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Fränkische Weihnachtsfreuden 1968

© Annie Krug


Jeden Winter war es dasselbe - in dieser trüben Jahreszeit wollten die Tage und Wochen so gar nicht vergehen. Dezember, Januar, Februar, diese Monate zogen sich so zäh hin wie Schmierfett -und zeigten sich ebenso unerfreulich wie unerträglich.
Als einzige Lichtblicke in diesen frostigen Zeiten konnte man lediglich Weihnachten, Sylvester und später im Februar auch noch die "Fosa´nocht" (Fasching) verzeichnen.
Ja-ja, den Nikolaustag gab´s natürlich auch noch. Nüsse und Lebkuchen verachteten wir durchaus nicht, aber so, wie wir uns selber kannten, würden zu diesem Anlass wohl auch diesmal ganz gewiss wieder die mahnenden "Rütla" (Ruten) überwiegen.
Dabei rissen wir uns jetzt in der Adventszeit doch sowieso schon wie verrückt zusammen - jedenfalls nach unserer eigenen Auffassung!
Ausnahmsweise brütete ich mit meiner Freundin Ritschi mal keine Dummheiten aus, wenn wir beratend die Köpfe zusammensteckten und kichernd herumgeheimsten. Jede zählte bedachtsam ihre kärglichen Spargroschen zusammen, um dem Rest der Familie ein möglichst überwältigendes "Christkindla" (Weihnachtsgeschenk) zu bereiten.
Nach angestrengten Überlegungen schleppte ich schließlich frohgestimmt eine Zweiliterflasche Rotwein nach Hause, denn davon würden dann letztendlich alle etwas haben.
Meine Mutter wusste da nämlich einen sagenhaften Feiertagspunsch zu brauen - aus schwarzem Tee und Rotwein, aromatisiert mit Zucker und Gewürznelken, Zimtstangen, frischen Orangenscheiben, Glühweingewürzen und - das Allerwichtigste - einem gehörigen Schuss Rum; bei dem Tränklein hätte selbst der gallische Druide Miraculix noch mit den Ohren geschlackert!
Die Vorfreude auf das herannahende Fest ließ einen die Strapazen der Witterung auf dem beschwerlichen, kilometerweiten Schulweg doch gleich viel leichter als sonst ertragen.
Und den ganzen Advent über hatte jedes Kind ein Kerzchen vor sich auf dem Tisch stehen, das allmorgendlich vor Beginn der Stunde angezündet werden durfte. Auch ging´s jetzt in den Unterrichtsstunden ziemlich aufgelockert zu. Es wurde vorgelesen und gesungen und einmal durften wir sogar alle miteinander unter der Aufsicht unserer Lehrerin Plätzchen backen.
Das gab vielleicht eine Gaudi! Jubel, Trubel, Gekicher, Geschubse und Geschlecke pur. Bloß musste man höllisch auf seine Finger aufpassen, denn jeder wollte natürlich als erstes mit seinem Ausstechförmchen zuschlagen; wer da nicht schnell genug seine butterglänzenden Tatzen zurückzog, der bekam, eh er sich´s versah, ein paar Sternzacken in den Handrücken gepierct.
Ein paar größere Buben waren mit der verantwortungsvollen Aufgabe betraut, die Bleche zur hilfsbereiten Nachbarin hinüber zu expedieren, die das Fertigbacken für uns übernahm.
"A suu lossa´mas scho ei´gee mit da Schull!" grinste Ritschi zufrieden vor sich hin, als wir auf dem Heimweg mit vollen Backen kauten. (so gefällt mir die Schule!)
Ich war wie immer vollends ihrer Meinung. Ganz besonders, weil´s nun bis zu den Ferien nur noch lustiges Stroh- und Foliensterne-Basteln in der Schule geben würde - sogar für uns Mädchen! Und die tödlich langweiligen Handarbeitsstunden fielen dafür flach. Na, wenn das keine Aussichten waren!
