Unser Buchtipp Weihnachtsgeschichten

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Eingereicht am
26. März 2007

Schlittenfahrt zum Nordpol

© Silizia Albrecht

"Ich habe gesagt, du sollst gehen! Verschwinde, bevor ich mich nicht mehr halten kann!"

"Du solltest dich mal hören! Dabei gibst du mir noch nicht einmal eine Möglichkeit", konterte eine männliche Stimme und wurde sofort erneut unterbrochen. "Verschwinde!" Das war das Letzte, was man hörte, bevor eine Tür zugeknallt wurde und eine verzweifelt weinende Frau vor dem Kinderzimmer entlang ging, um ins Bad zu gelangen. In dem Zimmer war es still, nichts schien hier zu sein und erst beim genaueren Hinsehen, erkannte man die beiden Mädchen, welche sich schweigend unter dem Hochbett verkrochen hatten. Eine von ihnen, sie hatte langes blondes Haar und trug einen Pullover auf dem eine Puppe abgebildet war, weinte stumm vor sich hin. "Nicht weinen Marie!", flüsterte die andere und nahm das Mädchen in den Arm. "Ich will nicht, dass Mama und Papa sich streiten! Ich wünschte Mama hätte Papa wieder lieb! Was, wenn nicht, Ann?" Das angesprochene Mädchen, was man durchaus für einen Jungen hätte halten können, schüttelte den Kopf und sah mit ihren brauen Augen ihre jüngere Schwester an. "Ich weiß es nicht! Aber wenn du dir das ganz doll wünscht, dann kommt vielleicht morgen der Weihnachtsmann und erfüllt dir deinen Wunsch!" Marie hob den Blick, wischte sich mit ihrem Ärmel über das Gesicht und sah dabei so aus, als würde sie gleich wieder anfangen zu weinen. "Aber mein Wunschzettel ist doch schon weg! Wie soll es da der Weihnachtsmann wissen?" "Wir schreiben einfach noch einen!", erwiderte Ann, stand auf und holte Stift und Papier.

Es verging ungefähr eine Stunde und schließlich hatten die beiden Schwestern einen neuen Brief, teils von Ann geschrieben und zum Teil von Marie gemalt. Auf dem Blatt Papier stand in großen wackligen Buchstaben; "Wir wünschen uns das Mama und Papa sich lieb haben." Darunter waren zwei Figuren abgebildet, ein Mann und eine Frau, die ihre Hände hielten und von Herzen umgeben waren. Als Letztes schrieben beide noch ihre Namen darunter, Ann und Marie, bevor sie den Zettel falteten und in einen Briefumschlag steckten. Marie ging zum Fenster, während ihre Schwester ein Buch vorholte und davon den Text "An den Weihnachtsmann" abschrieb. Draußen schneite es und da es schon seit Tagen so war, hatte sich eine weiße Decke über das Land gelegt. Auf dem Dorf, wo die beiden wohnten, war es durch die vielen großen freien Flächen viel deutlicher zu sehen und man hatte das Gefühl, man würde sich am Nordpol befinden. Das blonde Mädchen verfolgte die Schneeflocken mit ihren Augen, bis eine direkt vor ihr ans Fenster flog, wo sie anfing zu schmelzen. Die Sechsjährige drehte sich zu ihrer älteren Schwester um und sah sie fragend an, bevor sie ein Wort von sich gab. "Und wie soll der Brief jetzt noch rechtzeitig ankommen?" Ann schwieg und überlegte. Auch ihr fiel nicht mehr ein, als den Brief zum Postkasten zu bringen. Ein Blick auf dem Buch vor ihr, brachte sie zum Strahlen und eifrig blätterte sie die Seiten durch, bis sich eine Art Karte zeigte. Auf ihr war eine Stadt abgebildet und ein Weg, der zum Haus des Weihnachtsmannes führen sollte. Entschlossen tippte Ann auf die Seite und erklärte, dass sie so den Weg zum Weihnachtsmann finden könnten. Ihre Schwester lachte vor Freude, verschwand aus dem Zimmer und kam mit den Schuhen und Jacken der beiden zurück. Während sie sich schon eifrig anzog, kramte Ann in ihrem Schrank und holte einen Kompass hervor, denn sie aus einer Kinderzeitschrift hatte. Danach zog auch sie sich an, half ihrer Schwester beim anziehen der Handschuhe, nahm das Buch unter den Arm und schlich leise auf den Flur. "Pssst! Mama darf uns nicht bemerken!", flüsterte Ann, öffnete die Tür, nahm den Schlüssel von dem Schuhschrank und ging mit Marie nach draußen, nachdem sie so leise wie möglich, die Tür zugemacht hatte. Als sie schließlich im Schnee standen, gab Ann ihrer Schwester die Aufgabe, den Schlitten aus der Garage zu holen, während sie selbst zum Schuppen lief um nach ihrem Springseil zu suchen. Als sie beides gefunden hatten, trafen sie sich auf dem Hof. Ann band das Seil am Schlitten fest, während es sich ihre Schwester auf dem Holzgefährt bequem machte. Dann nahm sie das Buch und gab es Marie, holte den Kompass aus ihrer Jackentasche und suchte Norden. "Hier lang!", sagte sie, öffnete das Tor, welches zum Garten und dem anliegenden Feld führte, und zog den Schlitten dabei hinter sich her, was Marie sichtbar Freude bereitete.

