Ostergeschichten

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Birge Laudi
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Amazing grace und die Eiergranaten

© Birge Laudi

Es ist die Geschichte, wie Oma Mathilde zum Flötenspielen kam, wie Ostern vor der Türe stand und sie einen riesigen Schrecken erlitt, während ihr Enkel sie kräftig auslachte.

*

Mathilde war eine unübliche Oma. Das drückte sich darin aus, dass sie ihre bereits recht formlos gewordene Figur in knappe Jeans presste, ihre grauen Haare selbst mit der Schneiderschere zurechtstutzte und dass sie sich allabendlich einen guten Schluck irischen Whiskys gönnte. Weder war sie eine gute Hausfrau, noch verfügte sie über besondere künstlerische Fähigkeiten. Sie war nichts weiter als eine eigenwillige alte Frau, deren Intelligenz vielleicht da lag, wo man noch zu Zeiten ihrer Berufstätigkeit von einem Fachidioten sprechen konnte.

Doch das spielte jetzt keine Rolle mehr. Sie war Rentnerin und besann sich ihrer seit Jahren gehüteten Wünsche. Eine ihrer Sehnsüchte reichte zurück bis in die Kindheit. Bei den sonntäglichen Hausmusikstunden der Familie war sie dazu verdonnert worden, die von ihr ungeliebte Geige zu spielen. Sie spielte schlecht und sowohl ihre Familie als auch sie selbst litten unter ihrer mangelnden Virtuosität. Wie viel lieber hätte sie Querflöte erlernt. Doch diese blieb dem Vater vorbehalten.

Mathilde hatte den Traum, Querflöte zu spielen, nie aufgegeben. Als Belohnung für das hinter sich gebrachte Arbeitsleben ging sie in den ersten Rententagen in ein Musikgeschäft und kaufte sich eine wundervolle Querflöte. Eine Yamaha mit Vollsilberkopf. Zwar schon etwas knapp bei Atem, begann sie dennoch eifrig zu üben und schaffte es bald bis zu kleinen Liedchen.

Das Schicksal meinte es gut mit Mathilde. Sie fand für ihr Spiel einen Partner in ihrem Enkel Peter Jonathan. Wenn es seine vielfältigen Freizeitaktivitäten zuließen, begleitete er ab und an die flötende Oma mit Gitarrespiel und Gesang.

Als Ostern vor der Türe stand, fühlte sich Oma Mathilde nicht nur zu Basteleien aller Art veranlasst, sondern auch dazu gedrängt, mit den vom Frühling trunkenen Amseln um die Wette zu tirilieren. Und sie brauchte wie immer Ansporn und Hilfe von ihrem Enkelsohn.

So bauten sie wieder einmal im Wohnzimmer neben der großen Bodenvase voller Palmkätzchen und bunt bemalter Eier die Notenständer auf und machten gemeinsam Musik. Beide waren sie auf ihre Weise fromm und wählten aus einer Mappe mit modernen Kirchenliedern eines ums andere aus. Oma und Enkel standen im langsam verglühenden Sonnenlicht und spielten mit Hingabe. Frömmigkeit und Friede breiteten sich um die beiden Musikanten aus.

Peter Jonathan hatte bei so manchem Lied seine liebe Not mit der Oma. Der ungewohnte Rhythmus. Falsche Einsätze. Doch er hatte viel Geduld mit ihr und Mathilde machte es Spaß, sich dem Diktat des Enkels zu unterwerfen. Ganz der Musik hingegeben, spielten sie nun 'Amazing grace' in die Abenddämmerung des Gründonnerstags hinein. Oma Mathilde vergaß alles um sich herum. Sie hatte mit Bravour eine Stelle gemeistert, an der sie bisher jedes Mal den Einsatz verpatzt hatte. Einen Einsatz, der ihr immer wie ein Schluckauf erschienen war. Nun spielte sie mit Herzblut und fehlerfrei 'Amazing grace'. Die Töne schwebten durch den Raum und ihre Seele mit ihnen. Fast möchte man sagen: Und der Friede des Herrn umgab sie.