Zuhause war unsere Mithilfe beim Plätzchen- und Lebkuchenbacken ebenfalls sehr gefragt.
Wir waren ungeheuer nützlich. Kneteten eifrig Teig (bis er eine etwas eigenwillige Färbung annahm) hantierten begeistert mit Ausstecherla und Kuchenpinsel, verstreuten Mehl auf dem Boden, naschten heimlich von den bunten Zuckerstreuseln, hatten die Pfoten in der Arrakglasur und löffelten aus dem Kunsthonigbecher bis es uns öd im Magen wurde.
Dann, kurz vor Heiligabend packte doch tatsächlich auch noch meinen älteren Bruder die Abenteuerlust.
Seit dieser in der Lehre war und eine Freundin hatte, legte der bei sonst weitem nicht mehr so viel Wert auf die Gesellschaft seiner kleinen Schwester. Aber jetzt schlichen wir uns zusammen auf den Öbern Budn (Dachboden) , um ganz so wie in früheren Verschwörer-Zeiten die Blechdosen mit dem Weihnachtsgebäck zu plündern, die unsere Mutter dort unter den Bodenbrettern versteckt hatte.
Und in dieser selten gewordener Einigkeit strolchte er auch einen ganzen Samstagmorgen lang mit mir gemeinsam durch den Wald. Nach dem unerwarteten Tauwetter der letzten Tage dampfte dieser regelrecht vor Nässe und die Luft umfing uns wundervoll schwer nach aufgebrochener Erde und Moos duftend.
Zwischen feuchtigkeitsschwarzen Stämmen, um die sich die Dunstschleier woben wie feine Gespinste, fahndeten wir im glasigen, föhrennadelgespickten Schnee nach einer schön geformten Wurzel, die als urige Weihnachtskrippe unter dem Christbaum Staat machen sollte.
Unser Ältester hatte uns beide nämlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit eingeweiht, dass er die Eltern mit neuen Krippenfiguren überraschen wollte.
Bisher besaßen wir nämlich nur ein etwa zigarrenschachtelgroßes, von Palmen flankiertes Krippchen mit winzigen Flachfigürchen. So niedlich das auch aussah, es zeigte halt doch schon deutliche Altersschwäche. Jedes Teil hatte schon unzählige Male mit heißem Kerzenwachs wieder neu festgeklebt werden müssen, einer der Palmwipfel war im Lauf der Jahre sogar gänzlich verloren gegangen.
Also da hatte der Große schon wirklich einen prima Einfall gehabt.
Endlich fand ein ansprechendes Stück Kiefernstumpf Gnade vor unserem kritischen Blick. Eng angeschmiegt über einen Felsbrocken gewachsen, wies es genau die richtige Höhlung auf, um unserer frisch erworbenen Heiligen Familie den angemessenen Hort zu bieten. Ein richtiges
Prachtexemplar, dick mit Moos überzogen und roch, nachdem mein Bruder es flink abgesägt hatte, herrlich nach Harz.
Mutter, die bei unserer Rückkehr gerade flink etwas Raschelndes in der Tischschublade verschwinden ließ, wechselte einen auffallend zufriedenen, einverständlichen Blick mit Brüderchen und schnupperte genüsslich in der Luft herum, als wir mit stolzer Beute in die warme Küche traten. "Hmm, ihr zwei bringt mir ja den ganzen Wald mit herein, so wie das duftet!"
Offiziell hatten wir nämlich Butzelkühe gesammelt. Einen ganzen großen Sack voll! Die Kienäpfel waren zum Bemalen mit Silberbronze gedacht, während die Eltern aus den Fichtenzapfen Sämlinge für die Anpflanzung gewinnen wollten. Allesamt schön sorgsam um den Herdrand und auf dem warmen Röhrendeckel verteilt, spreizten sie im Handumdrehen ihre Schuppen auf.
Bloß gut, dass die Mutter dadurch hübsch abgelenkt war und sich nicht für unsere Dreckspuren im Hausplatz interessierte...
