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Weihnachten - wie es wirklich ist

© Manuel Hoffmann


Es war einmal ganz weit entfernt von hier. Das Gebiet liegt im tiefen Norden, der Frost ist arg und das Wetter eisig. Genau, es ist der Nordpol mit seinen gigantischen Eisschollen am Rande seiner selbst. Eine Wüste aus Eis folgt kilometerlang, doch nutzt man den richtigen Pfad durch dieses undurchsichtige Schneetreiben, dann gelangt man in eine Gebirgskette hinein die tief in ihrem Inneren ein kleines Nest erblicken lässt. Sichtbar wird es erst wenn man den kleinen Pass an der Westseite begangen, die arktischen Eiswinde getrotzt und den Weihnachtsberg überquert hat. Von diesem Berg hat man eine einmalige Aussicht auf das schlafende, ruhige Dorf der Weihnacht. Geht man nun in das Tal hinunter, so wird es langsam gemütlich. Nicht nur die Winde flauen ab, sondern auch die Kälte lässt aus scheinbar unerklärbarem Grund nach.
Im Gleitflug geht es den Hang an den Bäumen und Sträuchern vorbei, doch ich vergas, wie unhöflich, mich vorzustellen. Mein Name ist Hase, doch glaubt mir, ich weiß von mehr als ihr euch vorstellen könnt. Als Osterhase bin ich gerne gesehen und Ruhm stet mir nur zu jener Zeit zu. Verschwiegen wird die Arbeit die ich den Rest der Zeit zu tun Gedenke und machen muss, da sonst wohl Weihnachten eher trüb aussähe. Ich habe mir den Schlitten vom Weihnachtsmann geliehen. Er hat sicher nichts dagegen und wenn schon, dafür mach ich auch genauso wichtige Arbeit. Ich musste bei der ZPS, der Zentralen Post-Sammelstelle, alle Wunschlisten abholen. Heute ist Deutschland dran gewesen. Noch immer bekommen wir diese verdammten Listen nicht geliefert. Service-Wüste Deutschland kann man dazu nur sagen. Jedes Jahr aufs Neue sammeln sich stapelweise Wünsche. Die Fracht lagert zurzeit hinten auf dem Schlitten. Doch man könnte sich jetzt fragen, warum keiner weiß, dass ich diese Aufgabe erledige. Ganz einfach: Immer wenn ich die Listen abhole ist es nachts und alles schlummert friedlich in ihren Hochbetten, Doppelbetten, Singlebetten, Kinderbetten und anderen Schlafgelegenheiten. Nur einer ist des Nachts noch wach. Mein Kontaktmann in Frankfurt. Er ist sehr seriös, kein Verräter und aus eigenen Reihen. Doch warum Frankfurt und nicht Berlin, Bremen oder Forst? Oder was? Doch genau das ist der Punkt. Frankfurt ist zentral, hat einen der größten Flughäfen und eine für den Fernverkehr gerade zu optimale Infrastruktur. Ich war zwar der Meinung wir sollten Berlin wählen, da die Stadt sehr im Kommen ist, aber auf mich wird nicht gehört. Der Weihnachtsmann hat nun einmal das Sagen und es war seine Entscheidung.
So ein Mist, das Licht im Haus des Weihnachtsmanns ist gerade angegangen. Wenn er sieht das ich seinen Schlitten fahre, dann gibt es ärger. "Los Rudolph, schneller!" "Was ist denn hier los? Was macht mein Schlitten in der Luft?", ruft der Weihnachtsmann aus seinem Fenster. Schnell genug schaffe ich es, zwar schon entdeckt, wenigstens den Schlitten hinter seinem Haus zu parken und in die Büsche das Weite zu suchen. "Dieser verfluchte Osterhase, er kann es einfach nicht lassen.", grummelte der Weihnachtsmann als er hinter seinem Haus scheren Schrittes angelangt ist. Noch leicht schlaftrunken wankt er langsam