Ein zarter Duft lag in der Luft und die ersten Blumen lugten bereits zaghaft aus der Erde. Ja es roch nach Wärme, Sonne und Licht. Es wurde Frühling
Herr und Frau Klopfer mit ihren drei Hasenkindern schauten gutgelaunt aus ihren Gruben mitten in den weiten Feldern. Es war Zeit rauszugehen.
Die kleinen Hasen hoppelten vorsichtig aus ihrem Unterschlupf und begannen sich dann fröhlich zu jagen.
Mutter Klopfer mahnte zur Vorsicht. "Passt auf dass ihr euch nicht gleich verletzt."
"Lass sie doch", meinte Papa Klopfer und strich sich mit den Pfoten über das linke Ohr. "Sie wollen ihr junges Leben genießen." Er schaute aber auch aufmerksam über das weite Feld, ob nicht ein Fuchs oder eine Katze unterwegs war.
"Komm Hops, wir spielen fangen", schrie Hoppel. Das kleine Hasenmädchen war völlig begeistert von ihrer neuen Freiheit. Im Bau war es eng geworden.
"Lass ihn, der träumt schon wieder", lachte Mümmel der Hasenbruder und jagte seine Schwester, die kichernd Haken schlagend davonrannte.
Der kleine Hops wollte nicht mehr Fangen spielen, er beobachtete vorsichtig einen bunten Schmetterling, der sich auf einem Narzissenkelch niedergelassen hatte.
"Wenn ich auch so fliegen könnte, ich würde ganz weit weg fliegen und mir die ganze Welt ansehen", träumte Hops und schon sah er sich im blauen Himmel dahingleiten wie eine Feder.
"Hops träum nicht! Wenn du draußen spielst, musst du immer dein Umfeld im Auge haben. Merk dir das", sagte der Papa, der plötzlich neben ihm saß.
"Ja, Papa, mache ich", sagte Hops schuldbewusst. Er war der Kleinste unter den drei Kindern und auch der Verträumteste. Mama und Papa mahnten ihn ständig nicht immer vor sich hinzudenken und unachtsam zu sein, die Gefahr war groß und Hops wusste das.
"Papa, du hast uns gestern eine Gute-Nacht-Geschichte über Ostern erzählt aber ich bin eingeschlafen."
"Ostern? Ach ja das waren noch Zeiten. Früher haben die Menschen noch an etwas geglaubt, sie hatten Liebe und Phantasie, der Osterhase und Nikolaus waren wichtige Botschafter für diese schönen Feste. Heute glaubt kein Mensch mehr an uns."
"Was hat der Osterhase denn gemacht?", fragte Hops neugierig.
"Wir sind losgezogen und haben Eier in den Gärten der Menschen versteckt und die Kinder haben sie gesucht und sich gefreut."
"Wie schön, das war sicher lustig. Die armen Kinder bekommen jetzt keine Eier mehr?"
"Die wissen doch gar nicht mehr wo die Eier herkommen", sagte Papa.
"Warst du auch ein Osterhase?", fragte Hops
"Nein, das war auch schon vor meiner Zeit, mein Großvater der alte Klopfer hat es erzählt." Papa schaute mit seinen großen braunen Augen auf einmal ganz traurig. "Wenn mich nicht alles täuscht ist es morgen wieder so weit, ich hab da so meinen Riecher. Das fühlt man im Herzen, Hops", flüsterte ihm der Papa zu.
"Kommt essen", rief die Mama und alle hoppelten schnell zu ihrem Bau zurück. Frisches Gemüse gab's heute, ausgegraben aus den Feldern.
Beim Essen dachte Hops immer an den Osterhasen. Das war ein schöner Name und seine Bedeutung klang wichtig. "Ich möchte auch ein Osterhase sein. Warum kann man nicht einfach wieder an etwas glauben? Wenn die Kinder mich sehen werden sie sicher wieder Liebe und Freude in sich fühlen." Hops war ganz aufgeregt bei dem Gedanken und nahm sich fest vor, den Papa später noch ein bisschen auszufragen.
Beim Abendkuscheln hockte sich Hops gleich zu dem Papa. "Du, Papa, ich möchte Osterhase werden, was muss ich machen?"
Mama Klopfer wurde gleich ganz aufgeregt. "Nein Hops dass ist zu gefährlich, die Menschen würden dich erschießen oder du wirst vorher schon überfahren oder vom Fuchs gefressen. Die Bauernhöfe hier in der Gegend haben Hunde und Katzen."
"Aber Mama", weinte Hops und sah zu Papa hin.
Der schüttelte leicht mit dem Kopf. "Die Mama hat recht, sei vernünftig, Hops, und jetzt geht alle ins Bett."
Als die Hasenkinder in ihrer engen Nische zusammenrückten, sagte Mümmel leise zu Hops: "Du immer mit deine Einfällen, du solltest lieber lernen wie man sich versteckt, wenn Gefahr droht."