Um die Weihnachtszeit herum war es selbst morgens um 7 Uhr in der Schülermesse richtig schön.
Es war sonst wahrhaftig keine reine Freude, abgekämpft und nass vom Schulweg eine dreiviertel Stunde in dem ungeheizten Kirchlein zu verbringen. Aber jetzt gab es dort viel zu bestaunen und mit den Augen zu entdecken. Genau vor der ersten Mädchenbank hatte der rührige Kernger (Küster, Sakristan) die Krippe aufgebaut.
Eine fremdartige wilde Landschaft hatte da Gestalt angenommen, geformt aus den verschiedensten Moosen, bizarr geschlungenen Wurzeln, aus verwitterten Hölzern, Sand und Steinen.
Da gab es felsige, bewaldete Höhen und nahrhaft grüne Senken, bewachsen mit Sträuchern, Büschen und knorrigen Bäumen - eine unergründliche Höhle gähnte hinter dornigem Gestrüpp hervor.
Und überall grasten oder schlummerten friedliche Schäfchen.
Angelehnt am roh zusammengefügten Zaun wuchs ein stolzer Holzstoß empor, der ganz sicher das verblüffend echt aussehende Feuerchen mit Nachschub versorgen sollte. Um dieses scharten sich in lockerer Gruppierung zottig gekleidete bärtige Hirten mit ihrem wachsam dreinblickenden Hund und schienen schon ganz hungrig nach dem winzig kleinen Kochkesselchen zu schielen, das dort einladend über den Flammen hing.
Geleitet vom strahlenden Stern näherten sich von der Seite her die prächtig gewandeten heiligen drei Könige in feierlichem Zuge dem malerisch verfallenen Viehstall, wo Mutter Maria und der heilige Josef sich in frommer Verzückung über das kleine Kindchen in der Krippe beugten.
Ochs und Esel beäugten bescheiden aus dem halbdunklen Hintergrund heraus das heilbringende Ereignis.
Vor der offenen Stalltüre waren schon die ersten Besucher andachtsvoll in die Knie gesunken und über allem schwebte frohlockend der Verkündigungsengel.
Die ganze Szene war auf das lieblichste eingerahmt von dichtbuschigem Wacholdergrün. Das machte die Illusion einer wirklichen, lebenden Miniaturwelt perfekt. Und ich wäre am liebsten in sie hineingekrochen. Alles begann zu atmen und sich zu regen, wenn ich nur lange genug selbstversunken darauf schaute. Darum beeilte ich mich auch immer sehr, in den vordersten Kirchenstuhl zu kommen. Ganz nah an das heimelig beleuchtete "Krippala". Dort saß ich dann, noch halb zwischen Wachen und Schlafen in der frühen Morgenstunde und träumte entrückt vor mich hin..
Dass dadurch natürlich meine Aufmerksamkeit für die liturgischen Vorgänge um mich herum stark ins Hintertreffen geriet, lag auf der Hand. Der eine oder andere energische Gnubber (Stoß) aus meiner direkten Nachbarschaft war vonnöten, um mich - je nach Anlass, immer schnell noch auf die Knie sinken oder aufstehen zu lassen, bevor der Pfarrer darauf aufmerksam wurde.
In diesem Fall hätte mich dann nämlich im darauffolgenden Religionsunterricht mit größter Wahrscheinlichkeit ein recht hochnotpeinliches Verhör durch unseren sehr strengen geistlichen
Herrn erwartet. Trotz aller weihnachtlichen Stimmung.
Endlich Heiligabend!
Von allen Kinderseelchen lange, sehnsüchtig und hoffnungsfroh erwartet.
Der Tag verging mit allerlei notwendigen Vorbereitungen auf die Festtage und vor allem damit, das Bäumchen, das der Vater aus dem neuschneeüberzuckerten Wald herübergeholt hatte, in der Küche zu putzen und zu schmücken. Tiefgrün, wundervoll nach Weihnacht duftend stand es da und harrte darauf, im Lichterglanz zu erstrahlen. Die Schachtel mit den bunten, flitterverzierten Glaskugeln, den Kerzen und dem kostbaren Rauschgoldengel für die Spitze war vom Dachboden geholt worden; ehrfürchtig entnahm man Stück für Stück und platzierte die fragile Pracht in den Zweigen.
