Unser Buchtipp Weihnachtsgeschichten

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Eingereicht am
19. März 2007

'ne Weihnachtsgeschichte

© Björn Breitkreuz

Kapitel 1

Dies ist die Geschichte von Rasmus, dem kleinen Kodiakbären.

Rasmus war wirklich sehr klein. Und das war ungewöhnlich, denn Kodiakbären sind eigentlich die größten Bären überhaupt. Beheimatetet sind sie in Alaska. Sie gehören zu den Braunbären und sind, wie gesagt, normalerweise sehr groß.

Aber Rasmus war wirklich ziemlich klein, obwohl er schon ausgewachsen war. Und weil er so klein war, wurde er von den anderen Bären immerzu gehänselt. Doch das störte ihn gar nicht so sehr. Er war in Gefangenschaft aufgewachsen und fristete sein Leben als Zirkusbär. Doch die Leute wollten keinen kleinen Bären sehen. Sie wollten mächtige, furchterregende und gefährliche Tiere sehen.

Die meiste Zeit langweilte sich Rasmus in seinem ungemütlichen, mit etwas Stroh ausgelegtem Käfig, der draußen in der Kälte in der hintersten Reihe in unmittelbarer Nähe der Dixi-Toiletten für die Besucher zusammen mit den anderen Tieren stand, für die sich niemand mehr so richtig interessierte. Im Käfig nebenan langweilte sich beispielsweise Russel. Russel war ein uralter Löwe, der so überhaupt nichts Prächtiges mehr an sich hatte. Von wegen majestätisch, König des Dschungels und so. Seine Löwenmähne war zerzaust und verfilzt, und sein Fell glich einem abgetretenen Bettvorleger. Er döste die meiste Zeit über und sehnte sich nach den alten Zeiten, als er noch Angst und Schrecken unter Tieren und Menschen verbreitet hatte. Doch dann eines Tages kamen die Großwildjäger, fingen ihn ein und verkauften ihn an den Zoo. Er wurde als Attraktion vorgeführt, und er musste schwachsinnige Kunststückchen für die Menschen vorführen. Eine echte Schande. Das sagte er oft zu Rasmus.

Es war zur Weihnachtszeit, als der Zirkus in einer Kleinstadt in der Nähe der tschechischen Grenze gastierte. Der erhoffte große Besucherandrang blieb jedoch aus, so dass sich die meisten Tiere entsetzlich langweilten, da sie nichts zu tun hatten.

Der Wind blies scharf durch die Gitter der Käfige, und obwohl Rasmus ein dickes Fell hatte, so fror er doch mächtig. So gut es eben ging hatte er sich in das Stroh seines Käfigs eingemummelt und beobachtete gelangweilt das spärliche Treiben um sich herum. Am Nachmittag war eine Schulklasse zur Zirkusvorstellung da. Einige der Kinder kamen neugierig zu den Käfigen der Tiere. Sie waren furchtbar laut und nervten die Tiere, indem sie gegen die Gitterstäbe schlugen, um die trägen Tiere aufzuscheuchen.

Russel gähnte gelangweilt und Rasmus schloss die Augen für ein Nickerchen.

"Och, die sind ja langweilig. Die machen ja gar nichts. Und wie klein der Bär hier ist... das ist ja gar kein richtiger Bär", sagten die Kinder enttäuscht und verschwanden wieder. Rasmus beobachtete das Verschwinden der kleinen Nervsägen aus halb geöffneten Augen. "Verzieht euch bloß. Blödes Volk!", dachte der Bär bei sich.

Am frühen Abend machte der ständig besoffene Tierpfleger Horst seine Runde. Er sah flüchtig nach den Tieren und schmiss Futter in die Käfige.

Futter war eine Beschreibung, die eigentlich nicht zutraf. Alle Tiere waren sich einig, dass es der reinste Schweinefraß war.