zum Nachbarhaus und klingelt. Eine ihm doch sehr ähnliche Gestalt erscheint. Mit weißem Rauschebart und roter Bekleidung, nur etwas kleiner, doch auch dünner dazu. "Wecke die Stadt, die Lieferung ist da.", befiehlt der Weihnachtsmann und geht zurück in seine Wohnung. Der Nikolaus schließt seine Tür, doch kurze Zeit später erscheint er mit seiner roten Mütze auf dem Kopf und einer Glocke in der Hand. Er stellt sich auf ein Steinplateau ganz in der Nähe im Zentrum des Dorfes:" In Nomini Domini, der Mörder schläft ein, alles schläft, die Stadt erwacht und der Osterhase ist tot." Seinen Text hat er mit Glockengebimmel begleitet. Ich fasse es nicht. Schon wieder muss ich sterben. So ein blödes Spiel. Ich stürme natürlich gleich aus meinem Versteck zum Plateau, wo so langsam das Dorf, in aller Früh und leicht verschlafen, herantritt. "Immer bin ich als erster tot. Was habe ich euch getan?", doch die Geister um mich herum kicherten nur. Die Trolle, Kobolde und Elfen lachten mich aus und die Hexen lachten in einem geradezu hinterlistigen Ton. Einzig die Vampire grinsten nur. In diesem Moment kommt der Weihnachtsmann wieder aus seiner Tür und ruft: " Schluss jetzt, wir haben eine Menge Arbeit vor uns, damit es wieder ein fröhliches und friedliches Fest gibt!" Schweigen tritt ein und alle gehen zum Schlitten, um die Listen zu besorgen und sich in ihren Hütten an die Arbeit zu machen.
Wie ich bereits erwähnte, ist das Weihnachtsgeschäft im Normalfall nicht mein Metier, doch der Normalfall ist seit ständig wachsender Population der Weltbevölkerung nicht existent. Wie mich gibt es auch viele Andere Hilfsarbeiter, die die ganze Zeit für Weihnachten zusätzlich schuften müssen, da die Arbeit sonst nicht mehr nur durch die Weihnachtskobolde und den Weihnachtsmann zu schaffen wäre. Diese Arbeit ist verpflichtend, denn jeder Bewohner des Weihnachtsdorfes hat einen Vertrag der gegenseitigen Hilfe unterschrieben. Die Hexen sind ab dem 20.12. im Dauerstress, so wie der Rest und sie zaubern konstant die auf den Listen beschriebenen Geschenke in ihren kleinen Hexenstübchen. Auch die Vampire und die anderen Weihnachtsdorf-Bewohner schuften in ihren Dunkelkammern oder unterirdischen Höhlengebieten. Selbst bei so vielen zusätzlichen Helfern ist leider nicht alles zu schaffen. Jede Liste, die nach dem 20.12. bei unseren Postmännern ankommt, kann durch die fehlende Zeit leider nicht mehr angefertigt werden. So kommt es dann, dass Mutti oder Papi den Kindern Sachen sagen wie "Man kann doch nicht alles haben" oder "Es gibt auch noch Ostern und deinen Geburtstag". Ganz zu schweigen von der Dunkelziffer verlorener Listen, die gerüchteweise immer wieder aufflammt. Es ist eine stressige Zeit und ich muss jetzt auch das Geschenk für den kleinen Johann einpacken. Es wartet schon im Höhlenbereich 7G auf mich. Doch um es nicht so zu Enden lassen, will ich dennoch gesagt haben: Es macht auch Spaß, zumindest, das Gefühl der Briefe, die der Weihnachtsmann bekommt zu lesen und zu wissen, dass anstatt der Weihnachtsmann, der "nur" der Überbringer großer Augen ist, auch "Lieber Osterhase" im Briefanfang stehen könnte.



Eingereicht am 15. April 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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