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Der zerstreute Weihnachtsmann

© Sabine Liefke


"Wo ist sie nur? Ich habe sie doch hier irgendwo hin gelegt ... das verstehe ich nicht...", nervös und mit einem vor Anstrengung roten Kopf wühlte der Weihnachtsmann in den Unterlagen auf seinem Schreibtisch. Dort lagen hunderte, nein, tausende von Wunschzetteln mit Wünschen wie: einen roten Ball, einen gelben Bagger, ein großes Puppenhaus und viele, viele mehr. Alle diese Papiere hatte der Weihnachtsmann bereits bearbeitet, das heißt er hatte sich die Wünsche der Kinder angeschaut und entschieden, welches Geschenk sie bekamen. Dieses hatte er sich dann auf seiner Wunschliste notiert, um danach die Bestellung bei den Weihnachtsengeln aufzugeben. Doch diese besagte Wunschliste war nun fort und der Weihnachtsmann suchte und suchte, aber er fand sie nicht. "Hmm ... langsam wird die Zeit knapp, es sind nur noch fünf Wochen bis Weihnachten. Wenn nicht bald die Geschenke bestellt werden, fällt die Bescherung dieses Jahr aus und alle Kinder werden sehr traurig sein!" Der Weihnachtsmann kratzte sich am Kopf, um besser überlegen zu können. Dabei verrutschte seine schöne rote Mütze, die er niemals ablegte. Noch nicht einmal, wenn er schlafen ging. Vielleicht sollte er erst mal den Schneeengeln Bescheid geben, dass sie mit der Eis- und Schneeproduktion beginnen sollen. Vor ein paar Jahren hatte er das vergessen und als es Weihnachtsabend war und er in seinen Rentierschlitten stieg, bemerkte er, dass auf der Erde gar kein Schnee lag. Das durfte nicht noch einmal passieren. Also nahm er Stift und Papier und schrieb eine kurze Nachricht an die Schneeengel. Dann pfiff der Weihnachtsmann zweimal laut und einen Moment später erschien ein Eichhörnchen an seinem Fenster. Das kleine Tier trug einen gelben Schal und hatte eine grüne Mütze auf dem Kopf, damit es nicht fror. Der Weihnachtsmann überreichte dem Nager das zusammengerollte Papier: "Hallo Peppy, hier ist eine Nachricht für die Schneeengel. Und was ich noch fragen wollte: Hast du meine Wunschliste gesehen?" Peppy schüttelte den Kopf und verschwand wieder. "Frag auch die anderen!", rief der Weihnachtsmann hinterher. Die Eichhörnchen waren hier im Weihnachtsland die Nachrichtenüberbringer und bekannt für ihre Schnelligkeit. "Wunderbar!", sagte sich der Weihnachtsmann. "Das wäre erledigt. Nun zu meinem Schlitten. Ich muss schauen, ob er in Ordnung und sauber ist. Ob das Zaumzeug und die Glöckchen poliert und ob die Rentiere gut versorgt sind. Ja, ich werde jetzt zum Stall gehen. Vielleicht finde ich dort auch meine Wunschliste." Gesagt, getan. Der Weihnachtsmann zog seinen dicken roten Mantel und die warmen schwarzen Stiefel an und trat aus seinem Häuschen. Im Weihnachtsland lag immer Schnee, egal zu welcher Jahreszeit. Die vielen schneebedeckten Tannenbäume glitzerten im schwachen Sonnenschein und die Eiszapfen an den verschiedenen Gebäuden der Weihnachtsengel schimmerten wie Diamanten. Um das Häuschen des Weihnachtsmannes herum standen die Werkstätten, in denen die Geschenke für die Kinder hergestellt wurden. Die Schneiderei, Tischlerei, Töpferei, die Bäckerei und das Atelier, wo alles bunt bemalt wurde. Der Stall mit den Rentieren und dem großen Schlitten lag ein wenig weiter weg, damit die Tiere ihre Ruhe und viel Platz hatten. Summend machte sich der Weihnachtsmann auf den Weg. Der Schnee knirschte bei jedem Schritt. Die Luft war erfüllt mit Geräuschen aus den Werkstätten: Hämmern, Sägen, Zischen, Klappern, Ratschen und Tackern. Der Geruch aus den Öfen der Bäckerei war verführerisch. Der Weihnachtsmann liebte diese Zeit ganz besonders. Obwohl immer etwas zu tun war, gab es nur im November und Dezember diesen leckeren Duft nach Plätzchen. Das ganze Jahr über wurde Spielzeug hergestellt, um die Kinder zu überraschen, die keinen Wunschzettel geschrieben hatten. Auch diese Kinder sollten beschert werden. Die Bäckerei hingegen war nur im November und in der Adventszeit in Betrieb. Und wenn der Weihnachtsmann mit der Wunschliste in die Werkstätten kam, war danach Hochbetrieb angesagt, denn man hatte nur vier Wochen Zeit, um die Wünsche der Kinder zu erfüllen.
