Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
Eingereicht am |
Eine schöne Bescherung© Steffen HaselmaierHeiligabend. Die Glocken der Kirchturmuhr hatten gerade viermal geschlagen. Nun saß Hartmut wirklich schon fast eine geschlagene Stunde an seinem Küchentisch und starrte den Adventskranz an. Goldgelb schimmerte der Widerschein der vier roten Kerzen an den weißen Wänden der dürftig eingerichteten Wohnküche. Die Dämmerung legte sich langsam wie ein dunkelblaues Tuch über die Stadt. Seine neue Wohnung war für ihn noch kein vertrauter Ort, an den er sich gerne aus dieser großen, fremden Stadt zurückgezogen hätte. Er tat sich schwer, hier neue Kontakte zu knüpfen. Hartmut lebte noch nicht allzu lange hier. Nach einer harten und langen Zeit ohne Arbeit war er froh, hier in der Ferne eine neue Stelle gefunden zu haben. Die wenigen Freunde, die er hatte, und seine Eltern musste er leider zurücklassen. Nun saß er hier. Weit weg von seiner gewohnten Umgebung. Weit weg von seiner Geborgenheit. Irgendwie war ihm überhaupt nicht weihnachtlich zumute. Der Adventskranz war das Einzige, was ihn an das Fest der Geburt Christi erinnerte. Er hoffte so sehr auf einen Anruf seiner Verwandten und wandte seinen Blick von dem Kranz weg, dem Telefon zu, in der stillen Hoffnung, dass es klingeln würde. Doch es blieb still. Mit einem lauten, schleifenden Geräusch schob Hartmut seinen Stuhl zurück und stand auf. Er ging behäbig zum Telefon und hielt sich den Hörer an sein Ohr. Zögernd tippten seine Finger die Nummern seiner Eltern. Warten. Die Stille wurde nur durch das gleichmäßige, monotone Tuten des Telefons durchbrochen. Nach einer Weile legte er enttäuscht auf und setzte sich traurig wieder an den Tisch zurück. "Wo sind die denn nur? Die können mich doch nicht vergessen haben?", dachte er. Die Fenster der Nachbarhäuser wurden immer mehr von zahlreichen Lichterketten und Weihnachtsbeleuchtungen erhellt. Doch aus seiner Wohnung drang kaum ein Lichtschein nach außen. Die Kerzen standen mittlerweile wie Orgelpfeifen auf dem Adventskranz. Aus dem Treppenhaus gelangte das reinste Stimmenwirrwarr in die Küche. Er versuchte etwas von dem Durcheinander aufzuschnappen, doch sie hatten sich schon zu weit entfernt und bald herrschte wieder Stille. "Bin ich denn jetzt ganz alleine in diesem Haus?", fragte er sich. Plötzlich, mit einem lauten und schrillen Klingeln, durchschnitt das Telefon die Stille. Hartmut sprang auf. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Krachend kippte der Stuhl zu Boden. Hastig riss er den Hörer hoch, drückte ihn fest an sein Ohr und meldete sich. Eine fremde Stimme sagte verdutzt: "Wer ist da? Oh, da muss ich mich wohl verwählt haben." "Das macht doch nichts", sagte Hartmut, froh darüber, mal eine Stimme zu hören. Doch es war schon aufgelegt. Schwermütig und niedergeschlagen schlurfte er an seinen Tisch. Beim Vorbeigehen machte er beiläufig das Radio an. Ruhige, beschauliche Musik erfüllte die Räume der Wohnung, welche aber seine Einsamkeit nur noch unterstrich. Eine Kerze war nun schon so weit herunter gebrannt, dass die Flamme dem trockenen Grün des Adventskranzes gefährlich nah kam. Hartmut holte kurz Luft und beugte sich zur Kerze, um sie auszublasen. Der graue, schwere Rauch stieg wie eine sich windende Schlange empor. Mit nur noch drei brennenden Kerzen wurde es in seiner Küche noch trostloser. Hartmut griff in eine Tüte staubiger Weihnachtskekse aus dem Supermarkt. Das helle Knistern des Zellophans mischte sich unter die besinnlichen Klänge des Radios. Plötzlich pochte es an der Tür. Hartmut stand zögernd auf, klopfte sich einige Krümel aus seinem Hemd und ging zur Tür. "Frau Gassmann", sagte er überrascht und schaute in das faltige Gesicht seiner betagten Nachbarin. "Entschuldigen Sie die Störung", sagte Frau Gassmann. "Hätten Sie mir vielleicht ein Päckchen Streichhölzer? Meine Tochter und ihr Mann kommen nämlich mit den Enkelkindern zu Besuch." Hartmut nickte nur kurz, holte die Zündhölzer und gab sie ihr. Trübselig schritt Hartmut in seiner Wohnung umher. Frau Gassmanns Besuch war vor kurzem mit lautem Getöse und Kindergeschrei das Treppenhaus heraufgestürmt. Aus den Wohnungen über und unter ihm hörte man, wie die Leute sich laut unterhielten, lachten und die verschiedensten Weihnachtslieder sangen. Da klopfte es abermals an der Türe. "Na was hat denn die alte Frau Gassmann denn noch vergessen?", murmelte Hartmut leise als er zur Türe ging. Er machte die Türe auf. "Na, Frau Gassmann, was ...", ihm blieben die Wörter im Halse stecken. Was er dort sah, konnte er fast nicht glauben. Ein dicker Kloß setzte sich in seinem Hals fest. Vor der Türe stand nicht seine in die Jahre gekommene Nachbarin, nein, vor der Türe standen seine Eltern und sogar seine Freunde. Sie alle hatten den langen Weg auf sich genommen, um den Abend mit ihm zu feiern. Vor Freude fielen sie sich in die Arme. Jeder hatte Tränen in den Augen. Das Jubeln war im ganzen Treppenhaus zuhören. Was für eine schöne Bescherung.
»»» Blog Weihnachtsgeschichten »»» Blog Weihnachtsmarkt »»» Blog Weihnachtsmuffel »»» Blog Weihnachtsgedichte »»» Blog Weihnachtsbuch »»» Blog Wintergedichte »»» Blog Wintergedichte »»» Blog Weihnachtsgedichte 1 »»» Blog Weihnachtsgedichte 2 |