Eine schwere Handvoll glitzernden Stanniol-Lamettas kam zum Vorschein.
Längst hatte es in unzähligen Weihnachtsfesten seine edle, vornehme Glätte verloren, aber für uns war das reine Ansichtssache. Wir werteten die unübersehbaren Gebrauchsspuren ganz einfach als Patina. Wo auch sonst konnte sich das Kerzenlicht brillanter widerspiegeln als in all den unzähligen Knicken und Knittern der von den Jahren angegilbten Silberfäden.
Weißblond gelocktes Engelshaar ringelte sich lieblich über das Fichtengrün, unsere glänzend bemalten Butzelkühe tanzten an Zwirnsfäden um ihre eigene Achse und wetteiferten mit dem
Lametta um die Wette.
Einige unbeholfen von mir zurechtgefaltete Glanzpapier-Sterne, dazu lange Ketten aus Goldfolie und kunstvolle Strohgebilde, an fernen Winterabenden gebastelt von meinen geschickten großen
Geschwistern, vervollkommneten den festlichen Putz. Es dauerte seine Weile, bis wirklich alle mit dem Christbaumschmuck zufrieden waren.
Unter den reich behangenen Zweigen wurde hernach liebevoll das Wurzelkrippchen aufgestellt und von meinen genialen großen Brüdern mit einer umfunktionierten Taschenlampe erleuchtet. Wie ich da staunte.
Und dann fieberte ich wie alle Kinder nur noch aufgeregt dem Christkindchen entgegen, das die verhießenen Geschenke bringen sollte.
Aber vor der Bescherung kam erst noch die "Mettn"(Christmesse).
Jung und alt machte sich am frühen Abend, nachdem das Vieh versorgt war, im einsetzenden Schneetreiben auf den beschwerlichen Weg hinüber in die Nachbarortschaft, wo uns in dem kleinen Dorfkirchlein die Frohbotschaft verkündet wurde.
Voller Inbrunst brauste die Orgel durch den geweihten Raum, erklang aus ungeübten rauen Bauernkehlen ein freudig-jubelndes "Stille Nacht - Heilige Nacht...." .
Derweil heulte draußen der Wintersturm um die Mauern und türmte grimmig hüfthohe Schneewehen über unseren schmalen Trampelpfad.
Nur äußerst mühselig kamen wir daher auf dem Heimweg von der Stelle; stockdunkel war´s zudem noch, kein Sternchen am Himmel, kein Mond, der den Weg wies.
Doch der Großteil des dick vermummten Trüppchens war als Schüler diese Strecke ohnehin so oft gegangen, dass er sich wohl selbst im Schlaf noch zurechtgefunden hätte.
Irgendwer hatte zwar eine Stalllaterne dabei, die er vorantrug; in dem dichten Flockengewirbel sah man jedoch bald die Hand vor Augen nicht, musste demütig den Kopf vor der Übermacht der Naturgewalt neigen, um durchatmen zu können. Blindlings stolperte man dem schwankenden
trüben Lichtschimmer hinterher, tastete sich lachend und kreischend den hohen steilen Rain hinter der Kirche hinunter auf das schmale unbefestigte Sträßchen, das dort eigentlich irgendwo sein sollte.
Geläutert vom vorangegangenen weihnachtlichen Segen, aber ganz bestimmt auch vom angenehmen Gedanken an die bevorstehende Bescherung, ließ keiner sich die glänzende Laune verdrießen, trotz aller Widrigkeiten der Witterung.