Im Stall roch es nach Fell und frischem Heu. Es war schön warm und einige Rentiere standen im Streu und fraßen, andere schliefen und ein paar waren auch draußen und liefen durch den Schnee. "Wunderbar, hier ist ja alles in Ordnung. Eure Augen leuchten und ihr seht glücklich aus. Freut ihr euch auf den Weihnachtsabend?", fragte der Weihnachtsmann in die Runde. Ein Röhren und Kopfnicken war die Antwort. Zufrieden ging er weiter um nach dem Schlitten zu schauen. Der große rote Wagen stand in einer Ecke und sah blitzblank aus. "Also waren die Putzengel schon da. Wunderbar!" Vorsichtig nahm der Weihnachtsmann das silberne Zaumzeug in seine großen Hände und bewunderte die vielen kleinen Glöckchen. Wieder murmelte er: "Wunderbar!" Dann legte er es weg und suchte nach seiner Wunschliste. Aber hier im Stall fand er sie nicht. Und auch die Rentiere hatten sie nirgendwo gesehen. Enttäuscht ging der Weihnachtsmann zurück zu den Werkstätten. Vielleicht war die Liste ja in der Schneiderei gelandet.
Die Schneiderei war ein rot angestrichenes Holzhäuschen mit grünen Dachschindeln und mit Efeu umrankten Fenstern. Gebückt trat der Weihnachtsmann in die warme Stube und schaute sich um. Überall lagen Stoffe und Garne, Scheren und Nadeln. Ein Haufen mit Hosen in allen Farben und Größen, sowie Haufen mit Schals und Mützen, T-Shirts und Pullovern. Dazwischen wuselten die Engel mit ihren flinken Fingern, dass einem regelrecht schwindelig wurde. Zufrieden nickte der Weihnachtsmann:" Wunderbar! Ihr seid sehr fleißig, das freut mich." Mit leuchtenden Augen sahen die Engel kurz zu ihm hin, nickten dankbar und waren sofort wieder mit ihrer Arbeit beschäftigt. "Habt ihr hier zufällig meine Wunschliste gesehen? Ich vermisse sie seit heute morgen", fragte er in die Runde, aber die einzige Antwort war ein allgemeines Kopfschütteln. "Hmm, dann muss ich halt noch weiter suchen." Nachdenklich trat der Weihnachtsmann wieder nach draußen und machte sich auf den Weg zur Tischlerei. Vor dem recht langen Gebäude lagen Holzbretterhaufen, die noch für die verschiedenen Spielzeuge zurechtgesägt werden mussten. Man konnte kaum die Eingangstür erkennen, so viele Bretter lehnten an der Wand. Doch der Weihnachtsmann war schon so oft hier, dass er keine Probleme hatte, die Tür zu finden. Schnaufend betrat er die Werkstatt. Abermals schaute er sich um. Sein Blick fiel auf Holztiere, die man hinter sich herziehen konnte, auf Brettspiele mit niedlichen Spielfiguren, auf Holzkreisel, verschiedene Figuren und Tiere für einen Bauernhof, auf Kaufläden und vieles, vieles mehr. Der Weihnachtsmann atmete den Duft von Sägespänen und Leim ein. Zufrieden lächelte er: "Ihr seid wahre Meister, das Spielzeug sieht wunderbar aus. Ach, was ich noch fragen wollte. Habt ihr meine Wunschliste gesehen? Sie ist fort und ich kann sie nicht finden." Die Engel, die in der Werkstatt beschäftigt waren, schauten auf und verneinten. Auch sie hatten die Liste nirgendwo gesehen.
