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Hallo, ich bin Josefine und ich möchte Euch meine Geschichte erzählen. Ich bin klein, habe braune Augen, braunes Haar, große Ohren und ein niedliches Stummelschwänzchen. Meine Geschwister und ich wurden im Stall eines Kaninchenzüchters geboren. Wir sollten alle einmal stolze Zuchtkaninchen werden, wie schon unsere Eltern. Als ich ganz klein war, freute ich mich immer, wenn die Menschen an unseren Käfig kamen und sagten: "Schau nur wie niedlich. Aus der da wird einmal etwas ganz Großes". Als meine Geschwister und ich älter wurden, bemerkte ich plötzlich, dass die Menschen meine Geschwister immer noch bewunderten, vor mir jedoch kopfschüttelnd stehen blieben. Ich wurde sehr traurig und fragte meine Mama, ob denn mit mir etwas nicht in Ordnung sei. Sie sagte zu mir: "Weißt Du Josefine, wir sind Widderkaninchen und das Markenzeichen eines Zuchtwidders sind seine herunterhängenden Schlappohren. Zunächst werden alle kleinen Widder mit Stehohren geboren, aber wenn sie dann älter werden wachsen die Ohren und klappen nach unten. Bei Dir zeigt aber nur ein Ohr nach unten. Das andere steht kerzengerade in die Luft".
Das war es also: es lag an meinen Ohren. Da ich das nun wusste, konnte ich ja auch etwas dagegen tun. Ich fing an mein Stehohr immer mit der Pfote nach unten zu drücken und festzuhalten. Da ich dann aber nur noch drei Pfoten zum Hoppeln frei hatte, war ich bei allem die Letzte: beim Futter, beim Wasser und auch beim Kuscheln und Sauberlecken durch Mama. Da ich so meistens hungrig und ungeputzt dreibeinig durch den Käfig hoppelte, fingen meine Geschwister an mich auszulachen. Sie nannten mich "Josefine Knickeohr".
Alle Versuche, mein Ohr zum Herabhängen zu bewegen, waren vergebens und so kam eines Tages der Züchter und meinte: "Mit dem Ohr wird das ja doch nichts mehr. Aus der kleinen wird nie ein Zuchtwidder". Und dann packte er mich in einen großen dunklen Kasten.
Oh, wie habe ich mich gefürchtet. Mein kleines Hasenherz fing an zu klopfen und ich zitterte am ganzen Körper. Ich tat was jeder ängstliche Hase in dieser Situation tun würde und stellte mich tot. Als ich mich endlich wieder zu bewegen wagte, saß ich in einem hellen Glaskäfig mit Sägemehl und frischem Stroh. Oh je, ich war in einem dieser Zooläden gelandet, von denen mir meine Eltern schon erzählt hatten. Die Frau, die mir das Futter brachte schien ganz nett zu sein, aber es gab niemanden zum Kuscheln, an dessen Ohren man knabbern konnte. Ich wollte so schnell wie möglich wieder weg. Aber wenn mich die anderen Menschen mit meinem Stehohr nicht haben wollten, wie sollte ich dann hier jemanden finden? Wiederum wurde mir ganz schwer ums Herz.
Doch noch am gleichen Tag kam eine Frau in das Geschäft, die meinte, sie suche eine Freundin für ihren Hasen Felix. Da ich mich wegen meines Stehohres schämte und nicht schon wieder ausgelacht werden wollte, versteckte ich mich wie der Blitz in meinem Häuschen. Ich hörte, wie die Verkäuferin sagte: "Die da ist heute erst gekommen. Der Züchter wollte sie nicht, weil sie ein Stehohr hat".
Was dann passierte kann ich noch gar nicht glauben. Plötzlich packte mich die Frau und ich saß wieder in einer dunklen Kiste. Es dauerte nicht lange und die Kiste wurde wieder geöffnet. Das erste was ich sah, als ich mich traute die Augen wieder aufzumachen, waren zwei riesige weiße Ohren. Dann sah ich das Hasenschnäuzchen und das Stummelschwänzchen und wusste, dass ich nicht mehr alleine bin.
Jetzt lebe ich in einem richtigen Menschenhaus, habe einen trockenen Käfig für die Nacht und eine Außenauslauf für den Tag. Bei Regen bringt man mir eine Regenabdeckung und wenn es heiß ist einen Sonnenschirm. Löwenzahn bekomme ich, soweit ich ihn nicht selbst pflücken möchte, gebracht. Genauso wie Möhren und andere Leckereien.
Und einen Kuschelfreund, der mir die Ohren krault habe ich auch gefunden. Felix, das weiße Kaninchen, ist mein bester Kumpel. Ihm ist es ganz egal, ob meine Ohren stehen oder nicht. Er mag mich so wie ich bin, genau wie meine Menschen. Und so sollte es doch auch sein, oder?