Zusammengerührte Pampe, zähes Fleisch und so leckere Sachen wie Kartoffelschalen und altes hartes Brot. Der Löwe Russel hatte oft Probleme, diese Sachen zu fressen, da sein Gebiss auch nicht mehr das beste war.

Horst warf in einige Käfige noch etwas Stroh. Dazu musste er die Käfigtüren öffnen. Zwischendurch genehmigte er sich immer wieder einen ordentlichen Schluck aus seinem Flachmann, und fluchte über seine Arbeit in Selbstgesprächen.

Es war bereits dunkel und Horst legte auch noch Stroh in Rasmus' Käfig.

Froh, endlich mit seiner Arbeit für diesen Tag fertig zu sein brachte er die Schubkarre mit dem Stroh weg, um sich dann in seinen schäbigen kleinen Wohnwagen zurückzuziehen.

Die Abendvorstellung war vorbei und die Lichter waren bereits ausgeschaltet. Das Zirkuszelt lag als dunkle Silhouette im fahlen Mondlicht. Die Schausteller waren alle in ihren Wohnwagen verschwunden.

Rasmus richtete sich auf eine weitere kalte Nacht ein. Russel, der alte Löwe, schnarchte bereits. Seit dem Nachmittag fiel Schneeregen, der garstig von dem schneidenden Wind hin- und hergerissen wurde.

Zuerst bemerkte Rasmus nicht das leise Quietschen seiner Käfigtür. Der Wind übertönte es. Doch plötzlich stand die Tür offen. Horst musste vergessen haben, sie zu schließen.

Der kleine Bär hob den Kopf und starrte auf die Tür, die vom Wind immer auf und zugedrückt wurde. Dann ließ er den Kopf wieder auf seine Tatzen sinken, behielt aber weiter die Käfigtür in den Augen.

Rasmus überlegte. Dann überlegte er noch mal. Schließlich machte er 'Hmm'. Schließlich erhob er sich aus seinem Strohbett und dachte sich 'Ach, egal!' Er schob den Kopf vorsichtig durch die Öffnung um sich zu vergewissern, ob er auch unbeobachtet sei. Keiner da. Rasmus blickte einen kurzen Moment auf den schlafenden Löwen Russel.

"Mach es gut, alter Löwe", sagte der Bär leise, hopste dann aus seinem Käfigwagen und verschwand in der kalten Nacht.

Kapitel 2

Es war stockfinster. Keine Straßenlaternen oder vorbeifahrende Autos. Na ja, eine ordentliche Straße gab es hier sowieso nicht. Außerdem spendete das Mondlicht Rasmus genug Licht um zu sehen, wohin er trat.

Was für eine trostlose Gegend, dachte er.

Der Wind blies eisig den Schneeregen in das pelzige Gesicht des Bären.

Ganz schön unangenehm. Seine Nase begann zu laufen. Im Gehen senkte er seinen Kopf ein wenig, um den Wind nicht direkt abzubekommen.

In einiger Entfernung konnte Rasmus einige Lichter erkennen. Dort wollte er hin. Viele Möglichkeiten hatte er ja auch nicht. Mitten in der Nacht, an einem fremden Ort. Irgendwo musste er schließlich hin und einen Platz zum Schlafen finden. Außerdem hatte er Hunger.

So tapste er auf die Lichter zu.

Da plötzlich, inmitten des Windgeheuls, vernahm Rasmus ein Rascheln. Er blieb stehen und sah sich um. Nichts. Also weiter. Da! Schon wieder. Das Geräusch kam aus der unmittelbaren Nähe. Angestrengt spähte der Bär um sich herum. Und da sah er etwas, links von ihm am Wegesrand. Ein Igel.

Er hatte offensichtlich den gleichen Weg wie Rasmus, war jedoch vorsichtig bei dem Anblick des Bären.

"Hallo?", rief Rasmus in die Richtung des Igels. Keine Reaktion. Der Igel verharrte regungslos an einem kleinen Busch.

Rasmus versuchte es erneut.

