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Die Verwandlung

© Petra Kramp


Es ist wieder so weit: Die Adventszeit steht vor der Tür, und Haus und Hof wollen weihnachtlich geschmückt werden. - Wollen sie das wirklich? Hand aufs Herz: Ist es nicht vielmehr so, dass ich es so möchte? Dass ich nicht eher Ruhe finde, bis ich aus dem Keller alle in Frage kommenden Kartons, Schächtelchen und Tüten hochgeholt und deren Inhalt ausnahmslos in- und außerhalb des Hauses aufgestellt, aufgehängt oder auf eine andere Weise drapiert habe?
Jedes Jahr bin ich zu jener Zeit in einem ganz seltsamen Gefühlszustand, der von äußerster Erregung und aufrichtiger Freude zu Genervtheit und Unmut reicht. Soll ich wirklich alles und jedes hochholen?
Auch den an sich kitschigen Weihnachtsmann, der auf einer Trommel thront und mittels Stromzufuhr seinen in der Hand befindlichen Pinsel hin- und herbewegt, um ein Holzspielzeugpferdchen , das er mit der anderen Hand hält, imaginär anzustreichen? - Ja, auch den, denn diesen irgendwie amerikanisch wirkenden Santa-Cola-Claus hat mir meine über alles geliebte Großmutter geschenkt, die leider in diesem Jahr gestorben ist, und nie werde ich den Ausdruck kindlicher Freude in ihrem Gesicht vergessen, als sie ihn mir vor ein paar Jahren schenkte…
Und heute habe ich selbst ein Kind, und auch mein kleiner Junge hat diesen Weihnachtsmann sofort in sein kleines Herzchen geschlossen, und mit seinen fünf Jahren weiß er noch von den letzten Malen ganz genau, wo dieses rote und recht große Ungetüm die Weihnachtszeit bei uns verbrachte und auch heuer verbringen wird: Auf der Küchenfensterbank, sein Blick direkt auf Tobias gerichtet, wenn sich dieser zu den Mahlzeiten am Tisch niederlassen wird.
Aber hat nicht gerade dieser Weihnachtsmann ein besonders gütiges und verschmitztes Gesicht, wenn man sich nur ein wenig auf seine Gesichtszüge einlässt?
Es ist also entschieden, er wird dort wieder sitzen und anstreichen.
Ja, und was wird heuer aus dem kleinen sitzenden rotweißen Engelchen mit dem abgebrochenen Flügel? Den hatte Mama mir mal vor langer Zeit geschenkt, wann, das weiß ich nicht mehr so genau. Und meine Mama ist leider auch schon nicht mehr bei uns…
Na ja, wenn man dieses Figürchen geschickt hinstellt, fällt es sicherlich kaum auf, dass es nur noch ein intaktes Flügelchen besitzt …
Gut, die Daseinsberechtigung für eben jene "Gestalten" ist nun hinreichend hergeleitet worden, aber müssen es diesmal gleich wieder so viele Lichterketten sein, die im und am Haus aufgehängt werden? Müssen wir überhaupt wieder mühseligst durch den verwinkelten Luftschacht im Keller die Kabelstränge nach oben in den Vorgarten hindurchzwängen? Muss es sein, dass ich mir die gleiche alljährlich so ablaufende Auseinandersetzung mit meinem Mann antue, weil er es nun schon gar nicht einsieht, "so ein Gedöns" mit der weihnachtlichen Außenbeleuchtung zu machen?
- Ja, es muss sein, und wenn dann alles endlich nach etlichen Stunden mühe- und gleichzeitig liebevollen Drapierens, Verrückens von Möbeln erreicht ist, dass sich auch wirklich alle Schachteln, Schächtelchen, Tüten und Kisten leer vor mir auftürmen, dann hat sich wirklich etwas getan in unserem Heim! Mein Sohn brachte es in diesem Jahr auf den Punkt, er sagte, als er bei uns die Treppe herunterkam: " Mama, alles ist so verwandelt. Alles sieht so anders aus, anders und schön, wunderwunderschön!" Und er umarmte mich auf das Herzlichste und drückte begeistert meinen Arm.
Und wenn es jetzt dunkel wird, so richtig dunkel draußen, aber, ach was, ein ganz gewöhnlich schmuddeliger Dezembertag reicht dafür schon aus, dann glänzt es richtig bei uns. Und Tobias' Augen und - ich gebe es zu: auch meine Augen - leuchten und glänzen mit dem Weihnachtsschmuck um die Wette.
Diese Verwandlung eines ganz normalen Wohnraumes in ein schön geschmücktes Weihnachtszimmer macht vielleicht gerade das aus, was ich den Weihnachtszauber nennen möchte. Und gerade darauf möchte und kann ich gar nicht verzichten -trotz des alljährlichen Kampfes mit mir selbst und dem Scharmützel mit meinem Mann.
Und alljährlich im neuen Jahr fällt es mir erneut schwer, diesen Zauber beizeiten durch Wegräumen zu entzaubern. Aber was sein muss, muss halt sein …



Eingereicht am 14. April 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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