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Das Weihnachtsglöckchen

© Enrico Andreas Brodbeck


Wenn wir den Kindern die Weihnachtsgeschichte erzählen, um Maria, Josef und dem Jesuskind bedenken die wenigsten, dass noch eine zweite Geschichte existiert, die aber nie Beachtung gefunden hat. Sie handelt von einem kleinen Engelchen mit dem Namen Gabor. In der Schar der Engelchen, war er wirklich ein kleines Engelchen, das noch in die Schule für werdende Engel geht. Ein richtiger Lausebengel dem es überhaupt nicht gefiel, dass er keine großen Flügel hatte, so wie sie die erwachsenen Engel trugen.
"Was soll ich denn mit Stummelflügel anfangen" sagte er griesgrämig zu seinem Freund dem Julius, "damit kann man überhaupt nicht schnell fliegen."
"Aber wir sind doch noch kleine Engelchen ohne Erfahrung", antwortete Julius, um seinen besten Freund zu beruhigen.
"Pah", sagte Gabor, "die großen Engel dürfen alles tun, was ich gerne tun möchte. Sie blasen die gewaltigen Posaunen und ich blase in diese alberne Tute. Sie streichen edel die Harfe und ich zupfe an ein paar Bindfäden, um ein Gefühl für die Seiten zu bekommen. Sie frohlocken das ehrwürdige "Hosianna in der Höhe" und ich rufe immer nur Halleluja, Halleluja. Und dann die Ausflüge! Letzte Woche habe ich mitbekommen wie einer der ganz großen Engel den Auftrag erhalten hatte einer Frau zu erscheinen, um ihr eine frohe Botschaft zu überbringen. Und was dürfen wir? Nicht einmal bis zur Himmelspforte dürfen wir fliegen, weil dort die ganzen Loser hochkommen und uns nicht sehen dürfen!
Julius stand gespannt neben Gabor und bekam vor Staunen seinen Mund nicht mehr zu.
"Bis du sicher das wir irgendwann richtige Engel werden, wenn wir so neidisch über die anderen Engel reden?"
Gabor verschränkte seine Arme auf den Rücken und schaute verlegen zum Himmelgewölbe.
"Wahrscheinlich nicht, aber das ist mir egal. Ich will das die Menschen mich jetzt kennen und nicht erst in zigtausend Jahren!"
Julius setzte seine Stummelflügelchen in Bewegung, machte einen Purzelbaum in der Luft und schwebte kopfüber vor Gabors Gesicht.
"Weißt du Gabor, alle kleinen Kinder und Lebewesen müssen erst einmal etwas lernen und ihre Fähigkeiten trainieren, um sich in ihrer Umgebung zurecht zu finden. Die die großen Engel mussten das auch, als sie noch kleine Engelchen waren!"
Julius glaubte, mit seinen Worten das Gemüt von Gabor ein wenig zu beruhigen. Gabor jedoch stampfte mit seinen Füßchen auf die Wolke auf der sie standen und bekam einen purpurrotes Gesicht. Er war richtig sauer.
"Und, und", stammelte er aufgeregt, "und was ist mit dem Bengel den sie gerade fertig machen um ihn auf die Erde zu schicken?"
Erschrocken bekreuzigte sich Julius mehrmals und nahm seinen Rosenkranz aus seinem Engelsgewand.
"Ho Gott, oh Gott, meinst du etwa den Sohn vom Boss, äh ich meine vom Herrgott?"
"Natürlich meine ich den Bubi", sagte Gabor etwas barsch und drehte sich einmal um die eigene Achse.
"Stell dir das einmal vor, der ist noch nicht auf der Erde angekommen, da kennt ihn schon die ganze Welt. Und wer kennt uns? Hast du jemals ein Gebet gehört in dem ein Mensch dich das Engelchen Julius um Hilfe gebeten hat?
"Nöö", antwortete Julius, "aber ich hätte ihm auch nicht helfen können."
