Weihnachtsgeschichten Weihnachten Kurzgeschichte Advent Weihnachtsmann weihnachtliche Geschichten
In Bethlehem geboren
© Elisabeth Graf
Heiligabend. Wie jedes Jahr, solange ich zurückdenken kann, feiern wir ihn im engsten Familienkreis - im Wohnzimmer unter einem großen, reich geschmückten Weihnachtsbaum.
Die elektrischen Kerzen des Baumes erhellen sanft den ansonsten dunklen Raum und sorgen für die richtige Stimmung.
Meine Mutter und meine Schwester begleiten die Weihnachtslieder aus dem CD-Player mit der Blockflöte und mein Bruder, mit seinen zwanzig Jahren manchmal noch immer ein großes Kind, packt ein Computerspiel nach dem anderen aus.
Mein Vater sitzt still auf dem Sofa und streichelt den Hund, welcher zufrieden schnarchend neben ihm liegt und Weihnachten Weihnachten sein lässt.
Es herrscht eine friedliche und feierliche Stimmung, dem Fest der Liebe angemessen.
Ruhe und tiefe Zufriedenheit erfüllen mich, während ich vor dem Baum auf dem Boden knie, das Spiel der Lichter auf den roten, goldenen und silbernen Christbaumkugeln betrachte und in die strahlenden Gesichter von Maria, Josef und den Hirten in der alten Holzkrippe schaue. Obwohl Religion seit meiner Kindheit keine große Rolle mehr in meinem Leben spielt, liebe ich Weihnachten nach wie vor. An Heiligabend gehe ich sogar gerne in die Kirche, was ich ansonsten für Zeitverschwendung halte.
Irgendetwas hat dieses Fest an sich, das jeden - egal ob frommer Christ oder überzeugter Atheist - ehrfürchtig in seinem Alltagstrott innehalten lässt und den Geist für Augenblicke Höherem öffnet: Einer Macht, die man fühlen, aber weder greifen noch beschreiben noch einordnen kann. Es sei denn, man ist gläubig. Dann nennt man sie wohl Gott ...
Das Schellen der Türglocke reißt mich aus meiner Versunkenheit.
Der eben noch tief und fest schlafende Hund springt wie von der Tarantel gestochen auf und rast wild bellend zur geschlossenen Wohnzimmertür. Mit einem scharfen "Pscht!" bringe ich ihn zum Schweigen.
Meine Mutter lässt die Flöte sinken. "Wer kommt denn jetzt?", wundert sie sich. "Um halb Zehn am Heiligen Abend?"
"Ich gehe nachsehen", biete ich mich widerwillig an und verlasse mit einem Seufzer das heimelige Wohnzimmer.
Draußen schneit es heftig und als ich die Haustür öffne, fegt mir ein eisiger Windstoß entgegen. Er lässt mich bis ins Mark erschaudern. Mein Atem bildet kleine Wölkchen vor meinem Gesicht.
Niemand ist zu sehen. Aber im Licht der Straßenlaterne erkenne ich Fußspuren, die von der Straße her über unseren Hof zur Haustür und wieder zurückführen. Sie sind schon beinahe wieder zugeschneit, obwohl sie kaum älter als zwei Minuten sein können.
Eben möchte ich voller Ärger über den billigen Scherz ins Haus zurückkehren, da fällt mein Blick auf ein in buntes Geschenkpapier gewickeltes Päckchen. Es steht auf der Vortreppe im Schnee - direkt zu meinen Füßen. Hätte ich auch nur einen Schritt nach vorne gemacht, wäre ich darüber gestolpert.
Mit von der Kälte klammen Fingern hebe ich das Päckchen auf, drehe es und wende es. Doch es gibt weder einen Absender noch eine Anschrift.
"Wer war es?", will mein Vater wissen, als ich mit nachdenklichem Gesicht ins Wohnzimmer zurückkehre.
Ich zucke mit den Schultern. "Keine Ahnung! Aber er hat das hier gebracht." Und ich halte das Geschenk hoch.
Sie wollen wissen, wie es weitergeht?
|
|
|
Eingereicht am 14. April 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.
Home Page
|
Weihnachtsgeschichten
|
Kurzgeschichten Überblick
|
Seitenanfang