herzfrequenz, die Atmung, die Hirntätigkeiten schossen hoch als hätte man in Kap Canaveral eine Rakete gestartet. Keine 10 Sekunden später schwirrte es von Schwestern in dem Zimmer. Was haben Sie den gemacht wurde ich gefragt. Ähm tja, das war eine gute Frage. Genau in diesem Augenblick schlug sie die Augen auf und schaute mich an und sagte " JA" und lächelte! Nein, eine Stecknadel hätte wohl niemand auf den Boden werfen dürfen. Ja, das Ganze liegt jetzt auf den Tag genau zehn Jahre zurück. Nie wieder hörte ich die Stimme diese Frage aussprechen, denn ich ließ die Frau, die heute meine Frau ist, nie wieder alleine. Was genau geschah wissen wir beide nicht. Aber es war vorgesehen, dass wir zusammen gehören. Ohne meine Bahnfahrt, wer weiß ob wir uns je getroffen hätten. Heute nun fahren wir gemeinsam jeden Tag mit der Bahn in unserem Abteil in die Arbeit und es tut gut. Buchtipp: Ein zauberhafter Liebesroman von Patricia Koelle
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