"Siehst, sag ich doch, uns kennt kein Mensch, wir sind nicht einmal in diesem Buch eingetragen!"
Julius verlor plötzlich das Gleichgewicht und plumpste seinem Freund vor die Füße.
"Welches Buch meinst du eigentlich", fragte Julius und zupfte an seine Stummelflügel um zu prüfen ob sie noch heile waren.
"Ach nee, hat unser Julius im Unterricht geschlafen", sagte Gabor und machte sich vor Julius ein wenig größer, "ich meine das Buch der Engel, wo alle großen Engel namentlich eingetragen sind."
"Ach nee, hat unser Engelchen Gabor auch im Unterricht geschlafen, antwortete Julius, macht eine lange Nase und zählte einige Engel auf, die sich ihre Flügel im Laufe der Jahre redlich verdient hatten.
Während Julius erzählte, malte Gabor mit seinen dicken Zehen ein paar Zeichen in die Wolke, schaute zum Himmel und tat so als würde er sich für dieses Thema gar nicht interessieren. Er schmollte vor sich hin. Pah, dachte er, dieser Streber Julius kann einem jeglichen Spaß verderben. Als Julius mit dem Aufzählen fertig war drehte sich Gabor wieder zu ihm.
"Weißt du Julius, wir müssten etwas Großartiges vollbringen, das dem Herrgott und den großen Engeln gefällt und sie ehrwürdig über uns sprechen."
"Haste schon eine Idee", wollte Julius sogleich wissen.
"Nee, hast du?"
"Auch nicht", gab Julius kurz und bündig als Antwort.
"Na dann lass uns mal angestrengt darüber nachdenken!"
Wenn die Engelchen in der Schule einmal nicht weiter wussten, mussten sie im Kreis fliegen und sich in Geduld üben. Das sollte den Gedankenfluss fördern. Gabor und Julius verschränkten ihre Arme auf den Rücken und senkten ihre Köpf. Es war jetzt so still um sie herum, das man das summen der Flügelchen hörte, die emsig auf und nieder schlugen.
"Ich hab´s", prustet Gabor heraus, blieb stehen und viel sogleich zu Boden, weil Julius nicht so schnell bremsen konnte.
"Das wird der Knaller", freute sich Gabor, packte Julius an sein Engelskleidchen und flog mit ihm wie ein Blitz zu einem Ort wo er vermutete zu finden, das er für sein Vorhaben gebrauchen konnte.
Gabor öffnete eine große Kiste und kletterte ohne zu zögern hinein. Julius war unsicher, blieb am Rand der Kiste stehen und rief ihm hinterher.
"Was suchst du denn?"
"... du denn, ... du denn, ... du denn, ... du denn!"
Außer einem Echo bekam Julius keine Antwort. Nach einer Weile kam Gabor aus der Kiste gekrochen und hielt etwas in seinen Händen. Es war ein Glöckchen. Leiblich und fein war es und ein ungetrübter Glanz breitete sich aus als Gabor seine Hände öffnete. Dann nahm er es vorsichtig zwischen dem Zeigefinger und dem Daumen und bewegte sein Händchen, so dass der kleine Schlegel sanft den Klangkörper berührte. Lieblich fein und glasklar verbreitete sich ein frohlockender Klang der die beiden Engelchen begeisterte. Julius konnte gar nicht glauben was er da sah und hörte, und kreiste mehrmals um Gabor herum.
"Was hast du mit dem Glöckchen vor", wollte Julius von Gabor wissen.
"Man wird hören und staunen", antwortete Gabor geheimnisvoll und verstaute das Glöckchen in seine Hemdtasche.