Dann - kurz vor dem heimatlichen Dörfchen, musste auch noch einem unglücklichen Autofahrer weitergeholfen werden, der an der schlimmsten Wetterecke in einer mächtigen Schneeverwehung erst steckengeblieben war und bei dem vergeblichen Versuch, freizukommen, sein Fahrzeug
schließlich auch noch in den Straßengraben manövriert hatte.
Da half alles nichts - die Geschenke mussten wohl oder übel noch ein wenig länger warten. Schnell rannten ein paar Buben hinauf in den Ort nach Schaufeln und Stricken. Mit viel Hau-Ruck und Gelächter schob und zog das verschneite Trüppchen mit vereinten Kräften, um das Auto wieder flott zu machen.
Unter gegenseitigen guten Wünschen verabschiedete man sich danach sehr herzlich voneinander und strebte nun endlich, zügig zu Fuß - sehr, sehr behutsam auf Achse, seinem tröstlichen Lichterbaum zu.
In dem erhebenden Gefühl, eine gute Tat vollbracht zu haben, schmeckte hinterher einem jeden der Festpunsch gleich nochmal so gut. Dazu türmten sich auf den Tischen ganze Berge von Äpfeln, Nüssen und Orangen. Ganz süße Schnäbel hielten sich eher ans Weihnachtsgebäck, ließen sich zartschmelzende Schniiplätzla (selbstgemachtes Eiskonfekt) auf der Zunge zergehen oder genossen herzhaft würzige Lebkuchen.
Voller Freude durfte ich nun endlich meine Christkindla auswickeln.
Ein federleichter, seidig glänzender, knallroter Anorak, wie ich ihn mir schon so lange gewünscht hatte. Das Geschenk meiner Eltern. Begeistert führte ich darin einen ganz und gar unweihnachtlichen Indianertanz quer durch die Küche auf, bis ich mit krebsrotem Kopf schwitzend auf das Kanapee niedersank und nach Luft japste. Meine beiden älteren Brüder überraschten mich mit einem ganzen Stapel neuer Micky-Maus- und Fix und Foxi-Heftchen und einem schweren Päckchen, welches ein dickes Buch enthielt.
"Tausend und eine Nacht" war in Goldbuchstaben über einem Meer orientalischer Türme in den tiefblauen Leinengrund geprägt. Zufrieden presste ich meine Schätze an mich; da würde ich für den Rest des Winters zu schmökern haben.
"Aber nicht die Hausaufgaben darüber vergessen!" konnte sich´s natürlich der Große nicht verkneifen, mich zu trätzn (necken).
Der Rest war Grinsen - wir wussten ja alle, was für ein Musterschüler er selber gewesen war.
Meine Patin hatte mir einen neuen, kuschelig warmen Schlafanzug, sowie eine hübsche, mit rosa Schleifchen verzierte Untergarnitur und Malstifte auf den Gabentisch gelegt.
Tante Gunda, Mutters jüngere Schwester, hatte schon vor Tagen ein umfangreiches Paket geschickt, das der geschlauchte Postbote sichtlich erleichtert auf dem Küchentisch absetzte. Ein Brief von der Tante war auch mit dabeigewesen. Mutters Gesicht war beim Lesen immer breiter geworden; sie wollte aber partout nicht verraten, warum. Ebenso verschlossen wie die Hausherrin wartete die neugiererweckende Sendung seither in der elterlichen Schlafkammer und gab Anlass zu Vermutungen.
Nun neigten fünf Häupter sich mit erwartungsvoll glänzenden Augen darüber. Stück für Stück wurde der Inhalt unter begeisterten Ausrufen hervorgeholt und in freudig zupackende Hände verteilt.
Für jeden steckte neben etwas Nützlichem auch etwas zum Genießen mit drin. Ich beschloss, die oft ein wenig spitzzüngige Tante doch gleich ein bisschen lieber zu mögen.
Ein Kistchen guter Zigarren für den Vater, Cognacbohnen und ein Pfund aromatisch duftenden Bohnenkaffees für die Mutter, Dominosteine, noch mehr Lebkuchen, Schokolade, Pfefferminzkissen, Fondantkringel - Hach, das reinste Schlaraffenland!
