Unser Buchtipp Weihnachtsgeschichten

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Eingereicht am
12. März 2007

Maria und Joseph

© Cornelia Koepsell

In einer Barockkirche entdeckt sie das Bild.

Die Jungfrau Maria im Moment kurz vor der unbefleckten Empfängnis. Die Augen verzückt, fast schon im Todeskrampf gen Himmel gerichtet, ein Lächeln auf den vollen Lippen, Pausbäckchen, in Pastellfarben gemalt zur Betonung der Unschuld. Die Wolken über ihr aufgerissen, um den Heiligen Geist hindurchzulassen. Ihr Blick lässt vermuten, sie weiß es schon, was für ein Flop daraus wird. Keine Ekstase, kein Abenteuer, keine Erotik, unbefleckt eben. Mit irgendwelchen Körperflüssigkeiten wird sie nicht in Berührung kommen. Der Heilige Geist wird in sie hinein- und wieder hinausfahren, nichts hat sie davon gehabt, außer dem, was er zurücklässt, der kleine, wachsende Jesus in ihrem schwellenden Leib.

Nebenbei muss sie den alternden Joseph versorgen, der sauer ist, weil er nicht daran glaubt, dass er der Verursacher des wachsenden Bauches ist.

Es funktioniert schon lange nicht mehr. Nur einmal, da hätte er es fast geschafft, seine Maria zu begatten und vielleicht - so tröstet er sich - ist Jesus das Ergebnis des halb gelungenen Versuches.

Maria dagegen, sie redet in Zungen von einem Heiligen Geist, der herabfuhr vom Himmel, mitten hinein in sie und Huiii, da war es passiert, was Joseph um so mehr davon überzeugt, dass eine Frau, die nicht mehr beschlafen wird, anfängt, den Verstand zu verlieren. Jedoch: er sagt es nicht, denn er ist ein guter Mann. Was kann Maria dafür, die so viel jüngere Frau, dass seine Manneskraft nachlässt. Mit dem Alter ist er gütiger geworden und sieht in den Frauen nicht - wie die meisten seiner Zeitgenossen - die Ursache allen Übels. Manchmal hilft er sogar, die schweren Wassereimer zu tragen trotz des Spottes ringsum.

"Der Joseph wird immer weibischer", so tuscheln sie hinter seinem Rücken.

Es ist ihm egal. Nur das Gerede vom Heiligen Geist beunruhigt ihn sehr. Joseph argwöhnt, dass Maria ihn mit einem der jungen kraftstrotzenden Kerle betrogen hat und diesen ungeheuren Frevel selbst vor sich selbst nicht eingestehen mag.

Um des lieben Friedens willen gibt er vor, an die unbefleckte Empfängnis zu glauben, obwohl allein der Begriff ihn stört. Heißt es doch nichts anderes, als dass die schönen Dinge, die er früher mit Maria und anderen Frauen getrieben hat, mit denen er sie und sich selbst beglückt hat, als ob das schmutzig und befleckt sei.

"Schon immer hat sie besonders heilig getan, die Maria", denkt er. "Vielleicht geht es deshalb nicht mehr. Rein körperlich bin ich doch völlig in Ordnung."

Nachts liegt sie da mit offenen Augen, starrt ins Dunkel und Joseph vermutet nicht zu Unrecht, dass sie an den Heiligen Geist denkt, von dem sie doch angeblich nichts gehabt hat.

Langsam wird es ihm zu dumm. In seinem Ärger geht Joseph zu anderen Frauen, lässt sich die Füße salben und manchmal auch mehr und siehe da: Es funktioniert.

Leider schrumpft durch diese Aktivitäten sein Geld zusammen, und als Maria demnächst niederkommen soll, da ist es alle.

So geschah es, dass sie in einem Stall gebären muss zwischen Ziegen und Schafen und Kuhscheiße, wie wenn sie es ausgleichen müsste, dass die Empfängnis unbefleckt, steril und rein war.

Der erste Geruch, der Jesus in die winzige Nase steigt, ist das Fell der Schafe, der Ziegen und der Kuhscheiße.

Rein instinktiv wurde er so zu einem besseren Menschen, verbunden mit anderen Lebewesen, mit Ställen und Hütten und Ziegen.

Joseph und Maria waren nun quitt und zogen den Jesus gemeinsam und friedlich auf.

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