In den nachfolgenden Tagen hatten Gabor und Julius wenig Zeit um über Gabors geheimnisvolles Vorhaben zu sprechen. In der Schule probten die Engelchen neue Lieder, die am Tage aller Tage spät abends gesungen werden sollten. Die großen Engel stimmten ihre Posaunen und Harfen und so manch ein Engel des göttlichen Chores, jodelte die himmlische Tonleiter rauf und runter. Dann war es endlich so weit. Die Engelchen wurden eindringlich ermahn sich ordentlich zu verhalten. Weil die Engelchen aber aufgeregt waren, hatten sie alle rot Ohren und rote Wangen. Deshalb sahen die Menschen den Abendhimmel glutrot leuchten. Die großen Engel machten ihre Sache perfekt. Während die himmlischen Chöre frohlockende Weisen sangen in die auch die Engelchen einstimmten, überbrachte einer der Engel den Hirten die frohe Botschaft, dass Gottes Sohn geboren sei. Andere Engel machten Zeichen am Himmel, auf das die Menschen nach Bethlehem kommen um dem Christuskind zu huldigen. Viele Menschen machten sich auf den Weg und nahmen Geschenke mit, als Gabe für Gottes Sohn. Der war aber von der langen und beschwerlichen Reise so müde, das er den Daumen in den Mund steckte und selig einschlief.
Verpassen würde der Knabe was, wenn er weiter schlief. Außerdem würden die Menschen einem schlafenden Kind keine Geschenke machen, so die Meinung vom Engelchen Gabor, der das Geschehen aus sicherer Entfernung beobachtete.
Dies war der geeignete Moment, den das Engelchen Gabor sich erhofft hatte. Ohne das es jemand im Himmel merkte flog er zur Erde hinunter, zwängte sich durch eine offene Stelle im Dach des Stalles und schwebte unbeachtet von Maria und Josef über der Krippe mit dem Jesuskind. Nur der Esel und der Ochse, die es sich neben der Krippe bequem gemacht hatten, sahen und hörten welch unvorstellbares sich ereignete.
Gabor war entschlossen eine unvergeßliche Tat zu vollbringen. Die bestand darin, den Sohn Gottes um jeden Preis wach halten, auf das er viele Geschenke bekommen würde.
Gabor formte sein linkes Händchen zu einer Tute und schrei: "Hier wird nicht geschlafen Bubi, sonst gibt es keine Geschenke", und mit dem rechten Händchen läutete er das Glöckchen, das seinen lieblich feinen Klang weite in die Welt hinaus trug.
Erschrocken von dem Lärm, schrie der Ochse, der Esel machte laut "Ihha" und das Jesuskind schrie wie am Spieß. Noch ehe Maria und Josef begreifen konnte was eventuell geschehen war, kamen die ersten Hirten mit ihren Geschenken. Sie legten sie zur rechten und zur linken Seite der Krippe. Gabor machte einen Purzelbaum in der Luft und das Christuskind lächelte die Hirten an und ihre Herzen waren sogleich von Freude erfüllt. Für Gabor war das schlicht und ergreifend eine tolle Bescherung.
Ob Gabor damit eine unvergeßliche Tat voll bracht hatte ist leider nicht überliefert. Gott der Herr aber schenkte den Tieren die Gabe am Heiligabend sprechen zu können. Und wenn man am Heiligabend in einen Stall geht wo ein Esel und ein Ochse stehen, kann man sie herzhaft lachen hören, weil sie sich die Mär vom Engelchen Gabor erzählen.
Warum die Geschichte "Das Weihnachtsglöckchen" heißt?
Jedes Jahr am Heiligabend warten viele Kinder ungeduldig auf das Christkind. Erst dann, wenn sie erwartungsvoll den lieblichen Klang eines Weihnachtsglöckchen vernehmen, war das Christkind da. Dann ist Weihnachten und Bescherung und alle Kinderherzen schlagen höher.
Wer von euch reinen Herzens ist und in der Kirche sich die Krippe genauer anschaut, sieht wie ein kleines Engelchen über dem Stall fliegt und uns mit seiner Anwesenheit ein schönes und gesegnetes Weihnachtsfest wünscht.



Eingereicht am 18. April 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
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