Unser Buchtipp Weihnachtsgeschichten

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Eingereicht am
20. März 2007

Die beknackte Nuss

© Ute Warisch

Stille Nacht, heilige Nacht ...! Nur noch 5 Wochen bis zum heiligen Abend. Jeder bereitete sich auf die gemütliche Zeit vor.

Mama kaufte Dekoration ohne Ende! Dabei hatte sie schon drei Kisten voll mit Weihnachtskitsch. Aber was soll's ...? Kaufen wir eben noch eine Kiste dazu. In unserem Keller war sowieso kein Platz mehr für irgendetwas anderes als für Weihnachts-, Oster-, Sommer-, Karnevalsdekoration und alles was man sonst noch zum Dekorieren benötigte. Wenn das so weiter ging, könnten wir bald ein Geschäft aufmachen.

Papa war in der Weihnachtszeit unser Bäckermeister! Er konnte es nie abwarten, seine zehn verschiedenen Sorten Plätzchen zu backen. Sie schmeckten zwar hervorragend lecker, aber wenn wir die letzten im Januar endlich aufgegessen hatten, konnte ich bis zum nächsten Weihnachtsritual keine Kekse mehr sehen.

Und ich? Ich fand die Zeit ziemlich langweilig. Mama und Papa versuchten mich immer zu begeistern. Sie waren der Meinung, dass jeder etwas zu den anstehenden ruhigen und besinnlichen Tagen beitragen könnte. "Lern doch schon einmal ein Gedicht!", schlug Mama vor. "Oder helfe mir beim Dekorieren." Papa versuchte mich zu locken, indem er mir von seiner Zuckerbäckerei vorschwärmte. "Sophie, kannst du mir nicht helfen? Dann schaffen wir es schneller, dass die leckeren Kekse fertig werden."

Mein Bruder Alex war schon von diesem ganzen Weihnachtswahn angesteckt. Gab es in dieser vermeintlich gemütlichen Zeit auch noch "normale" Menschen? Ich habe jedenfalls nie verstanden, warum die Menschen ordentlich viel Hektik machten, damit sie eine ruhige, besinnliche Zeit erleben konnten. Das ergab für mich keinen Sinn.

Und dann war da noch die Sache mit den Geschenken. Jedes Jahr sagten meine Eltern, dass sie sich nichts schenken wollen. Doch wie aus heiterem Himmel kam plötzlich der Weihnachtsmann und hatte komischerweise auch immer Geschenke für meine Eltern dabei. Welch Erstaunen! Da konnten meine Eltern natürlich gar nichts dafür. Die hatte ja schließlich der Weihnachtsmann gebracht. Dabei wusste ich mit dreizehn Jahren schon längst, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gab. Ich war aber so fair und verdarb meinen Eltern nicht ihre gute Laune. Jedes Jahr bedankte ich mich wieder aufs Neue beim Weihnachtsmann. Tja, was tat ich nicht alles, damit das Fest gemütlich und still wurde. Dabei liebte ich Aktion, laute Musik und was sonst noch zu einem aufregenden Leben dazu gehörte. Die Weihnachtszeit war so berechenbar. Oder doch nicht? In diesem Jahr sollte alles anders werden.