Hops konnte nicht einschlafen. Er wollte Osterhase werden und gleich morgen würde er sich einen Plan überlegen.
"So schwer wird das nicht sein, ich habe viel Phantasie", freute sich der kleine Hase und dann fielen auch ihm die Augen zu.
Der nächste Tag war wunderschön. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel und Familie Klopfer wollte einen Ausflug zu einer saftigen Wiese unternehmen.
Hops wollte eigentlich nicht lügen, aber sein Entschluss stand beim Aufwachen fest.
"Könnt ihr nicht ohne mich gehen, mir ist schlecht, ich mag nichts essen." Hops schob seine Karotte weg, obwohl er Hunger hatte.
Mama Klopfer schaute ihm gleich besorgt in die Augen und fühlte ob seine Ohren heiß waren.
"Dann bleibe ich bei dir mein Kleiner", meinte die Mama.
"Nein, Mama, du musst mit", weinte Hoppel, "ich will nicht, dass du daheim bleibst." Das kleine Hasenmädchen hing noch sehr an der Mama.
"Bitte geht ohne mich, ich lege mich hin und schlafe fest und wenn ihr wieder zurück kommt bin ich ganz der Alte", bettelte Hops und legte sich gleich in seine Schlafecke.
Der Papa schaute ihn sehr intensiv an und Hops schämte sich für das Lügen aber es musste sein, diese Gelegenheit musste er nutzen.
Endlich nach großen Ermahnungen und vielen Nasenstupsern verließ die Familie den Bau und Hops blieb erleichtert zurück.
"So jetzt muss ich ganz fest überlegen, Papa sprach von Eiern, die kann ich in dem Bauernhof holen, der gleich in der Nähe ist, dann werde ich weitersehen", dachte Hops und seine kleine Nase zuckte ganz schnell.
Hops fraß noch schnell seine Karotte vom Frühstück und schaute vorsichtig aus dem Bau. Die Luft war rein und Hops hüpfte los Richtung Bauernhof.
Der große Bauernhof hatte einen Hühnerstall und Hops hatte die freilaufenden Hennen schon öfters aus der Ferne beobachtet. Papa hatte seinen Kindern schon mal erklärt, dass Hühner Eier legen.
Vorsichtig hüpfte Hops über den verwaisten Hof, alles war ruhig, kein Hund oder Katze zu sehen.
Der Hühnerstall stand offen und Hops lugte um die Ecke. Da saßen die Hennen auf einen Balken in einer Reihe und gackerten um die Wette. Ein weißes Huhn bemerkte den kleinen Hasen als Erste.
"Was willst du denn hier!", schimpfte sie und die anderen Hühner schauten ihn neugierig an.
"Ich heiße Hops und bin der Osterhase", erklärte Hops mutig. "Ich wollte euch fragen, ob ich ein paar Eier von euch haben kann, damit ich diese an die Kinder verteilen kann, damit sie wieder an mich glauben."
"Hihi, so was aber auch, schaut euch diesen Spinner an", gackerte ein braunes Huhn mit weißen Federn. "So was Verrücktes hab ich ja noch nie gehört, da lachen ja die Hühner!"
Die ganzen Hennen schrien jetzt laut und schüttelten sich vor Vergnügen.
Hops war enttäuscht über diese hysterischen Viecher und wollte schon einen Rückzieher machen, als plötzlich ein prächtiger Hahn um die Ecke bog und ihn anstarrte.
"Seid still", sagte er zu seinem Harem und die Hennen verstummten sofort.
"So so, du bist also der Osterhase. Dachte immer, es gibt euch nicht mehr. Egal, gebt ihm drei von den neugelegten Eiern, damit er seine Arbeit erledigen kann."
Der schöne bunte Hahn trat sehr bestimmt auf und das weiße Huhn zeigte mit dem Schnabel auf ein Heunest. Hops hüpfte hin und sah drei wunderschöne Eier liegen.
"Die nehme ich gleich mit", dachte Hops erfreut, aber als er sie mit seinen kleinen Pfoten packen wollte kullerten sie gleich zurück in ihre Mulde.
"Die kann ich nicht tragen", jammerte Hops "wie soll ich die denn zu den Kindern bringen?"
"Ein Osterhase muss dass eigentlich wissen", belehrte ihn der Hahn, der schon langsam ungeduldig wurde. "Nimm das kleine Bastkörbchen, hier in der Ecke, damit holt die Bäuerin unsere Eier."
Hops hüpfte zu dem Körbchen und schlug seine scharfen Vorderzähne in das weiche Material. Eine Henne half ihm, die Eier in das Körbchen zu schieben, die anderen sahen schweigend zu.
