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Eine ungewöhnliche Nacht

© Marena Stumpf


Nach Feierabend wurde es im Kaufhaus mucksmäuschenstill. Nur die Notbeleuchtung brannte noch in der Spielwarenabteilung und warf einen schwachen Lichtstrahl auf den prachtvoll geschmückten Weihnachtsbaum. Plötzlich flüsterte eine tiefe Stimme: "Gabriel, was treibst du da? Der ganze Baum wackelt schon."
"Nichts", antwortete der Rauschgoldengel, der oben auf der Baumspitze thronte. Gabriel reckte und dehnte sich. Vorsichtig bewegte er seine zarten, durchsichtigen Flügel und schwebte leicht wie eine Feder durch den Raum.
"Bist du von allen guten Geistern verlassen?", tadelte ihn der Weihnachtsmann, der zwei Zweige tiefer hing. "Willst du uns alle in Schwierigkeiten bringen?"
"Pst, pst, Santa Claus! Du weckst mit deinem Geschimpfe noch die anderen Figuren auf. Ich bin vom langen Stehen ganz steif geworden und muss mich ein bisschen bewegen", versuchte Gabriel seinen kleinen Ausflug zu rechtfertigen.
"Ja, hier Steiff! Wer hat uns gerufen?", brummten die weißen kuscheligen Eisbären mit dem Knopf im Ohr.
Der kleine Trommler, der noch etwas tiefer hing, öffnete nun auch seine Augen. Er hob seine Arme und begann mit voller Kraft zu trommeln.
Der Teddy fuhr erschreckt zusammen. Er riss seine Trompete hoch und blies kräftig hinein.
Jetzt wurde Familie Lebkuchen auch putzmunter und sie erkundigten sich von der anderen Seite des Baumes, was geschehen war.
"Toll! Echt toll! Jetzt habt ihr es endlich geschafft, alle Figuren sind aufgewacht!", schimpfte Gabriel mit dem Teddy und dem Trommler.
Verärgert schüttelte der Weihnachtsmann seinen Kopf. "Na, na, ihr sollt euch doch vertragen. Es ist Weihnachten, das Fest der Liebe und Besinnlichkeit."
Die grünen Nussknacker klapperten wortlos mit ihren Mündern im Takt, bis sie zu stottern anfingen: "E-e-es i-i-ist d-doch das Hei-hei-heilige Fest, wo, wo sich alle M-Men-schen ver-vertragen sol-len."
Das Holzschaukelpferd fing an zu wippen und wieherte. "Vertragen, vertragen! In ein paar Wochen landen wir wieder bis zum nächsten Jahr in den dunklen Kisten. Habt ihr das schon vergessen?"
"Ach, wie furchtbar, daran möchte ich überhaupt nicht erinnert werden", hauchte die kleine Elfe, in ihrem silbernen dünnen Kleidchen. Es ist so schön hier draußen. Am Tage können wir die Menschen beobachten, wie sie das ganze Spielzeug ausprobieren und es dann unentschlossen wieder ins Regal zurück stellen. Habt ihr mal in die strahlenden Kinderaugen geschaut? Insgeheim fragen sie sich, was ihnen der Weihnachtsmann bringen wird. Kommt ihr Lieben, lasst uns nicht streiten. Heute ist unsere magische Nacht, lasst uns etwas Schönes erleben."
Mit einem Satz sprangen die Weihnachtsbaumfiguren vom Baum und redeten aufgeregt durcheinander.
"Ho, ho, ho", rief ihnen der Weihnachtsmann warnend hinterher. Macht nicht solchen Lärm! Vergesst nicht, wenn ihr von einem Menschen entdeckt werdet, dann sind eure magischen Kräfte für immer verloren."
Schnurstracks wackelte Familie Lebkuchen in die Puppenküche, die sie vom Baum aus gesehen hatten. "Oh, das ist eine schöne Spielküche, hier könnten wir noch ganz viele kleine Lebkuchenkinder backen", schwärmte Frau Lebkuchen ihrem Mann vor. Doch er hatte nur Augen für die Werkbank, die gleich nebenan stand. Sofort begann er zu hämmern und zu sägen.