Die Brüder angelten sich gleich mit affenartiger Geschwindigkeit den Karton mit der umfangreichen Spielesammlung heraus und rückten damit ans hintere Tischende.
Tja-ja, kleine Kinder spielen halt gern.. Schon klapperten die Würfel, wurden Karten gemischt. Die Köpfe vor Eifer gerötet, oder lag´s vielleicht doch eher an den geschenkten Krawatten, die sich die jungen Herrn gleich mal probehalber über den Pullovern um den Hals gebunden hatten?
Ich nahm derweil hell entzückt einen drolligen kleinen Pappmache´-Nikolaus entgegen.
Einem Santa Claus sah das putzige Kerlchen jedoch nicht allzu sehr ähnlich - vielmehr einem pfiffigen kleinen Wichtel. Das kugelige Köpfchen saß verschmitzt grinsend auf einer Spiralfeder und wackelte fröhlich hin und her, wenn man ihn an seinem weißen Ziegenbärtchen zupfte. Ich liebte ihn vom ersten Augenblick an.
Er hielt ein winziges bürstenartiges Tannenbäumchen in den Fäusten und wenn man die schwarzen Plattfüße abzog, gab er sein Innenleben preis. Sein dicker runder Bauch war nämlich prallvoll mit Pralinen gefüllt. Doch der süße Inhalt war erst mal ganz und gar nebensächlich!
Ich konnte kein Auge von seiner hinreißenden Aufmachung lassen.
Mütze und Mäntelchen dicht überzogen mit märchenhaft silbrigem Glimmer. Wie das herrlich gleißte im Schein der Lichter!
Ein wahrgewordener Zauber! Wie man ihn auch drehte und wendete, sprühten regenbogenbunte Blitze, diamantenschön wie gefrorener Schnee in der Mittagssonne. Konnte es wohl noch etwas Wundervolleres geben?
Während noch alles beglückt in seinen Gaben wühlte, hatte Mutter mit der Ofengabel einen Herdring ausgehoben, um das Räucherwerk an den Kohlen zu entzünden. Feierlich trug sie den glimmenden Bund gesegneter Kräuter, der dem diesjährigen Wurzbüschel entstammte, durch alle Räume. Nach alter Tradition wurde am Heiligabend, an Sylvester sowie nochmals in der Nacht vor den Heiligen drei Königen geräuchert; dieser Weihrauch sollte alle bösen Mächte von den
Bewohnern abhalten.
Danach mischte sie in einer Backschüssel das G´leck zusammen - Getreideschrot, geweihtes Salz und eine Handvoll der zerriebenen Weihekräuter, um allen Tieren im Hof davon zu fressen zu geben. So sollte der Festtagssegen auch im Stall einziehen und fürs ganze Jahr Glück bringen. Wie da die Kühe lange Zungen machten, als sie gierig danach schleckten.
Drin in der Küche deckte man ebenfalls zum Essen. Zur Feier des Tages kam nun noch eine späte warme Mahlzeit auf den Tisch: herrlich majoranduftende Bratwürste mit Sauerkraut und frischgebackenem Brot.
Wohlig gesättigt, vom Punsch selig besäuselt ließ sich hernach ein jeder nur noch auf seinem angestammten Lieblingsplatz niedersinken und streckte in der Wärme genüßlich Arme und Beine von sich.
Wolken aus Vaters Tabakspfeife durchzogen gemächlich den Raum und vermischten sich mit Weihrauchgeruch und dem Aroma des Glühweins, der auf der heißen Ofenplatte in Bereitschaft stand; die Stube erhellt vom milden Glanz der Kerzen - was für ein Leben!
Wer natürlich den Hals gar nicht voll kriegen konnte, träumte jetzt schon von der knusprig gebratenen Gans mit Blaukraut und Klößen, die morgen auf dem Mittagstisch stehen würde.
Ach, warum konnte nicht öfters mal Weihnachten sein ...



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