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Der Weihnachtsgeist

© Brigitte Aehnelt


Es war stockdunkel draußen. Der Mond versteckte sich hinter einer Wolke. Unruhig warf sich Benjamin im Bett hin und her. Noch hielt ihn der Schlaf fest, wurde nun langsam von einer Unruhe vertrieben. Die zwickte erst an dem einen großen Zeh, dann krabbelte sie durch das andere Bein. Benjamin zappelte mit den Beinen, blinzelte mit den Augen, verschloss sie wieder vor der Dunkelheit. Die Unruhe wanderte zum Kopf hinauf, zwickte an den Ohren. Endlich war Benjamin wach. Er rekelte sich, blinzelte erneut in die Dunkelheit. Plötzlich sprang er aus dem Bett, vergaß sogar die Nachttischlampe einzuschalten. Leise schlich er zum Flur. Das Schlafzimmer der Eltern war noch dunkel. Kein Lichtschein kroch unter der Tür hindurch. Heute war Nikolaustag. Benjamins Unruhe trieb ihn zu seinem Stiefel. Gestern putzte er diesen ohne Aufforderung und freute sich, dass seine Füße von Jahr zu Jahr wuchsen und die Stiefel immer größer wurden. Leider landete Schuhcreme dabei auf seinem Shirt. Er wollte mit der Mutter keinen Ärger bekommen. So versteckte er es lieber hinter dem Schrank.
Mit dem gefüllten Stiefel schlich er in sein Zimmer zurück. Im Licht der kleinen Nachttischlampe sortierte er die Geschenke. Ein neuer Füllfederhalter für die Schule. Na gut, der alte schrieb nicht mehr besonders. Bunte Filzstifte zum Malen und dazu noch ein Malheft, das gefiel Benjamin schon eher. Die Schokolade musste er gleich verkosten. Dann entdeckte er ein kleines Stoffpüppchen, gekleidet wie ein Weihnachtsmann mit langem, weißen Bart und rotem Mäntelchen. Verwundert betrachtete Benjamin diese Stoffpuppe. Was sollte er damit? Er spielte nicht mit Puppen. Lieber hätte er das neue Computerspiel. Das fand er nicht in seinem Stiefel. Es war ja auch ziemlich teuer. Schade. Wütend warf er die Puppe in die Ecke. "Aua, das tut aber weh!", hörte Benjamin eine Stimme. Erschrocken ließ er den Stiefel fallen und kroch unter die Bettdecke. Als es im Zimmer ruhig blieb, schaute er vorsichtig unter der Bettdecke wieder hervor. "He, du bist ja ein Angsthase. Benni hat Angst vor einer kleinen Puppe." Sofort verschwand Benjamins Kopf wieder unter der Decke. Schweißgebadet überlegte er, was er nun tun könnte, wollte nach Mama und Papa rufen. Da wurde an der Bettdecke gezogen. Endlich, die Mama war da. Erleichtert schob Benjamin die Decke zur Seite. Aber es war nicht Mama. Auf der Bettkante saß die Weihnachtsmannpuppe und blickte Benjamin mit fröhlichen Augen an: "Nun mach dir mal vor Angst nicht in die Hosen. So klein wie ich bin, kann ich für dich doch nicht gefährlich sein. Du spielst zu viele blöde Computerspiele. Da musst du ja zum Angsthasen werden. Darf ich mich vorstellen? Niko einfach wie Nikolaus." Die Puppe auf der Bettkante verbeugte sich. Benjamin fühlte, wie die Röte in seinen Kopf schoss und stotterte: "Du bist doch nur eine Stoffpuppe. Wieso kannst du sprechen?" "Bestimmt nicht weil ich deinen Computerspielen entsprungen bin. Da gibt es nämlich so nette Kerlchen wie mich überhaupt nicht. Mein großer Meister schickte mich, damit die aufregende Adventszeit schneller vergeht. Ja, und dann gibt es da noch einige Macken bei dir. Aber lieber nicht alles auf einmal."
Auf dem Flur waren Schritte zu hören. Blitzschnell verschwand Niko unter dem Bett. Die Mutter öffnete die Tür und wunderte sich, wie wach Benjamin bereits war. Als er von der Puppe erzählte, tröstete sie ihn, dass er wohl geträumt hätte.
Langsam gewöhnte Benjamin sich an Niko. Aber es begann eine unruhige Zeit. So sah die Puppe nicht ein, warum sie stundenlang seinen Computerspielen zusehen sollte. Laufend redete Niko dazwischen und drückte irgendwelche Tasten. Genervt gab Benjamin auf. Niko wollte hinaus in das Schneegestöber, einen Schneemann bauen oder rodeln. Eigentlich war es Benjamin zu kalt. Das wollte er aber nicht zugeben. Tapfer zog er sich warm an, steckte Niko in die Jackentasche. Missmutig trottete er zum Rodelberg. Viele Kinder waren dort, und alle jagten den Hang abwärts und rannten wieder hinauf. Erneut begann die sausende Fahrt. Benjamin mittenmang. Er spürte keine Kälte mehr. Niko jauchzte begeistert in seiner Jackentasche. Erst als die Dämmerung heraufzog, liefen sie nach Haus. Natürlich verabredete Benjamin sich für den nächsten Tag erneut mit seinen neuen Freunden. Die Mutter freute sich über seine gesunde Gesichtsfarbe. Für den Computer war Benjamin viel zu müde. Tief und fest schlief er in der Nacht.
