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Der klitzekleine Weihnachtsbaum
© Petra Kramp
Vor drei Jahren hatte ich es Oma gekauft: ein klitzekleines, künstliches Tannenbäumchen, das niemals abgeschmückt, geschweige denn im Biomüll entsorgt werden musste
Es stand bei ihr auf einem kleinen runden Tischchen, das mit einer bodenlangen Weihnachtstischdecke bedeckt war, direkt neben ihrem so gemütlich-kuscheligen und bequemen Fernsehsessel.
Natürlich gab es in ihrem hellen und freundlichen Zimmer im Altenheim noch weitere weihnachtliche Accessoires, aber dieser kleine Weihnachtsbaum, obschon doch so winzig, der fiel einfach auf. Der Blick beim Eintritt in Omas Zimmer wurde automatisch zu ihm hingelenkt, da konnte man gar nichts gegen unternehmen. Selbst bei mir, dem abgrundtiefsten Hasser künstlichen Tannenwerks.
Doch das vierte Weihnachtsfest hat das Bäumchen in diesem Zimmer leider nicht mehr erlebt, weil auch seine ursprüngliche Besitzerin dies nicht mehr erleben konnte…
So nahm ich dieses kleine beleuchtete Bäumchen mit vielen weiteren viel bedeutungsschwereren und erinnerungsbeladeneren Andenken mit zu mir nach Hause und stellte es zunächst einmal im Keller ab: Ich war noch nicht fähig, Omas persönliche Gegenstände durchzusehen. Doch dieses kleine Bäumchen fiel mir in dieser Vorweihnachtszeit zufällig in die Hände. Und beim Anblick dieses klitzekleinen Tannenbäumchens überfiel mich eine unglaubliche und heftige Traurigkeit.
Bis mir eine Idee kam:
Das Bäumchen steht jetzt auf dem Nachtskonsölchen meines fünfjährigen Sohnes, der stolz wie Oskar ist, Besitzer eines eigenen, wenn auch klitzekleinen, Weihnachtsbaumes zu sein. Darüber hinaus ist es nicht irgendein klitzekleines Weihnachtsbäumchen, sondern Uroma Marias Bäumchen, ein Christbaum, den diese Uroma, wüsste sie es zu Lebzeiten, in jedem Fall ihrem einzigen Urenkelchen vermacht hätte.
Neulich kam ich unbemerkt in Tobias' Zimmer, da hatte der kleine Kerl seine Hände gefaltet, schaute auf das beleuchtete Bäumchen und dann zur Decke und sagte leise, aber gut vernehmlich: "Danke, Oma Maria!"
Natürlich überfällt mich auch beim Betreten von Tobias' Zimmer für einen Moment wieder diese Wehmut, diese Traurigkeit, aber nicht mehr mit dieser anfänglichen Heftigkeit, denn jetzt weiß ich: Nun hat wenigstens das klitzekleine Tannenbäumchen seine weitere Bestimmung gefunden...
Eingereicht am 14. April 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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