Sie kamen an einen kleinen Wald, einem mit Eis bedecktem Fluss und an einer Straße vorbei, ehe sie schließlich auf einen scheinbar endlosen weißen Stück Land angekommen waren, welches für die beiden wie der Nordpol wirkte. Keiner der beiden hatte eine Uhr dabei und so ahnten sie nicht einmal, wie lange sie unterwegs waren. Zwischendurch holte Marie einige Kekse hervor, die sie beim letzten Mal in ihrer rosa Jacke gelassen hatte. Nachdem sich Ann daran gestärkt hatte, ging die Fahrt weiter, während Marie das Buch immer wieder durchblätterte, um zu kontrollieren wo sie denn waren. Schließlich standen beide vor einem Hügel und entschlossen sich gemeinsam hochzulaufen. Oben angekommen, konnten sie es selbst nicht glauben. "Schau Ann, da vorne ist das Haus vom Weihnachtsmann!" Tatsächlich, vor ihnen, unten am Hügel, war ein kleines Haus, das nur so funkelte und glitzerte. Auf dem Dach stand ein Schlitten, vor dem zwei Rentiere gespannt waren. Eine Leuchtschrift wünschte allen Frohe Weihnachten und vor dem Haus stand ein riesiger Schneemann, der heller als der umliegende Schnee leuchtete. Freudig hüpfte Marie ein paar Mal hoch und runter, bevor sie sich beruhigte und wieder auf dem Schlitten Platz nahm, auf dem sich jetzt auch ihre Schwester setzte. Mit einem kleinen Stoß kam der Schlitten in Bewegung und beide sausten jubelnd hinab und kamen nur ganz knapp vor dem Schneemann zum stehen. "Das war toll!", meinte Marie und lachte.

Gerade als beide vom Schlitten aufgestanden waren, öffnete sich die Tür vom Haus und eine alte, grauhaarige Frau trat heraus, blickte sich um und sah die beiden Mädchen mit Erstaunen an. Sie trug eine Schürze mit Blumen, an welcher Teig klebte und lächelte, als sie zu den Geschwistern ging. "Nanu! Wer seid ihr denn?", fragte die alte Dame, wobei die Mädchen beiden das Gefühl hatten, sie würde nach Plätzchen duften. "Bist du die Frau vom Weihnachtsmann? Wir wollen ihn einen Brief bringen, der ist ganz wichtig!", kam es von Marie, die Ann sonst eher schüchtern kannte. Noch ehe sie antworten konnte, kam ein Mann mit Rauschebart aus dem Haus. Als die Kinder ihn erblickten, rannten sie auf den Mann zu, der in Streifenpullover, schwarzer Hose und Pantoffeln vor ihnen stand und verwirrt aussah. Da die beiden wild durcheinander redeten, bekam der alte Mann nur Brocken mit, bis seine Frau die Mädchen beruhigte, sie ins Haus bat und sie sich an einen Ofen, zwischen Weihnachtsbaum, Schmuck und Gebäck wider fanden. "Wie heißt ihr zwei denn?", fragte der Mann. "Aber du bist doch der Weihnachtsmann! Warum weist du das nicht?", fragte Marie empört, während Ann die Umgebung betrachtete. Der Mann schmunzelte und meinte dann, dass er alt sei und es viele Kinder geben würde. Er konnte wohl Marie überzeugen, denn sie nannte ihm ihren vollständigen Namen und stellte auch Ann vor, zog dann den Brief aus dem Buch hervor, was sie noch immer festhielt und übergab ihn dem Weihnachtsmann. Darauf verschwand die Frau, mit einem dicken Buch unter dem Arm. Erst später kam sie zurück, als ihr Mann gemütlich gemacht hatte und aus einem Buch vorlas, während die Kinder auf Kissen saßen und Plätzchen knabberten.

Keine der beiden merkte, wie die Zeit verging; und schließlich klingelte es an der Tür. Sie wunderten sich kurz, lauschten dann aber wieder der Geschichte. In der Zwischenzeit öffnete die Frau die Tür. Stimmen vermischten sich zur Unerkenntlichkeit und kurz darauf stürmten eine junge Frau und ein Mann ins Zimmer. "Marie! Ann!" Die beiden drehten sich um und schon waren sie in den Armen ihrer Mutter. "Mama, was machst du hier?" "Die Frau vom Weihnachtsmann hat mich angerufen!", erklärte sie mit weinender Stimme und drückte die zwei fest an sich. Der alte Mann stand derweil auf, trat zu den anderen und übergab ihm den Brief. "Das wollten die zwei Mädchen vom Weihnachtsmann!", flüsterte er, zwinkerte kurz und händigte den Brief aus. "Ich hoffe, dass Sie das möglich machen können", fügte er ernst hinzu, bevor er zu seinem Sessel zurückkehrte und seiner Frau ein Lächeln schenkte.

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