Auf einer in allen Farben des Regenbogens leuchtenden Blumenwiese lebten zwei Hasenkinder. Als die beiden Winzlinge sich kennen lernten, schnupperten sie aufgeregt aneinander. Sie mochten sich sofort gut leiden. Es waren ein Mädchen und ein Junge. Das Hasenmädchen hieß Patschi und der Hasenjunge Löffel. 'Patschi' wurde so gerufen, weil es sehr gerne mit den Pfoten auf dem Boden herum trommelte und dabei machte es jedes Mal deutlich 'patsch'. Löffel dagegen trug seinen Namen, weil er außergewöhnlich lange Ohren hatte, eben so richtige Löffel.
Die zwei schwärmten für dieselben Hasenkinderspiele wie Nachlaufen und Verstecken und tobten den halben Tag miteinander herum. Sie zankten sich nie, sondern verstanden sich prima.
Patschi und Löffel wuchsen heran und gingen gemeinsam in die Hasenkinderschule. Sie waren unzertrennlich und liefen sogar in der Schule Pfote in Pfote. War ein fremder Hasenjunge böse zu Patschi, wischte Löffel dem eins, dass jenem das Hören und Sehen verging und er Haken schlagend Reißaus nahm. Ärgerte jemand ihren Löffel, brauste Patschi vor Wut auf und verteidigte ihren Freund.
In der Schule lernten die beiden, dass ein Hasenleben nicht nur ausgesprochen schön, sondern leider auch sehr gefährlich war. Vor großen Raubvögeln, dem Fuchs, den Hunden und vor allem den Jägern hieß es auf der Hut zu sein. Die Jäger waren die Menschen mit den Flinten. Bollerten die los, dann war größte Vorsicht angesagt. Viele der jungen, unerfahrenen Häschen wurden zur Beute und starben, bevor sie richtig gelebt hatten. Patschi und Löffel waren sehr fleißige Schulkinder, spitzten aufmerksam ihre langen Ohren und merkten sich jedes Wort.
Aber es gab genauso Schönes zu berichten: Lehrer 'Schnupper' erzählte viel Lustiges. Seine Schüler kicherten oft laut deswegen. Zudem verriet er ihnen, dass auf den benachbarten Äckern leckere Möhren und Salatköpfe wuchsen. Oft fanden die Hasen diese Köstlichkeiten sogar in den Gärten der Menschen, weil diese auch gerne Salat und Möhren aßen.
Hasen werden schnell erwachsen. Patschi war eine bildhübsche Hasenfrau und Löffel ein ebenso schöner Hasenmann geworden. Mittlerweile wagten sie lange Ausflüge, die sie weit weg von zu Hause führten. Eines Tages, sie stromerten gerade durch einen kleinen Wald, hörten sie in der Nähe ein Schnaufen.
"Was ist das?", bibberte Patschi.
"Keine Ahnung!", antwortete Löffel verunsichert.
Irgendwie witterten sie Gefahr und duckten sich platt ins hohe Gras.
Das Schnaufen wurde lauter und lauter. Löffel riskierte einen Blick nach oben und erstarrte. Ein paar Meter von ihm entfernt stand einer ihrer Todfeinde, ein Fuchs. Der war offensichtlich sehr hungrig, hatte sie anscheinend schon gerochen und wartete wohl nur noch auf den günstigsten Moment, sich jene leckere Mahlzeit zu holen. Er pirschte sich näher und näher heran.
"Löffel, ich hab' Angst. Ich will nicht gefressen werden!" Patschi drängte sich eng an Löffel.
"Patschi, pass auf: Rühr' dich nicht von der Stelle, ja?" "Was hast du vor?" Doch Löffel gab keine Antwort, sondern stellte sich auf seine vor Furcht wackelnden Beine.
'Der darf meine süße Patschi nicht kriegen. Den lenk ich ab!', dachte er.
Löffel verschwand. Er brachte sich nicht etwa in Sicherheit, sondern hoppelte direkt auf den Fuchs zu. Jener gemeine Kerl leckte sich bereits sein Maul und setzte zum Sprung an. Patschi in ihrem Versteck starb fast vor Furcht. Trotzdem schielte sie aus den Augenwinkeln hinter Löffel her.
"N... nein, nicht meinen L... Löffel!"
