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Das verhexte Weihnachtsfest

© Nessi Dominkus


Es war kurz vor dem Weihnachtsfest, als gegenüber von Tom und Britta das kleine windschiefe Häuschen, das schon seit Monaten leer stand, neu bezogen wurde. Die neuen Nachbarn, eine Frau und ihre Tochter, wollten mit den Leuten die hier wohnten, nicht viel zu tun haben. Sie blieben viel lieber für sich.
Eines Tages, als Tom und Britta auf der Straße spielten, begab es sich, dass das neue Nachbarmädchen gerade das Haus verlassen wollte.
"Sieh mal", stieß Tom seine Schwester an "wie die aussieht. So kann man doch nicht unter die Leute gehen."
"Komm" sagte Britta zu ihrem Bruder, "wir machen uns bekannt."
Sie steuerte direkt auf das fremde Mädchen zu. Sie sah wirklich merkwürdig aus. Eine spindeldürre Gestalt mit zerzausten roten Haaren, die ein grasgrünes Kleid trug. Zur Krönung hatte sie auch noch einen grünen Hut auf dem Kopf. Ihre bunt bestrumpften Beine steckten in grünen Stiefeln.
"Hallo, ich bin Britta und das ist mein Bruder Tom. Wir wohnen gleich gegenüber", sagte Britta und zeigte auf ihr Haus.
"Na und, was geht mich das an?", fragte das seltsame Mädchen.
Tom und Britta waren irritiert. Sie ließen sich aber nichts anmerken. "Wie heißt du denn?", wollte Tom wissen.
"Nun gut, es geht euch zwar nichts an, aber ich sage es euch trotzdem. Mein Name ist Lilli."
"Warum bist du denn so kratzbürstig zu uns?", wollte Britta wissen.
"Mit deiner Art wirst du nicht viele Freunde gewinnen", ergänzte Tom.
Lilli zischte ihn mit funkelnden Augen an und sagte: "Wenn ich Freunde möchte, dann hexe ich mir welche."
Tom und Britta prusteten los und bogen sich vor Lachen.
"So einen Blödsinn habe ich ja noch nie gehört", sagte Tom.
"Glaubst du wirklich, dass du hexen kannst?", fragte Britta.
"Ihr werdet schon sehen" meinte Lilli, drehte sich um und verschwand in ihrem windschiefen Haus.
In der Nacht hatte es heftigen Schneefall gegeben. Das ganze Dorf war eingeschneit. Tom musste gleich in der Früh den Weg zum Haus freischaufeln. Als er zufällig zu Lillis Haus sah, fiel ihm fast die Schneeschaufel aus der Hand. Die ganze Umgebung war tief verschneit. Nur Lillis Haus nicht. Das Haus und der Vorgarten waren total schneefrei. Nicht eine einzige Flocke war zu sehen. Lilli stand mit verschränkten Armen an der Tür und grinste Tom frech an. Britta kam zu dem Schluss, dass wohl Lillis Mutter schon sehr früh, vor allen Anderen, den ganzen Schnee weggeräumt hatte.
Der viele Schnee brachte die Geschwister auf die Idee, einen richtig großen Schneemann zu bauen. Lilli stand an ihrem Hoftor und sah ihnen zu.
Als Tom und Britta fast fertig waren, rief ihnen Lilli zu: "He, ihr zwei. Warum schuftet ihr so? Das geht doch auf meine Art viel schneller."
Die Geschwister waren sprachlos. Direkt neben Lilli stand ein Schneemann der doppelt so groß war wie ihrer.
"Wie konntest du den so schnell bauen?", fragte Tom immer noch fassungslos.
"Ihr habt mir wohl nicht zugehört. Ich habe doch gesagt, wenn ich etwas möchte, dann hexe ich es herbei. Solltet ihr mir immer noch nicht glauben, dann schaut mal euren Schneemann an."
"Oh nein" entfuhr es beiden gleichzeitig.
"Unser schöner Schneemann. Warum hast du das getan?"
Obwohl es eisig kalt war, schmolz er einfach dahin.
Lilli stand dabei und lachte.
Britta war sauer. "Das war sehr gemein von dir. Selbst wenn du wirklich eine Hexe bist, gibt es keinen Grund so böse zu sein."
"Wir wollen mit dir nichts mehr zu tun haben", fügte Tom noch hinzu.
Beleidigt drehte sich Lilli auf dem Absatz um und verschwand in ihrem Haus.
