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Die Umarmung

© Simone Ghin-Hilkenbach


Die schwere Haustür schnappte leise hinter ihr ins Schloss. Theresa hoffte inständig dass sie sie nicht gehört hatten. Sie wollte möglichst unbemerkt bleiben. Aus diesem Grund hatte sie für ihr Vorhaben auch den Vorweihnachtsabend gewählt. Heute war ein jeder geschäftig und in die Vorbereitungen für das Fest vertieft. So bemerkte niemand was um ihn herum geschah. Nicht das Theresa sich ihrer Liebe zu Herrn Anton schämte, nein, so war es gewiss nicht. Aber man wusste ja nur zu gut wie die jungen Leute so waren. Wohlmöglich hielten sie Theresa für verrückt, weil sie bei der Kälte das warme Haus verließ. Soeben hatte es begonnen wieder heftig zu schneien. Oder sie würden versuchen sie von ihrem Plan abzuhalten. Schlimmstenfalls jedoch würden sie ihr einfach verbieten zu gehen. Natürlich nur aus Rücksicht auf ihre Gesundheit .Die Kinder hatten nun einmal kein Verständnis für eine alte Dame. Und an diesem Abend wollte Theresa sich ganz und gar nicht wie eine Dame benehmen. Sie liebte ihn schon sehr lange. Bei diesem Gedanken drückte sie das Päckchen fest an ihren Körper .Es war ein Geschenk Sie trug es unter ihrem Mantel, um es vor dem Schnee zu schützen. Gewiss, Herr Anton erwiderte ihre Gefühle. Aber er würde sich einer Dame wie ihr nie nähern. Dafür war er zu anständig. So konnte er natürlich auch nicht ahnen, wie sehr sie sich nach seiner Liebe sehnte. Jeden Tag zur gleichen Stunde begegnete sie ihm. Theresa machte ihren üblichen Spaziergang und setze sich dann zu ihm in den Park. Sie wusste, dass er dann schon auf sie wartete. Meist sprachen sie nur wenig miteinander. Es genügte zufriedene Blicke auszutauschen. Doch hin und wieder schüttete Theresa ihm auch ihr Herz aus. Sie erzählte ihm dann vor allem von den Kindern, die langsam so fremd und unverständlich wurden. .Oder von Frau Hans .Frau Hans war eine ganz unangenehme Zeitgenössin. Sie wohnte im Haus nebenan und es entging ihr zu keiner Tageszeit auch nur das Geringste. Glücklicher Weise war Frau Hans über die Feiertage nach Frankfurt zu ihrer Nichte gereist. ge Tage Ruhe vor ihr. Und da war da noch Doktor Wilhelm. Oh, ja der Doktor war ein sehr ansehnlicher Mann. Er behandelte Theresa schon seit einigen Jahren. Als ihr Herman plötzlich von ihr geschieden war, bemühte sich Doktor Wilhelm ganz besonders um sie .Er sagt Theresa habe ein starkes Herz. Sie wusste das nur zu gut. Aber der Doktor hatte kein Format. Er war nicht wie ihr Herr Anton. Wenn sie Herrn Anton in die Augen sah, konnte es durchaus passieren, dass ihr starkes Herz verrückt spielte, Und wie liebte sie diese Stunden mit ihm .Er konnte so wundervoll zuhören. Wer hörte einem denn heutzutage noch zu? Herr Anton war sehr aufmerksam. Hin und wieder zog er die buschigen Augenbrauen hoch und lachte verschmitzt. Wenn er sich um sie sorgte, dann fiel seine Stirn in dicke Falten. Doch nie sprach er über sich. Theresa hatte nur beobachtet dass er einsam war. Es schien auch niemand seine Kleidung zu richten .Und vor einigen Tagen hatte sie bemerkt das er fror. Er war nicht ungepflegt, nein, das fand sie nicht. Im Gegenteil. Es war wohl nur der Schnee der ihm so zusetzte. Er machte ihn alt. Im Sommer hatte Herr Anton immer so heiter ausgesehen. Aber jetzt im Winter hatte er es schwer. Aus diesem Grund hatte Theresa ihm einen dicken Schal gestrickt. Er war braun und wurde sicher prächtig zu dem bronzefarbenen Anzug passen. Warum er auch nie einen Mantel trug? Herr Anton war wohl sehr stolz und Theresa hoffte, dass sie ihm mit dem Schal nicht zu nahe treten würde. Sie wollte ihn nicht verletzen. Denn heute war der Tag, an dem Theresa ihm ihre Liebe gestehen wollte. Sie konnte schließlich nicht ewig darauf warten, dass er ihr ein Zeichen gab. Nein, als Frau musste man bisweilen Initiative zeigen. Wo wären wir denn gelandet, wenn wir immer auf ein Zeichen der Männer gewartet hätten. Sie war fest entschlossen. An Nachmittag hatte sie ihn um ein Treffen gebeten .Sie wollte mit ihm alleine sein. Je mehr Theresa sich nun dem Park näherte, um so mehr zitterten ihre Knie .Es war sicher nicht die Kälte der Vollmondnacht,
Eine frische Schneedecke lag auf den Straßen der kleinen Stadt. Der Schnee glitzerte im Licht des Mondes und vor ihr lag der weiße Park. Er sah so friedlich aus, doch Theresa glühte vor Erregung. Sie konnte Herrn Anton schon von weitem sehen. Er wartete an ihrem Platz. Dies war eine der wichtigsten Stunden in Theresa Leben und sie wollte nur keinen Fehler machen. Sie zwang sich ihre Schritte zu verlangsamen, während sie auf ihn zuging. Er wartete wohl schon länger, denn seine Schultern und sein Hut waren mit Schnee bedeckt. Wie sie ihn so stehen sah, auf den Stock gestützt und dennoch voller Größe und Anmut, überkam Theresa ein Gefühl unendlicher Zärtlichkeit und Liebe. Leichtfüßig kletterte sie auf den Sockel und baute sich vor ihm auf. Sie holte das Geschenk unter ihrem Mantel hervor und zerriss das Seidenpapier. Dann legte sie den Schal um den bronzenen Hals und band ihn sorgfältig zu .Liebevoll strich sie ihrem Herrn Anton den Schnee von Hut und Schultern .Der Mann fühlte sich eiskalt an. Obwohl er um einiges größer war als Theresa, schlang sie ihre Arme um seinen Körper um ihn zu wärmen. Wie sie ihn so an sich drückte, fühlte sie wie ihre Wärme in ihn überströmte. Sie presste ihren Kopf an seine Brust, hörte einen leisen Herzschlag. Langsam und sehr zaghaft erwiderte er ihre Umarmung. Theresa hatte weiß Gott Geduld mit ihm gehabt. Und wie er ihr nun leise ins Ohr hauchte: "Ich verehre Sie", glaubte sie, vor Glück zu sterben.


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