Löffel war ein kluger Hase, der in der Schule stets gut aufgepasst hatte. So wusste er, dass er viel wendiger war als dieser grobe Klotz da vor ihm.
"Du wirst dich umgucken!", murmelte er.
Dann rannte Löffel los. Er schlug einen Haken nach dem anderen. Der Fuchs raste mit heraus hängender Zunge immer hinterher, nach rechts, nach links, dann geradeaus und wieder zurück. Stets, wenn der Räuber unseren Löffel fast erreicht hatte, sprang dieser mit einem hohen Satz zur Seite. Der verwirrte, Fuchs stand für einen Moment lang wie angewurzelt da. Bestimmt ärgerte er sich schwarz, dass er den Hasen nicht erwischen konnte.
Schließlich, als Löffel ihm ein weiteres Mal vor der Schnauze herum getanzt und dann wie ein geölter Blitz verschwunden war, gab der vom Jagen erschöpfte Fuchs keuchend auf und schlich zurück in den Wald in seinen Bau, um dort geknickt seinen Mittagsschlaf zu halten.
Löffel aber war putzmunter und obendrein sehr stolz. Er hatte seiner Patschi und sich selber das Leben gerettet.
'Wie lieb ich sie habe!', dachte er.
Kurz darauf traf er wieder bei Patschi ein.
"Löffel, dir ist nichts passiert. Ich bin ja so glücklich!", begrüßte ihn das Hasenmädchen.
'Heute frag' ich sie!', nahm sich Löffel vor.
Aber, bevor er es täte, würde er noch ein schönes Geschenk besorgen.
"Duuh - bin gleich wieder da!", strahlte er sie an und war weg.
Patschis Herz klopfte. Sie ahnte, dass etwas Besonderes geschehen würde.
Ein paar Minuten später kam Löffel mit stolzgeschwellter Brust zu ihr zurück. Im Maul trug er eine dicke Möhre.
"Patschii?", fragte er leise.
"Jahaah?", kam es ebenso leise zurück.
"Du hast mich lieb, ja?"
Oh ja, da brauchte Patschi kein bisschen erst zu überlegen.
"Sogar ganz doll!"
Löffel legte die Möhre zu ihren Pfoten:
"Patschi, willst du meine Frau werden?" Statt einer Antwort erntete er ein stürmisches Nasenküsschen. Dann hoppelte unser Liebespärchen eilig nachhause, damit alle anderen Hasen es erfahren sollten, dass sie heiraten wollten.
In den nächsten Tagen bereitete die Hasenverwandtschaft alles für die Hochzeit vor. Auf einem Baumstumpf wurden Möhren und frische Salatblätter angeboten Eine Höhle in einem der umstehenden Bäume diente als Kirche. Die Hasenfrauen knüpften lange Girlanden aus bunten Blumen. Mit der verzierten sie den Eingang der Höhle. Auf einem Baumstumpf neben der Höhle wurden Leckereien wie eine tolle Möhrentorte und frische Salatblätter angeboten. Der freie Platz vor der Höhle diente als Tanzfläche. Ein Grillenorchester spielte liebliche Melodien.
Dann erschien das Brautpaar. Patschi trug ein Salatblatt-Rüschenkleid mit einer Möhrenscheibenbrosche und sah umwerfend aus. Löffel hatte einen leuchtend orangefarbenen Möhren-Smoking gewählt mit einem dazu passenden Stock-Zylinder, der mit einer Möhre geschmückt war. Auch er sah toll aus.
Anstatt sich Ringe über die Vorderpfoten zu streifen, gaben sie sich einen besonders innigen Nasenkuss. Jetzt waren sie verheiratet. Danach hopsten sie verliebt den Brautwalzer. Alle anderen Hasen freuten sich mit ihnen. Die Hasengesellschaft feierte bis zum Einbruch der Dunkelheit.
Als alle Gäste sich auf den Heimweg gemacht hatten, legten sich Patschi und Löffel erschöpft in ihr Hasenbett. Dicht aneinander geschmiegt, schlummerten sie selig ein.
Seitdem ist ein ganzes Jahr vergangen. Wieder einmal ist es Sommer und auf den Wiesen spielt der Hasennachwuchs. Ob wohl Patschis und Löffels Kinder dabei sind?
Fragt sie doch einmal!
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