Ja, so war das mit Lilli. Sie war eine kleine Hexe und machte auch reichlich Gebrauch davon. Sehr zum Leid von Tom und Britta. Lilli hexte immer und überall. So konnte es geschehen, dass mitten im Winter die herrlichsten Sommerblumen im Vorgarten blühten. Ein anderes Mal ließ sie gebratene Hühnchen durch die Luft fliegen. Besonderen Spaß machte es ihr, wenn Tom und Britta vor ihrem Haus spielten und Tom plötzlich die Kleider von seiner Schwester trug, und Britta mit Toms Hemd und Hose bekleidet war.
Die Geschwister hatten beschlossen, sich von Lilli nicht mehr ärgern zu lassen. Das wiederum ärgerte Lilli. Es dauerte nicht lange, da wurde ihr das Hexen zu langweilig. Niemals hätte sie gedacht, dass sich Tom und Britta von ihr abwenden würden. Es sollte doch nur ein Spaß sein. Lilli kam zu dem Schluss, dass sie mit ihrer Hexerei wie immer, maßlos übertrieben hatte. Eigentlich waren die beiden ja ganz nett. Um sich mit Tom und Britta zu versöhnen, musste sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Und sie hatte auch schon eine lustige Idee.
Die Tage verstrichen ohne besondere Ereignisse. Dann endlich war es soweit. Es war Heiligabend. Tom und Britta freuten sich riesig. Dieses Jahr durften sie zum ersten Mal den Weihnachtsbaum ganz alleine schmücken. Sie gaben sich sehr viel Mühe dabei. Es sollte der schönste Weihnachtsbaum werden, den sie je hatten. Nach getaner Arbeit bestaunten sie ihr Werk. Prächtig glänzend, mit funkelnden bunten Kugeln und goldenem Lametta behängt, stand er mitten im Weihnachtszimmer. Tom und Britta verschlossen das Zimmer sorgfältig. Schließlich sollte sich der Weihnachtsmann ungestört fühlen, wenn er dann kam und die Geschenke brachte.
Die Stunde der Bescherung rückte immer näher. Dann ertönte endlich das Weihnachtsglöckchen und die Zimmertür öffnete sich.
Oh Schreck! Was war mit dem Weihnachtsbaum passiert? Wie sah der denn aus? Die schönsten Blütenkelche schmückten seine Zweige. An der Spitze strahlte an Stelle des Weihnachtssterns der Kelch einer großen Sonnenblume. Das goldene Lametta hatte sich in lange Grashalme verwandelt. Doch der Schrecken war noch nicht zu Ende. Zu allem Überdruss wuchsen aus den Geschenken kleine Beinchen, die schnurstracks zur Tür hinaus liefen. "Lilli", riefen Tom und Britta gleichzeitig und rannten ihren Geschenken hinterher. Diese marschierten geradewegs über die Straße und verschwanden in Lillis Haus.
Das erste, was Tom und Britta sahen, war Lilli. Sie saß vor einem herrlich geschmückten Weihnachtsbaum und freute sich. Um sie herum lagen Toms und Brittas Geschenke:
"Wird aber auch Zeit, dass ihr mich mal besucht", lachte sie.
"Warum hast du das getan?", schrie Tom sie ärgerlich an.
"Wir finden das überhaupt nicht lustig", ergänzte Britta ebenso laut.
"Nein?, wirklich nicht? Es sollte doch nur ein Spaß sein. Bitte nicht böse sein. Ich kann euch das auch erklären", sagte Lilli. Ihre Stimme klang fast ein wenig traurig. "Wisst ihr, für Hexen gibt es kein Weihnachtsfest. Da wollte ich eben einmal erleben wie das so ist. Entschuldigt bitte."
Auf einmal empfanden die Geschwister großes Mitleid mit Lilli. Deshalb sagte Britta zu ihr: "Nun gut. Du machst jetzt alles wieder wie es war, dann darfst du mit uns Weihnachten feiern."
Das ließ sich Lilli nicht zweimal sagen. Ruckzuck hexte sie alles wieder zurück.
Tom und Britta hielten ihr Versprechen und nahmen Lilli mit. Gemeinsam feierten sie das Weihnachtsfest.
"Darf ich mir nun auch etwas wünschen?", fragte Lilli.
"Natürlich, was hättest du denn gerne?", wollte Tom wissen.
"Ich möchte gerne eure Freundin sein", platzte Lilli heraus.
Tom und Britta sahen sich an. Dann lachten sie und Britta sagte: "Aber nur, wenn du uns nicht mehr ärgerst."
Daraufhin konnte Lilli nur ein Wort sagen: "Versprochen!"
Von nun an waren Tom, Britta und die kleine Hexe die besten Freunde.



Eingereicht am 15. Juni 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
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