"Ich danke euch von ganzen Herzen, ihr seid wirklich sehr nett und hilfsbereit zu mir, ich bin ein Anfänger und mache das zum ersten Mal", erklärte Hops verlegen.
"War anzunehmen", krähte der Hahn. "Jetzt mach dich auf den Weg, du hast dir ja viel vorgenommen, viel Glück"
Hops nickte und bedankte sich noch einmal. Er hüpfte mit dem Korb im Maul aus dem Hühnerstall und machte sich vorsichtig auf den Weg. Sein nächstes Ziel war die kleine Siedlung hinter dem Acker.
"Da werden hoffentlich Kinder wohnen."
Hops schwitzte schon nach ein paar Metern. "Was bin ich doch dumm, so einfach kann man kein Osterhase werden, die hatten sicher einen richtigen Beutel oder Korb auf dem Rücken und sie wussten genau, was sie machen mussten. Ich weiß gar nichts."
Hops kam der Weg immer länger vor und er musste auf halbem Weg eine Pause machen. Der Korb wurde immer schwerer und seine Zähne taten ihm schon weh.
"Ich muss es schaffen!", dachte Hops und setzte sich kurz ins weiche Gras. "Ich habe meine Eltern angelogen und eigentlich die Eier und den Korb gestohlen, ich bin ja ein feiner Osterhase!"
Hops nahm den Korb wieder vorsichtig auf und hüpfte weiter. Als er das erste Haus erreichte, war er so erschöpft, dass er schon zitterte. Auf der gepflasterten Terrasse brach Hops fast zusammen, der Korb fiel im aus dem Maul und fast wären die Eier auch noch rausgekullert.
Jetzt weinte Hops herzzerreißend. "Mama", schluchzte er vor sich hin.
Plötzlich ging die Terrassentüre auf und ein Mann und eine Frau kamen heraus.
"Sieh dir das an, ein Häschen", sagte die Frau völlig verdutzt.
Ihr Mann schaute überrascht unseren Hops und den Bastkorb mit den Eiern an. Hops sah aus als würde er jeden Moment in Ohnmacht fallen vor Angst.
"Mama, Papa, wo seid ihr!", schrie eine helle Kinderstimme aus dem Haus und schon stand ein kleiner blonder Junge auf der Terrasse.
"Der Osterhase!", schrie er begeistert und rannte auch schon auf unseren Hops zu.
Der erwachte aus seiner Schreckstarre und schlug einen Haken und hoppelte so schnell er konnte über die Wiese Richtung Bauernhof, fetzte über den weiten Acker und rannte Richtung Heimat.
Dabei hörte er immer wieder, was der kleine Junge gesagt hatte. "Der Osterhase, das ist der Osterhase."
Als er endlich völlig erschöpft und ausgelaugt zu seinem Bau kam, verkroch er sich sofort in seine Ecke und verschnaufte. Jetzt ging es ihm wirklich schlecht und er wollte nur seine Ruhe haben. Hops fielen die Augen zu.
Er schlief so tief, dass er erst wieder erwachte, als seine Familie von ihrem Ausflug zurück kam.
"Hops, mein Kleiner, wie geht es dir denn?", fragte die Mama ganz besorgt.
Seine Familie stand um ihn rum, die Geschwister ganz verschwitzt vom vielen Spielen.
Da brach es aus Hops heraus, er erzählte seiner überraschten Familie alles, sein Vorhaben, seine Lügerein, sein Abenteuer im Hühnerstall und das Erlebnis auf der Terrasse und wie der kleine Junge ihn genannt hatte. "Er sagte, ich bin der Osterhase", endete Hops seine Geschichte.
Der Papa sah seinem Jungen tief in die Augen.
"Hops, es war nicht richtig uns anzulügen und dass du dich in Gefahr begeben hast. Ich muss aber auch sagen, dass du wirklich ein tapferer kleiner Kerl bist und wir sehr stolz sind, was du gewagt hast. Du hast an etwas geglaubt und dem Kind wieder Phantasie und Freude geschenkt. Das ist genau die Aufgabe eines Osterhasen. Ich bin sehr stolz auf dich." Der Papa richtete sich auf "Hops hat uns gezeigt, dass wir eine Aufgabe haben, wir werden den Osterhasen wieder aufleben lassen, wir werden losziehen und Hoffnung, Freude und Spaß zu den Menschen bringen, damit sie sich wieder auf das Fest freuen. Nächstes Ostern werden wir losziehen und in der Zwischenzeit werden wir uns gut vorbereiten, damit es uns etwas leichter fällt als dir Hops. Seid ihr damit einverstanden?"
Ein Jubel ging durch den Hasenbau und die Kinder hüpften fröhlich um ihre Eltern rum.
"Hops, du bist unser Osterhase", schrie der kleine Mümmel und alle lachten und strahlten.
Hops sprang vor Freude hoch in die Luft.
"Es lebe der Osterhase, hurra!"
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