Niko, versteckt im Ranzen, ging mit Benjamin zur Schule. Nachmittags tobten sie im Schnee. Der Computer staubte ein. Dann kam dieser schreckliche Tag. Schneegestöber wirbelte durch den Vormittag. Endlich blinzelte die Sonne hinter der Wolkenwand hervor. Niko überzeugte Benjamin zum Schneemannbau. Gleich kamen Kinder aus der Nachbarschaft dazu und halfen fleißig mit. Die Kugeln wurden immer größer. Gemeinsam wuchteten sie diese aufeinander. Beim Kopf hoch oben half der Papa, der gerade von der Arbeit kam. Die Mutter spendierte noch die Möhre und einen alten Schal. Ein Junge holte den alten Hut von zu Haus. Vornehm sah der Schneemann aus. Begeistert bewunderten alle ihr Werk. Müde kehrten sie heim. Es war bereits dunkel. Benjamin zog die nassen Stiefel aus und warf die Jacke in die Flurecke. Das gab sofort Ärger mit der Mutter. Stöhnend hängte er diese auf den Haken. Dann schlurfte er zum Abendbrottisch, aß sogar ohne zu Murren gesunden Salat. Später wollte er Niko aus der Jackentasche holen, griff aber ins Leere. Suchend schaute er sich um. Nirgendwo war die Puppe zu sehen. Sollte Niko herausgesprungen sein und bereits im Kinderzimmer sitzen? Das ging aber eigentlich nicht. Die Tür war verschlossen und die Klinke für ihn viel zu hoch. Benjamin öffnete die Haustür und rief in die Dunkelheit hinaus. Es kam keine Antwort zurück. Die Mutter stand verärgert hinter ihm und schloss die Tür. Er erzählte, dass er Niko suchen müsste. Doch sie winkte nur ab und erklärte später dem Vater, dass mit Benjamin mal wieder die Fantasie durchgehe. Sie achtete darauf, dass er gründlich die Zähne putzte und dann ins Bett ging. Unter der Zudecke war es kuschelig warm. Draußen pfiff ein eisiger Wind. Müdigkeit kündigte sich an. Doch Benjamin musste an Niko denken, der irgendwo da draußen fror. Er war doch sein Freund. Und einen Freund lässt man nicht im Stich. Benjamin verließ das warme Bett, schlich im Schlafanzug durch den Flur. Im Wohnzimmer lief der Fernseher. Die Eltern bemerkten nichts. Er zog die Stiefel und Jacke an. Dann ging er in die Dunkelheit hinaus. Vor Kälte klapperten seine Zähne. Gänsehaut breitete sich aus. Doch Benjamin leuchtete tapfer weiter mit der Taschenlampe alles rund um den Schneemann ab. Nur keine Angst vor der Dunkelheit haben. Immer wieder rief er nach Niko. War nicht eine leise Stimme zu hören? Benjamin nahm den Hut des Schneemanns ab. Dort hockte zitternd der Gesuchte. Benjamin fiel ein Stein vom Herzen: "Endlich habe ich dich gefunden. Schnell ins warme Bett. Ich bin selber schon ein Eiszapfen. Das darf nie wieder passieren." Später unter der Zudecke bibberten beide um die Wette, bis der Schlaf sie übermannte. Benjamin war froh, seinen Freund wieder an der Seite zu haben.
Heiligabend war heran. Im Haus duftete es lecker. Die Gans brutzelte im Küchenherd. Mutter sang alle Weihnachtslieder mit, und der Vater kämpfte mit dem Tannenbaum. Benjamin war ganz aufgeregt, packte seine Basteleien für die Eltern ein. Niko wirkte sehr ruhig, sogar seltsam still. Erst bemerkte Benjamin das bei seiner Aufregung nicht. Er redete für zwei. Die Mutter schaute mehrmals ins Kinderzimmer und fragte, mit wem er denn rede. Benjamin lachte nur und blinzelte verschwörerisch die Weihnachtsmannpuppe an. Endlich läutete der Vater mit der Glocke. Es war Zeit, den Weihnachtssack zu öffnen. Benjamin griff zu Niko. Doch der schüttelte den Kopf: "Warte einen Moment. Unsere Zeit ist abgelaufen. Mein großer Meister holt mich zurück." Entsetzt blieb Benjamin stehen: "Du kannst mich nicht verlassen, bist doch mein Freud." Nikos Stimme wurde immer leiser: "Du hast viele neue Freunde gefunden, die für dich wichtiger geworden sind, als deine Computerspiele. Ich bin jetzt nur noch eine Stoffpuppe. Tschüß, mein Freund." Er blinzelte noch einmal. Dann saß auf dem Nachttisch eine leblose Stoffpuppe. Benjamin holte tief Luft. Er wusste ja eigentlich, dass es so kommen würde. Doch hatte er diesen Gedanken verdrängt. Trotzdem steckte er die kleine Stoffpuppe in seine Hosentasche. Vielleicht bemerkte Niko doch etwas von seiner Weihnachtsfreude.


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