"He, du da. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich tue dir nichts." Einen Augenblick Ruhe. Dann meldete sich der Igel.

"Sicher?"

"Aber ja. Nun komm schon her."

Dann kam der Igel zögernd auf Rasmus zu, und beäugte ihn misstrauisch.

Auch der Bär schaute sich sein Gegenüber an. Seltsam schaute der Igel aus. Zum einen schien es ein Albino zu sein, er war weiß. Aber vielleicht lag das auch nur an dem Mondlicht. Doch da war noch was anderes. Der kleine Geselle sah irgendwie... ja: zerrupft aus. Er besaß an vielen Stellen seines Rückens kahle Stellen. Merkwürdig.

" Was tust du hier, mitten in der Nacht", wollte der Igel wissen.

"Ich gehöre zu dem Zirkus dort drüben", antwortete Rasmus. "Ich bin abgehauen. Nun suche ich einen Platz, wo ich fürs erste bleiben kann.

Was ist mit dir?"

"Nun ja, im Prinzip suche ich auch eine Bleibe. Hier draußen ist es doch schweinekalt. Da holt man sich ja den Tod." "Ganz recht. Kennst du dich hier aus?" "Ein wenig. Ich wollte mich mal dort hinten in dem Dorf umsehen.

Vielleicht gibt es dort eine gemütliche Scheune oder so was." "Dann lass uns doch zusammen gehen, einverstanden? Übrigens ich heiße Rasmus." "O.K., einverstanden. Ein wenig Gesellschaft ist ja auch ganz nett.

Mein Name ist Martha."

Martha war also eine Igelin.

So zogen die beiden los in Richtung des Dorfes.

Rasmus konnte sich die Frage nicht verkneifen.

"Sag mal, was ist eigentlich mit..."

Martha fiel ihm ins Wort.

"Meine Stacheln ? Ist so'n Gen-Defekt. Sieht nicht so schön aus, ich weiß." "Nein, so meinte ich das nicht." "Ach, ist schon gut. Ich bin das gewohnt. Meine eigenen Leute hatten damit auch so ihre Probleme. Erst mal wegen meiner Farbe, und dann diese Sache mit den Stacheln. Sie meinten, ich wäre kein richtiger Igel.

Überall wo ich hinkomme gucken sie mich an, als ob ich die Pest hätte.

Deshalb bin ich lieber allein."

"Mir ist es ähnlich ergangen, wenn dir das ein Trost ist. Ich bin ein Kodiakbär, und dafür eindeutig zu klein." Martha sah ihn erstaunt an.

"Du bist ein Kodiakbär? Das ist doch 'nen Witz." "Siehst du, genau das meine ich. Solche Reaktionen erlebe ich ständig.

Und sie nerven. Bin ich halt klein, na und? Wie ein echter Igel siehst du ja auch nun wirklich nicht aus." "He, ist ja gut. Ich wollte dich ja nicht beleidigen. Tut mir leid, O.K?" "Ja ja", murrte Rasmus. "Jetzt lass uns zusehen, dass wir irgendwo einen Platz zum Schlafen finden. Ich frier mir allmählich den Hintern ab."

Kapitel 3

Rasmus und Martha hatten in der Nacht dann tatsächlich noch ein Schlafplatz gefunden. Ein leerer Stall auf einer einsamen Pferdekoppel.

Die Pferde hatte man offensichtlich an einen wärmeren Platz gebracht, und dieser Schuppen diente als Vorratskammer für Stroh, Kartoffeln, Rüben, Nüsse und Äpfel. Das war den beiden natürlich sehr recht. Sie machten es sich erst einmal gemütlich in dem Stroh, und ließen es sich dann erst einmal schmecken. Dabei unterhielten sie sich noch, und jeder erzählte dem anderen aus seinem Leben. Draußen heulte der Wind, und aus dem Schneeregen war ein dichtes Schneegestöber geworden, der die Landschaft schnell mit einer dicken, weißen Decke überzog. Nachdem die beiden gegessen hatten fielen ihnen irgendwann die Augen zu. Beim Einschlafen dachte Rasmus an den Zirkus. Und er dachte an den alten Löwen Russel. Ihn würde er vermissen. Doch ansonsten würde er dem doofen Zirkus keine Träne nachweinen. Er hatte zwar noch keine Ahnung, wie es weitergehen sollte, doch irgendetwas würde sich schon ergeben. Da war sich der Bär sicher.

