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Geschenke, Geschenke© Iris HornbostelLangsam bildete sich Schweiß auf meiner Stirn. Und nicht nur auf der Stirn, wie mir ein leicht müffelnder Geruch sagte. Ich zog die nächste Schublade auf und wühlte darin herum. Wieder nichts. Ich richtete mich verzweifelt auf. Wo waren sie nur? Wo hatte ich bloß die Weihnachtsgeschenke versteckt? Ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern. Und nur noch drei Tagen bis Heiligabend! Dabei war ich so stolz gewesen, dass ich dieses Jahr alles schon im Oktober beisammen hatte. Kein Weihnachtsstress in überfüllten Kaufhäusern, keine teuren Geschenke, weil Sonderangebote nur etwas für verkaufsflaue Zeiten sind. Ich wusste noch genau, wie ich im Sommerschlussverkauf um ein Hemd für meinen Mann gekämpft hatte. Eine andere Frau wollte genau dieses Hemd, das über die Hälfte im Preis herabgesetzt war, doch ich war schneller. Ich bin mit dem Hemd zur Kasse geradezu gerannt, weil ich Angst hatte, dass man es mir noch aus der Hand reißt. Als ich schließlich mit stolz geschwellter Brust, meine Tüte in der Hand, den Laden verließ, erdolchten mich die Blicke der Frau. Wo um alles in der Welt hatte ich das Hemd nur versteckt? Oder das Puppenhaus für meine Tochter. Ein Haus von siebzig Zentimeter Höhe musste doch zu finden sein! Ich kletterte auf den Dachboden und kroch auf allen vieren im Staub herum und suchte und suchte … Den ganzen Sommer hatte ich an diesem Haus gebaut und das, wo ich handwerklich nicht mal besonders begabt bin. Trotzdem ist nach und nach ein sehr schönes Haus entstanden. Mit bunten Tapeten und Gardinen an den Wänden. Sogar kleine Teppiche hatte ich genäht. Und wo war es jetzt? Der Staub kitzelte in meiner Nase und ich musste niesen. Schließlich gab ich frustriert die Suche auf und klopfte meine Hose, so gut es ging, sauber. Ich hatte wirklich jeden Winkel des Hauses durchkämmt. Ich setzte mich mit einer Tasse Tee an den Küchentisch und überlegte, wie es weitergehen sollte. Wahrscheinlich musste ich in den sauren Apfel beißen und neue Geschenke kaufen. Mir würde gar nichts anderes übrig bleiben. Schwer ließ ich meinen Kopf auf die Tischplatte sinken und heulte mich erst mal richtig aus. Dann stand ich auf, um mich in das von mir so verhasste und doch altbekannte Weihnachtsgetümmel zu werfen.
In der Stadt war es so schlimm, wie ich es erwartet hatte. Voll, bunt, laut und hektisch. Die Leute strömten bepackt durch die Läden, ein endloses Geschiebe und Geschubse. Jeder, aber auch jeder hatte einen genervten Gesichtsausdruck. Ich hatte mich schnell der Allgemeinheit angepasst. Ich schob, ich schubste und den genervten Gesichtsausdruck hatte ich auch schon drauf. Fast vier Stunden brauchte ich, bis alle Geschenke zusammen waren. Mit Müh und Not hatte ich ein Puppenhaus erstanden. Natürlich völlig überteuert. Auch das Hemd für meinen Mann war teuer und gefiel mir längst nicht so gut wie das ursprünglich gekaufte. Und dann die Suche nach den endlosen Kleinigkeiten für die Verwandtschaft. Puh war das anstrengend.
Zu Hause versteckte ich alle Sachen in meinen Kleiderschrank und ließ mir ein Entspannungsbad ein. Das hatte ich jetzt verdient! Genüsslich atmete ich den Rosenduft des Schaumbades ein, als das Telefon klingelte. Ich überlegte kurz, ob ich überhaupt rangehen sollte, aber da ich kein Telefonat unbeantwortet lassen kann, stieg ich aus der Wanne, wickelte mich in mein Badetuch und tappte mit nassen Füssen zum Telefon. "Andresen" meldete ich mich. "Hallo Ina. Ich bin's, Heike. Du, sage mal, macht es dir etwas aus, deine Weihnachtsgeschenke schon heute bei mir abzuholen? Wir sind morgen zur Betriebsfeier bei Klaus eingeladen." "Meine Weihnachtsgeschenke?" "Ja, weißt Du nicht mehr? Du hast mir doch im Oktober deine Päckchen gebracht, weil Du Angst hattest, jemand aus deiner Familie könnte sie sonst finden." "…" "Ina? - Ina, bist du noch dran? Ina - sag doch was!" Copyright-Hinweis: Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
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