Wieder machte sich der Weihnachtsmann auf den Weg, diesmal zum Atelier. Dort war alles voller Farbkleckse, selbst auf den Wänden. Man konnte schon von draußen sehen, dass dort alles seine Farbe bekam. Der Weihnachtsmann trat in das Holzhäuschen und stand auch direkt in einem frischen Farbklecks. Er rümpfte seine Nase und brummte etwas vor sich hin. Sofort eilte einer der Engel mit einem Tuch herbei und wischte dem Weihnachtsmann die Stiefel wieder sauber. Erleichtert schaute er sich um. Hier waren sämtliche Spielzeuge aus der Tischlerei und Töpferei, um bunt bemalt zu werden. Das Atelier war deswegen auch das größte Gebäude, denn hier wurde so viel bearbeitet, dass es aus allen Nähten platzte. "Habt ihr fleißigen Engel meine Wunschliste gesehen?", fragte der Weihnachtsmann, doch wieder war nur ein Kopfschütteln die Antwort. Auch im Atelier war die Liste nicht.
Jetzt wurde es wirklich eng. Wo konnte dieses elende Papier nur sein? Vorsichtig drehte sich der Weihnachtsmann um und trat ins Freie. Er atmete tief durch um den Geruch von Farben aus der Nase zu bekommen. Da bemerkte er einen anderen, viel angenehmeren Duft. Er kam aus der Weihnachtsbäckerei. Es roch nach Plätzchen, Christstollen und frischem Brot. Automatisch zog es den Weihnachtsmann in diese Richtung. Sein Magen brummelte und jetzt merkte er erst einmal, dass er seit dem Morgen nichts mehr gegessen hatte und nun war es schon Mittag. Sein Schritt wurde schneller, doch als er an der Töpferei vorbei kam, schaute er noch kurz hinein, um zu fragen, ob seine Wunschliste nicht hier gelandet war. Er zwängt sich zwischen die großen Regale mit Schüsseln, Krügen und Figuren und klopfte an das Fenster. Ein Engel öffnete und blickte den Weihnachtsmann fragend an. "Habt ihr meine Wunschliste gesehen? Ich suche sie schon seit dem Morgen." Der Engel drehte sich um, um nachzuschauen, aber wieder hatte niemand die Liste gesehen.
Hungrig machte der Weihnachtsmann kehrt und lief das letzte Stück zur Bäckerei. Er betrat die Backstube und sog den Duft tief ein. Riesige Tabletts mit Plätzchen und Spekulatius, Makronen und Lebkuchen lagen auf Tischen und in Regalen. Im Ofen buken mehrere Laibe Brot und in großen Schüsseln ruhte der Teig für die Christstollen. Es gab kleine Schüsseln mit Rosinen, Zuckerperlen, Schokoladenstreuseln, Zuckerguss und einiges mehr, um die Plätzchen und Küchlein schön zu machen. "Hmm, wunderbar riecht es hier. Seid so gut und reicht mir eine Scheibe frisches Brot und ein Stück Christstollen.", bat der Weihnachtsmann und sofort brachte ein Engel das gewünschte Mahl. Genüsslich schmatzend verzehrte der Weihnachtsmann alles bis auf den letzten Krümel. Zufrieden lehnte er sich zurück: "Wunderbar! Wunderbar! Das war sehr lecker. Die Kinder sind zu beneiden." Die Engel grinsten erfreut, denn sie wussten, was für eine Naschkatze der Weihnachtsmann war. Einer der Engel, er hatte ein paar Mehlflecken im Gesicht, fragte den Weihnachtsmann wie es mit den Vorbereitungen für die Bescherung aussah. Prompt fiel dem Weihnachtsmann wieder ein, dass ihm seine Wunschliste abhanden gekommen war und so berichtete er wie er den ganzen Morgen nach der Liste gesucht hatte. Der Engel sah den Weihnachtsmann entgeistert an, dann fing er furchtbar an zu lachen. Auch die anderen Engel schüttelten sich und prusteten vor Freude. Der Weihnachtsmann schaute sie ganz verdattert an und fragte: "Ist das so lustig? Ich glaube nicht, dass sich die Kinder freuen, wenn die Bescherung dieses Jahr ausfällt." Der Engel mit den Mehlflecken wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln und sprach: "Schau doch mal unter deiner Mütze nach. Du hast die Wunschliste selbst dort verstaut. Du wolltest nicht, dass sie schmutzig wird, als du uns vorgestern geholfen hast, die Plätzchen zu verzieren." Der Weihnachtsmann strahlte über das ganze Gesicht. "Wunderbar! Das hatte ich ganz vergessen!" Er holte die Liste unter seiner Mütze hervor und schwang sie durch die Luft. "Hurra, Weihnachten ist gerettet!"


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