Am nächsten Morgen wurden Rasmus und Martha durch einen dumpfen Schlag an die Stallwand geweckt. Menschen, dachte Rasmus. Der Bauer, dem dieser Stall gehörte? Fragend blickte er zu Martha, deren rote Nase als Einzigstes verschreckt unter dem Stroh hervorlugte. Keiner von beiden wagte es zu sprechen. Sie warteten, was passieren würde. Doch die Stalltür blieb zu. Dann, nach einer Weile, war von Draußen eine seltsame Stimme zu hören. Eine hohe, stotternde Fistelstimme.

"M.. m.. so ein M.. Mist. Verdammter M.. Mist." Nein, dachte Rasmus. Das war kein Mensch. Er beschloss, gegen Marthas Willen, nachzusehen.

Er schubste die Holztür mit seiner Pranke auf. Überall lag Schnee.

Rasmus musste blinzeln, da der Schnee so hell war. Es schneite immer noch sehr stark. Vorsichtig tapste der Bär durch die hohe Schneedecke um die Holzhütte herum. Weil er so klein war, schaute lediglich sein Kopf aus dem Schnee heraus.

Rasmus konnte nichts entdecken. Er wunderte sich, und wollte schon wieder zurück in den Stall gehen, als er ein wimmerndes 'Aua' vernahm.

Dann erblickte er einen Raben. Er lag rücklings in dem Schnee.

"Was ist passiert?", fragte Rasmus den Vogel.

"N.. na, was glaubst d.. du denn? Ich b.. bin g.. gegen die Sch..

Scheune gefl..ogen. B.. bei d.. diesem b.. blöden Schnee k.. kann man ja g.. gar n.. nichts sehen. Mist, ver..dammter!" Rasmus musste sich ein Lachen verkneifen. Da lag vor ihm dieser arme stotternde Kerl, der durch die Wucht des Aufpralls gegen die Wand ein Stückchen seiner Schnabelspitze eingebüßt hatte. Rasmus half dem Rabenvogel wieder auf die Beine, beziehungsweise auf die Krallen, und nahm ihn mit hinein in den Stall, damit er sich erst einmal von seinem Unfall erholen und aufwärmen konnte. Nachdem Rasmus sich und Martha vorgestellt hatte, konnte er erfahren, dass der Vogel ein kurzsichtiger Kolkrabe war, der auf den Namen Kalle hörte. Und Rasmus bemerkte auch, dass Kalle nicht nur kurzsichtig war und stotterte, sondern obendrein auch noch lispelte. Innerlich lachte der Bär nun schallend, obwohl es ja eigentlich gemein war. Aber dieser Rabe schoss wirklich den Vogel ab.

Kalle war aber ein netter, wenn auch etwas schlichter Kerl. Nachdem man festgestellt hatte, dass Kalles Flügel nicht gebrochen waren, packte Rasmus ihn erst mal zum Aufwärmen in Stroh ein und Martha brachte Nüsse und Äpfel zur Stärkung.

Von Kalle, der hier aus der Gegend stammt, erfuhren die Igelin und der Bär, dass hier das Grenzgebiet zu Tschechien war. Und die Kleinstadt hier war auch eher ein Dorf. Kalle wusste auch zu berichten, dass man in dem Zirkus bereits das Verschwinden von Rasmus bemerkt hatte, und bereits nach ihm suchte.

"Das ist nicht gut", sagte Rasmus nachdenklich. "Ich gehe auf keinen Fall zurück in den Zirkus!" "Aber was willst du denn machen? Wo willst du hin?", fragte Martha.

