Die Tierkönigin
© Conny Claussner
Es war bitter kalt an diesem Weihnachtstag .Die Tannen des großen Waldes waren mit einer dicken Raureifschicht bedeckt. Eine Frau stapfte durch den tiefen Schnee. Sie war ganz dick und warm angezogen. Trotzdem spürte sie die eisige Kälte durch ihren Körper fegen.
Ihr Ziel war: eine Futterkrippe mitten im Wald. Sie trug einen Rucksack prall gefüllt mit: Kastanien, Äpfel, Möhren, Eicheln und Nüssen bei sich. Das waren ihre Geschenke an die Tiere des Waldes.
Es dämmerte bereits, als Sylvia die Futterkrippe erreichte. Zunächst zündete sie ringsum Kerzen an. Das sah sehr romantisch aus, dieser warme Kerzenschein im Schnee. Danach füllte sie den fast leeren Trog mit ihren Gaben. Es dauerte nicht lange, da kamen die ersten Tiere des Waldes. Zu erst die Eichhörnchen. Sie lugten vorwitzig zwischen den Tannenzweigen hervor, sprangen über ihre Schulter, um sich dann an den Nüssen zu laben. Danach hoppelten Hasen an, die sonst ihren Winterschlaf hielten. Sie ließen sich streicheln
und muffelten gierig die Möhren und Äpfel rein. Dann kam das Wild des Waldes. Hirsche Rehe und Wildschweine.
Sie alle versammelten sich um die reich gefüllte Futterkrippe. Nach dem Festmahl kamen alle zu ihrer Königin der guten Gaben und ließen sich dankbar das dichte Winterfell kraulen.
Sylvia saß ganz in sich versunken mit ihren Tieren des Waldes da. Sie bemerkte nicht den hellen Schein, der plötzlich die dunklen Tannen durchbrach. Aus der Dunkelheit trat ein Mann mit einem dichten grauen Bart. Er war tief beeindruckt von diesem Bild des Friedens.
Er sah eine Weile dem Geschen zu, dann trat er, leise auf Sylvia zu und sprach sie an. "Was Sie hier tun ist einfach wundervoll, ich bin tief beeindruckt."
Die Tiere rissen nicht aus vor dem Mann. Es schien, als ob sie ihn gut kennen würden. Der Mann legte Sylvia den Arm um die Schulter. "Mein Name ist Johannis, ich wohne hier im Wald in einer Hütte, seit Jahren allein. Kommen Sie bitte mit mir." Sylvia sah den Mann dankbar an. Die Tiere hatten sich satt gefressen. Langsam wurden es weniger. Sie gingen alle wieder in die Dunkelheit der Nacht zurück Nur ein kleines Eichhörnchen saß immer noch auf Sylvias Schulter. Es wollte nicht von ihrer Nähe weichen.
"Na komm geh in deinen Wald zu rück" Doch das Tier rückte nicht von ihrer Seite, es blieb bei ihr sitzen. "Na da komm mit uns, Kleines." Nun stapften sie zusammen durch den tief verschneiten Wald
Der Wald lichtete sich. Jetzt schien der kalte Vollmond und zeigte ihnen den Weg, bis sie an die Holzhütte kamen. In der Hütte war es gemütlich und warm. Johannis legte Holz in dem Ofen nach. Eine angenehme Ruhe überkam Sylvia. Das Eichhörnchen saß auf ihrem Schoß. Es hatte sich zusammengeringelt und war eingeschlafen. Johannis bewirtete Sylvia mit frischem Tee und einer warmen Suppe . Dankbar nahm sie das wunderbare Essen an.
Johannis beobachtet Sylvia. Er las im Kerzenschein aus der Bibel vor. Nach einer Weile legte er das große Buch auf den Tisch. "Du tust soviel Gutes für die Tiere des Waldes, sag was ist dein Herzenswunsch in dieser Weihnachtsnacht?"
Sylvias Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. "Meinen Herzenswunsch kann niemand erfüllen." Es klang verzweifelt.
Johannis senkte den Kopf. Wie ein Wanderprediger las er laut aus der Bibel vor "… und Gott sah, dass es gut war …"
Sylvia war nicht gläubig, aber sie war tief beeindruckt von der Art und Weise wie er es vortrug. "Sag mir bitte, was du dir jetzt im Moment wünschst?"
Sylvia sagte leise: "Ich wünschte mir, der Mensch wäre bei mir, den ich so sehr liebe. Ich habe ihn verloren für immer, dennoch brennt in meiner Seele ein tiefer Schmerz. Ich habe ihn nicht vergessen können. Er war der einzige Mann, den ich wirklich liebte."
Johannis sah sie durchdringend an. "Ich kenne ihn."
Sylvia zuckte ungläubig mit der Schulter.
"Komm mit"! Johannis zog sie in die kalte Winternacht hinaus.
Ihr Eichhörnchen sprang plötzlich davon geradewegs auf die Schulter eines Mannes.
Plötzlich stand er einfach so da. Die Männer umarmten sich freudig "Wie schön, dass du gekommen bist Bernd!" Sylvias Knie gaben nach der Boden schwankte unter ihren Füssen. Bernd fing sie schnell auf. Und hielt sie in seinen Armen "Sylvia"!
Wenig Später saßen alle wieder in der warmen Hütte. Sylvias Traum hatte sich erfüllt, neben ihr saß der Mann, den sie so sehr liebte in ihren Träumen. Sein schönes langes schwarzes Haar glänzte. Sie strich zärtlich darüber. Das Eichhörnchen war plötzlich verschwunden. Bernd hatte die Arme um ihre Schulter gelegt und sie fühlte seine Wärme.
Plötzlich rumorte es an der Türe. Johannis öffnete und ein Mann trat in die Hütte ein. Er sah sich suchend um "Sylvia hier bist du, ich habe dich überall gesucht und mir große Sorgen um dich gemacht." Das war Jens. Sylvias treuer Freund und Gefährte. Sie hatten sich nach einem heftigen Streit am Vorweihnachtstag getrennt. Sylvia riss sich jetzt sich aus Bernds Umarmung. Sie sah nur noch Jens' tiefblaue Augen, fasste in seine braunen Locken. "Bitte vergebe mir, wir gehören doch zusammen. Ich liebe
nur dich. Nimm mich bitte, so wie ich bin. Ich wäre so gerne schöner, nur für dich, ich wäre so gerne jünger, nur für dich. All das kann ich aber nicht sein, weil doch eben nur so bin, wie ich bin."
Johannis nickte wohlwollend. "Siehst du, Sylvia, Königin der Tiere, das ist deine wahre Liebe, dein Leben. Das ist das, was du wirklich willst und keinen fernen Traum, der so süß und schwer deine Seele berührte."
Das Eichhörnchen saß jetzt auf Sylvias Schuler. Bernd war verschwunden, genau so schnell, wie gekommen war...
Im Schein der Kerzen umarmten sich jetzt zwei Menschen, die schon so viel Leid zusammen gesehen hatten …
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