Plötzlich ein ohrenbetäubender Knall. Er kam irgendwo aus der Tiefe des Hauses und zerbrach die weihevolle Stimmung. Aus ihrem Spiel gerissen, lauschten Mathilde und Peter Jonathan. Alles blieb still und so überließen sie sich erneut hingebungsvoll der Zwiesprache von Flöte und Gesang, ohne nach der Ursache der Detonation zu forschen. Wie der ruhige Atem eines abendlichen Meeres trieben die Wellen der an- und abschwellenden Kadenzen ans Gestade des Himmels.

Doch da, eine zweite Explosion. Sie kam eindeutig aus der Küche. Oma Mathilde wurde blass. Sie starrte ihren Enkel aus angstgeweiteten Pupillen an. Peter Jonathan lachte herzlich.

"Omi, jetzt hast du wieder deinen Luftschutzkellerblick!"

Mathilde stimmte zögernd in sein unbekümmertes Lachen ein und schämte sich ein kleines bisschen. Sie wusste, dass sie noch immer gefangen war in ihren dramatischen Kriegserinnerungen. Dass in ihrer Küche zurzeit sicher kein Krieg stattfand, das war ihr schon klar. In ihren Ohren aber, da hatte es eindeutig wie die Explosion einer Granate geklungen.

Wieder war alles still und Oma Mathilde entspannte sich. Dann unvermittelt ein dritter und ein vierter scharfer Knall. Gefolgt von Splittern, Klirren und Klappern. Jetzt reichte es ihr. Also doch! In der Küche fand ohne Frage ein Krieg statt!

Der Mut gewann die Oberhand und eine streitbare Oma Mathilde rannte los. Ein wütender Terrier. Die grauen Borsten ihrer Albert-Einstein-Frisur gesträubt. Kampfeslustig schwang sie die silberglänzende Flöte wie eine Machete in ihrer Rechten. War gewappnet gegen jedweden Überfall. Beherzt riss sie die Küchentüre auf. Da schlugen ihr Rauch und Gestank entgegen. Auf dem Herd stand ein verbeulter, schwarz verfärbter Topf. Der Topfdeckel, ein zerbrochenes Glas, ein Kochlöffel lagen auf dem Küchenboden und all überall klebten gelbe und braune und weiße Bröckel.

"O Gott, die Eier!"

Mathilde hatte alles vorbereitet, um die Ostereier zu färben, sobald sie gekocht waren. Und nun hatte sie die kochenden Eier auf dem Herd vergessen. Vergessen über ihrem selbstvergessenen Spiel mit ihrer Yamaha mit Vollsilberkopf. Vergessen über dem Gesang ihres Enkels und über beseelter Frömmigkeit. Und die Eier kochten und kochten und als schließlich das Wasser verdampft war, Eier und Topf trocken gebraten wurden und aus dem Wohnzimmer 'Amazing grace' mit dem exakten Flöteneinsatz ertönte, da explodierten die Eier. Die Wucht ihrer Explosion hatte alles mitgerissen was den Eiergeschossen in die Quere kam.

Nun klebten die Eierreste verbrannt und stinkend an den Möbeln, am Lampenschirm auf dem Fußboden. Einfach überall.

Entsetzt starrte Mathilde auf diese unösterliche Bescherung. Peter Jonathan aber stand in der Türe und krümmte sich vor Lachen. Er schlug ein paar Akkorde auf der Gitarre an und sang auf die Melodie von 'Amazing grace': "Und die Moral von der Geschicht - beim Flöten kocht man Eier nicht!"

Auch nicht zu Ostern.

So endete der Abend, der so friedvoll begonnen hatte, in einer Kakophonie von Wasserrauschen, Putzeimergeklapper und kräftigen Flüchen. Peter Jonathan aber griff zur Whiskyflasche und schenkte der Oma einen kräftigen Schluck ein.

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