Das Geschenk
© Andrea Hallmann
Lisa begab sich auf ihren Heimweg. Ihre Schicht im Krankenhaus war beendet. So schnell wie möglich zielten ihre Schritte Richtung Heimat. Zu Hause wartete ihre Familie, das heißt, ihr Mann und ihre beiden Kinder. Sie waren schon lange verheiratet und ihre Kinder rundeten das Familienglück ab. Doch in letzter Zeit schien es ihr als wäre alles nur Routine. Morgens raus, Frühstück, arbeiten, einkaufen und dann ab nach Hause. Manchmal wünschte sie sich ein bisschen mehr Aufmerksamkeit ihrer Lieben. So ging sie
durch die weihnachtlich geschmückten Strassen. Die Kerzen an den Bäumen brannten hell und warm. Nach kurzer Zeit erreichte sie ihr zu Hause.
"Hallo", rief sie, "bin wieder da!". Kein Echo, so ging sie weite, brachte den Einkauf in die Küche. "Hallo", rief sie nochmals, wieder nichts. Ihr Mann saß am Computer, vertieft, wie immer, in seine Arbeit. Sie ging zum Kinderzimmer. Laute Musik klang hervor. Kein Wunder, dass sie niemand hörte. Nun suchte sie noch ihre Kleine, die fand sie vor dem Fernsehen. "Hallo, mein Schatz", rief Lisa. Zwei Arme flogen ihr um den Hals. "Hallo Mama, schön, dass du endlich da
bist. Was gibt's zu essen?!". Die obligatorische Frage.
Lisa ging zu meinem Mann. Ein flüchtiger Kuss streifte ihre Wange. "Na, alles klar?", meinte er, halb abwesend und schaute wieder in seinen Computer. Sie dreht sich um, da hört sich noch stöhnen: "Mensch, hab ich Hunger.".
Hunger, denkt sie, habe ich auch. Aber nach Liebe, nicht nach Abendessen und begibt sich in die Küche, wo ihr Einkauf noch auf sie wartet. Sie beginnt mit dem Auspacken und bereitet das Abendessen vor. Ihre große kommt in die Küche, anstatt "kann ich dir helfen", hört sie nur "was gibt's denn heute? Bloß nichts fettes, hab ich keinen Bock drauf." Und ich denke verzweifelt, ich habe keinen Bock auf dein Gemecker. Sie schmeißt die Sachen hin, zieht sich an und läuft auf die Strasse. Hinter ihr
ein dreifaches Rufen, "Warte!". Doch Lisa ist weg, weg von zu Hause, weg von dieser Lieblosigkeit.
Draußen hat es angefangen zu regnen, aber das spürt sie nicht mehr. Tränen auf ihren Wangen vermischen sich mit Regentropfen und sie lief einfach weiter. Menschen liefen an ihr vorbei, sie fühlte sich, wie in einem Traum. Sie sah in die Fenster, manche Menschen saßen gemeinsam am Tisch, andere schmückten ihren Tannebaum. In den Gesichtern ein Strahlen und Lachen.
Sie wollte schon zweifeln, da fiel ihr Blick in das nächste Fenster, sie sah einen Mann krank im Bett liegen, seine Angehörigen standen traurig beieinander, es schien ihm nicht gut zu gehen.
Da sprach sie zu sich selbst, was tue ich hier allein, mitten in der Stadt im Regen? Mein größtes Glück, trotz allem sitzt zu Hause. Was habe ich getan? So schnell sie konnte lief sie zurück. Kurz vor zu Hause begegnete sie ihrer Familie, diese hatte sich schon Sorgen gemacht. Sie nahm sie in ihre Arme und schon war ihre Einsamkeit vergessen. Ihr wurde bewusst, ihre Familie ist ihr größtes Geschenk.
Sie machten sich auf den Weg zum Weihnachtsmarkt und verbrachten einen wunderschönen Abend.
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