"Keine Ahnung".

Der Bär war ratlos. Er kannte sich hier ja auch überhaupt nicht aus. Und bis auf Martha und Kalle kannte er auch niemanden. Er war sein ganzes Leben nur unter Zirkustieren gewesen.

Da meldete sich Kalle zu Wort.

"I.. ich wüsste d..d.. da was. Die G.. Grenze ist n.. nicht weit. W..

wir m.. machen einfach

rü.. ber. D.. da ist viel Wald. G.. gibt's auch andere B.. Bären. Ich k.. kenn d.d.. den Weg. W.. was mm.. meint ihr?" Kalle sah abwechselnd zu Rasmus und Martha, und wartete auf eine Reaktion zu seinem Vorschlag.

Martha war die erste, die reagierte.

"Also, für mich klingt das gut. Man kann es sich ja zumindest mal anschauen. Hier hält mich jedenfalls nichts. Vielleicht ist es ja ganz nett da. Was ist mit dir, Rasmus?" Martha und Kalle sahen nun zu dem Bären.

"Hmm, allzu viele Möglichkeiten habe ich ja nicht." "E.. eben. S.. seh ich genau so." Kurzentschlossen, wissend dass die Leute vom Zirkus ihm auf der Spur waren, beschloss Rasmus:" O.K., dann lasst uns aber keine Zeit verlieren. Bist du denn schon wieder fit Kalle?" "W.. wird schon gehen." Und so machten sich der kleine Bär, die Albino- Igelin und der stotternde Rabe auf den Weg.

Kapitel 4

Der Marsch durch die Schneewehen war schwieriger als erwartet. Da Kalle doch noch nicht wieder ganz so auf dem Damm war wie er dachte, ließ Rasmus ihn kurzerhand auf seinen Rücken hüpfen, von wo aus der Rabe genaue Weganweisungen gab. Martha hielt sich dicht hinter Rasmus, der mühsam einen Weg durch den Schnee freimachte.

Während des Marsches erfuhren Rasmus und Martha von Kalle, dass auch er ein Außenseiter war. Durch seinen Sprachfehler und seine Kurzsichtigkeit wurde er ständig zum Gespött der anderen Kolkraben. Und da er nicht der Stärkste war, ließen ihm seine Kollegen auch stets nur die Reste von ihren Mahlzeiten übrig. Er wurde eben nicht als ein echter Kolkrabe anerkannt. Deshalb schlug er sich lieber alleine durchs Leben.

Doch mit dem Bären und der Igelin kam er gut aus. Und auch die beiden konnten ihn gut leiden, auch wenn er etwas einfach war.

Mittlerweile hatten die Drei die Grenze an einer bewaldeten Stelle passiert.

Es war ein schöner und sehr großer Wald, in dem sie sich jetzt befanden.

Niemand war zu sehen, der Rasmus verfolgte.

"W.. wir haben's g.. geschafft", freute sich Kalle.

"Dank deiner Hilfe", sagte Martha.

Auch Rasmus bedankte sich bei dem Raben: "Ja, ohne dich hätten wir es nicht geschafft, Kalle." "G..gern g..geschehen."

Sie gingen schon eine ganze Weile durch ihre neue Heimat. Hier und da gab es auch schon nette Gespräche mit den einheimischen Tieren. Eine Gruppe Vögel, ein Eichhörnchen sowie ein Hasenpaar, die sich an einer Futterkrippe aufhielten und sich über den neuesten Klatsch und Tratsch im Wald unterhielten, hießen die drei Neuankömmlinge herzlich willkommen.

Dann plötzlich bemerkte ein Specht mit Namen Jochen einen sich nähernden Hirsch, und teilte seine Entdeckung den anderen Tieren mit.

"Leute, Harald kommt! Also, ich bin dann mal weg. Diesen Spinner muss ich mir nicht antun. Man sieht sich", sagte er schnell und flog dann weg.