Der Trommler und der Teddy, kletterten auf den Turm der schwarzen Burg. Von hier aus hatten sie eine gute Aussicht und sie fühlten sich mächtig stark. Teddy schmetterte eine Fanfare, dass die Wände wackelten. Die Ritter wachten auf und rannten aufgescheucht durcheinander. Sie glaubten an einen Überfall und versuchten mit aller Gewalt, ihren Turm zurück zu erobern.
Die Eisbären tapsten ungeschickt durch die Gegend und rissen eine aufgestellte Feuerwehr um. Ta-tü-ta-ta heulte die Sirene los. Baby Annabell wurde aus dem Schlaf gerissen und fing fürchterlich zu schreien an.
Winni Pooh trieb lautstark die kleine grüne Schildkröte unter sich an und klatschte voller Freude in beide Pfoten.
Gelangweilt verließ das Zebra, der Löwe, die Giraffe, der Elefant, die Kuh, die Ziege und das Schaf die Arche Noah. Sie freuten sich in Freiheit zu sein. Noah rief ihnen hinterher: "Kommt schnell zurück, das geht nicht gut. Ihr gehört hierher auf das Schiff, ihr dürft nicht weg laufen. Doch die Tiere nahmen keine Notiz von ihm und trotteten in alle Richtungen. Der Löwe brüllte: "Hier lang, hier geht es zum Bauernhof. Hier ist bestimmt mehr los als bei uns auf der Arche."
Gabriel empfand das alles als Kinderkram. Er setzte sich in Cinderellas Kutsche und lies sich von Brietta, dem fliegenden Pferd, durch die Abteilung ziehen. Erhaben winkte er allen Puppen zu und fühlte sich wie ein Prinz. Immer wilder spornte er Brietta an und schrie vor Begeisterung: "Hü-a, galoppiii, los, schneller!" Das arme Pferd schnaufte und war schon ganz außer Puste, als es über den blank polierten Schuh des Wachmanns galoppierte. Die Kutsche raste auf zwei Rädern um die Ecke und kippte mit lautem Gepolter um.
Neugierig reckte der Weihnachtsmann seinen Kopf nach vorne und entdeckte an der Tür den Wachmann, der nachts nach dem Rechten sah. "Hoffentlich schaltet er nicht das große Licht an", dachte er.
"Was ist denn hier los?", brüllte Herr Kunze erschreckt und schaltete schnell die Deckenbeleuchtung ein. Verdattert fasste er sich an die Stirn. Er vermutete, dass sich heimlich Kinder eingeschlichen hatten. Aufmerksam suchte er jeden Winkel ab, doch er konnte nichts Außergewöhnliches feststellen. Herr Kunze hob das Spielzeug auf und stellte alles wieder ordentlich an seinen Platz zurück. Als er am Weihnachtsbaum vorbei ging, bemerkte er den fehlenden Engel, den er jeden Abend bei seinem Rundgang bewundert hatte. Verständnislos schüttelte er seinen Kopf. "Das darf doch wohl nicht wahr sein! Wer zum Kuckuck hat den schönen Rauschgoldengel stibitzt?", murmelte er ungehalten. Nachdenklich lief er weiter. Auf dem Rückweg entdeckte er unter einem Regal, das fliegende Pferd samt rosafarbener Kutsche. Zu seinem großen Erstaunen saß sein hübscher Engel darin und lächelte ihn glücklich an.
"Engelchen, wie bist du denn hierher gekommen?", fragte der Wachmann überrascht und befreite Gabriel aus seiner misslichen Lage. Vorsichtig stellte er den etwas verbeulten Engel zurück auf die Weihnachtsbaumspitze. Zufrieden ging er zur Hintertreppe, schaltete die Deckenbeleuchtung wieder aus und verschwand.
"Wo steckt ihr alle?", fragte der Weihnachtsmann in die Dunkelheit hinein.
Die kleine Elfe lugte ängstlich aus ihrem Versteck hervor und als sie niemanden sah, flog sie flink zum Baum hinüber. Eiligst verließen auch Teddy und der Trommler den Ritterturm. Vergnügt kletterten sie auf ihre Tannenzweige zurück.
"Puh, das war knapp", sagte Herr Lebkuchen zu seiner Frau und half ihr geschwind auf den Baum.
Noch lange tuschelten und kicherten die Weihnachtsbaumfiguren über diese ungewöhnliche Nacht.


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