Am Heiligen Abend saßen meine Eltern gemütlich im Wohnzimmer. Der Weihnachtsbaum war wunderschön geschmückt und das ganze Haus roch nach Kerzenduft. Der vorweihnachtliche Stress lag hinter uns. Allmählich stellte sich bei mir auch eine gewisse Gemütlichkeit ein. Ich ging in die Küche zu meinem Bruder. "Alex, was machst du da?" "Ich knacke Walnüsse." "Und wo hast du den Nussknacker?" "Ach den brauche ich nicht. Schau her! Ich nehme zwei Nüsse in meine Hand und drücke ganz fest. Zack, die Nuss ist offen. Versuchs doch auch mal." Alex war ganz begeistert von seiner Idee, die Nüsse auf diese Art zu knacken. "Na komm, versuche es doch endlich. Oder traust du dich nicht?" "Doch, natürlich.", erwiderte ich. "Dann mach doch, dann mach doch. Traust dich nicht, traust dich nicht!", versuchte Alex mich anzustacheln. Na ja, was mein elfjähriger Bruder schafft, dass schaffe ich allemal, dachte ich und nahm zwei Nüsse in die rechte Hand. Ich drückte mit ganzer Kraft, aber die Nüsse blieben heil. "Ich glaube, ich muss die Nüsse in die linke Hand nehmen, da habe ich viel mehr Kraft." Gesagt, getan. Ich nahm beide Nüsse in die linke Hand und drückte. Nichts geschah. Alex lachte: "Vielleicht bist du ja nicht kräftig genug. Bist ja auch ein Mädchen." Jetzt wollte ich es ihm erst recht beweisen und drückte noch mal so fest ich konnte. Super, die Nuss öffnete sich einen Spalt! "Autsch, Aua, die beknackte Nuss ist wieder zugegangen. Alex! Mach doch etwas!", schrie ich schmerzverzehrt meinen Bruder an. Er wusste erst gar nicht, warum ich so herumschrie, bis er sah, dass die Nuss meine Haut eingeklemmt hatte. "Leg mal deine Hand auf den Tisch. Ich hau drauf. Dann geht die Nuss bestimmt kaputt." Doch die beknackte Nuss blieb hartnäckig. Meine Hand färbte sich schon in sämtlichen Blautönen. "Jetzt hilf mir doch endlich!", rief ich ungeduldig. Denn ich wollte die dumme Nuss loswerden.

Mama und Papa erschienen plötzlich von meinem Geschrei angelockt in der Tür. "Was ist denn mit dir los?", fragte Mama ganz entsetzt. "Die blöde Nuss hält mich gefangen.", erwiderte ich. Ich war inzwischen schon richtig wütend, das die Nuss nicht abgehen wollte. Kein Ziehen, Zerren und Drücken half. "Ich habe eine gute Idee. Im Keller habe ich einen großen Hammer. Den hole ich jetzt.", schlug Papa vor. Mit großem Eifer rannte er in seinen Keller und kam wirklich mit einem großen Hammer wieder. Das Vorhaben, die Nuss mit dem Hammer zu erledigen scheiterte, weil ich vor lauter Schmerzen die Hand nicht mehr vollständig öffnen konnte. Eine andere Idee musste her. Da fiel Mama plötzlich ein, dass sie letztes Jahr einen Nussknacker hatte. Ach ja ... und dieser befand sich irgendwo in ihren Dekokisten. Also liefen wir alle in den Keller und stöberten die vielen Kisten durch. Es schien kein Ende zu nehmen. Tatsächlich wurden wir in der letzten Kiste fündig. Mama nahm meine Hand mit der beknackten Nuss, die mir inzwischen einen erheblichen Bluterguss hinterlassen hatte und setzte den Nussknacker an. Knack machte es und meine Hand war befreit. Die Nuss landete anschließend im Müll, denn mir war der Appetit auf Nüsse vergangen. Nach dieser turbulenten Aktion freute ich mich jetzt wirklich auf einen ruhigen, gemütlichen Weihnachtstag.

Wir gingen gemeinsam ins Wohnzimmer, setzten uns um den Tannenbaum und begannen unsere gelernten Gedichte und Lieder vorzutragen. Mein Bruder sang das Lied: "Ihr Kinderlein kommet ...!" Was ich ehrlich gesagt ziemlich albern für einen elfjährigen Jungen fand. Voller Stolz gab er an, dass er alle Strophen auswendig konnte. Doch plötzlich ...? Hatte Alex etwa den Text vergessen? Laut trällerte er in einer Strophe: "... Hoch oben schwebt Josef den Engeln was vor ...!" Meine Eltern und ich fingen lauthals zu lachen an. Alex stand verdutzt vor dem Tannenbaum und wusste gar nicht, was mit uns los war. Als wir ihm noch mal gemeinsam den fehlerhaften Text vorsangen, brachen wir alle in schallendes Gelächter aus.

So wurde es schließlich doch noch ein abwechslungsreiches Weihnachtsfest. Und wenn ich ehrlich bin, freue ich mich schon auf nächstes Jahr Weihnachten. Auf eine "ruhige, gemütliche Zeit"..., nur ohne beknackte Nüsse.

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