An den Gesichtern der übrigen Tiere war zu sehen, dass Harald wohl nicht sonderlich beliebt war.

"Was ist denn mit diesem Harald", wollte Rasmus wissen. Karla, die Hasenfrau erklärte kurz und knapp:" Ein arroganter Spinner. Hält sich für was Besseres, und hackt immer auf den anderen rum. Wir gehen dann auch mal. Aber schön, dass ihr hier seid. Wir werden uns ja nun öfters sehen." Der Hirsch mit dem prächtigen Geweih schritt stolz mit erhobenen Kopf auf die Futterkrippe zu.

Neben Rasmus, Martha und Kalle waren nur noch zwei Rotkehlchen und ein Eichhörnchen da. Dann stand Harald vor der Gruppe.

Abwertend blickte er in die Runde.

"Was ist denn hier los? Wer sind denn die da?", schnaubte der Hirsch abwertend.

Das Eichhörnchen piepste zaghaft und beinah ehrfürchtig:" Neue Nachbarn, Harald." Der Hirsch blickte auf das Eichhörnchen, dann auf Rasmus, Kalle und Martha.

"So so. Dann seid ihr also die drei Flüchtigen." "W.. woher weißt du davon?", wollte Kalle wissen.

Harald blickte amüsiert auf den Raben.

"Neuigkeiten sprechen sich schnell herum. Was stimmt denn mit diesem Raben nicht?" Ein Rotkehlchen antwortete frech von seinem Ast herunter: "Er stottert, du Genie." "Hm, und ihr wollt hier bleiben? In meinem Wald?" Das andere Rotkehlchen meldete sich keck:" Halt die Klappe, Harald. Das ist nicht d e i n Wald, du arroganter Fatzke." Der Hirsch schwieg einen Moment. Dann: "Wie man hört bist du aus einem Zirkus ausgerissen. Ein Ausreißer, ein stotternder Rabenvogel und ein..

ja... was bist du eigentlich? Ein Igel , oder was? Du siehst nicht aus wie ein richtiger Igel." Martha reagierte im scharfen Ton: "Auch wenn ich anders aussehe bin ich trotzdem ein Igel. Aber dafür scheinst du nicht normal im Kopf zu sein." Die beiden Rotkehlchen lachten schallend.

Harald holte noch einmal aus.

"Nun ja, Verlierer, wie ihr es ja offensichtlich seid, finden immer zueinander." Rasmus, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, bemerkte nun ruhig und überlegen dem Hirsch Harald: "Es mag sein, dass wir in deinen Augen Verlierer sind, wenn du deine Umwelt nur nach Äußerlichkeiten beurteilst. Doch wenigstens haben wir einander als Freunde. Und wen hast du?" Harald schnaubte verächtlich, um dann wie eine beleidigte Diva von dannen zu ziehen.

Und damit hatte Rasmus recht. Auch wenn er für einen Kodiakbären viel zu klein, Martha ein weißer Igel mit einem Gen-Defekt und Kalle ein Kolkrabe mit einer Sprachstörung war, so sagte dass doch nichts über das wahre Ich eines Lebewesens aus.

Alle Drei dachten genau so.

Und mit dieser Erkenntnis verabschiedeten sie sich von den Rotkehlchen und dem Eichhörnchen um sich noch ein wenig von dem Wald anzusehen.

Der Schnee rieselte hier im dichten Wald nur zaghaft. Mit dem beginnenden Abend kam die Dunkelheit. Auch in dieser Nacht stand der Mond wieder am Himmel und spendete diffuses Licht.

Auf einer Lichtung mit einem riesigem Tannenbaum legten Rasmus, Martha und Kalle eine Pause ein. Der Schnee auf den Tannenzweigen glitzerte in dem Mondschein wie kleine Lichter. Wortlos sahen sie sich diesen prächtigen Weihnachtsbaum an.

Dies war für die drei neuen Freunde das erste Weihnachten in ihrem neuen Zuhause.

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