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Nikolaus gesucht© Peter Suska-ZerbesIch glaubte fälschlich, klar auf meine berufliche Belastung aufmerksam gemacht zu haben, als wir Wochen vorher darauf zu sprechen kamen, wer das Nikolausfest vorbereiten sollte. Meine Frau Klara bestand darauf, dass ich in dem Jahr an der Reihe sei. Zu meinem eigenen späteren Verhängnis glaubte ich von folgender gütlichen Einigung ausgehen zu können: Sie bereitete den feierlichen Abend vor und ich bemühte mich darum, dass wir ihn uns auch finanziell leisten konnten. Sie behauptete später fest, nur gesagt zu haben, sie müsse sich stets um alles kümmern. Am Abend des 5. Dezembers warteten wir also zunächst einige Zeit auf den Nikolaus; umsonst, versteht sich. Klara deutete meine Unruhe als festbedingte Vorfreude, und warf mir einen genauso herzlichen wie ermunternden Blick zu. Meine Kinder ließ meine zunehmende Unruhe ungerührt, waren sie doch bei solchen Festlichkeiten daran gewöhnt. Sie vertrauten darauf, dass wir wie in jedem Jahr Nikolaus und Geschenke organisiert hatten. Die drei verbrachten ihre Zeit damit, im Fernsehen zu verfolgen, wie Vater Simpson den Weihnachtsmann mimte. Die Gelegenheit glaubte ich nutzen zu können, um meine Frau leise zu fragen: "Wen hast Du denn dieses Jahr bestellt? Kenne ich ihn? Es ist fast acht Uhr! Im nächsten Jahr müssen wir einen zuverlässigeren Zeitgenossen verpflichten". "Ich dachte, Du hättest...". Sie brauchte den Satz nicht zu Ende zu führen. "Und jetzt?", wollte sie wissen. Es blieb nicht anders übrig, ich musste den verfahrenen Karren selbst aus dem Dreck ziehen. "Das kläre ich schon!," versicherte ich mit einer Zuversicht, nach der es mir nicht zumute war. Es wäre gewiss einfacher, am Nordpol den richtigen Nikolaus zu finden als in unserer Stadt an diesem Abend einen seiner Helfershelfer, der noch einen Hausbesuch einschieben konnte. Da oberste Geheimhaltung geboten war, verdrückte ich mich unbemerkt, um den Schaden im letzten Moment abzuwenden. Ich wüsste heute nicht mehr zu sagen, wie lange ich auf meiner Suche ohne Erfolg herum irrte, und wie viele Weihnachtsmänner ich verzweifelt ansprach. Am Schluss bestach ich einen heimkehrenden Nikolaus, der viel zu erschöpft war, in eigener Person in die Bresche zu springen. Er zeigte sich jedoch willig, mir sein Gewand gegen eine beachtliche Gebühr bis zum nächsten Tag auszuleihen, vorausgesetzt ich würde es ihm gegen Mittag gereinigt zurück geben. Zu fast mitternächtlicher Stunde tauchte ich in einen Nikolaus verwandelt bei mir zu Hause auf, um den verpatzten Abend wieder gut zu machen. Die Kinder lagen natürlich inzwischen lange im Bett, so dass ich statt meinen Nachwuchs nur noch den Trost meiner Frau fand, weil ich mich vergeblich bemüht hatte. Ich zog aus dieser ernüchternden Erfahrung eine Lehre: Ich würde mich in Zukunft auf niemanden mehr verlassen und würde die Dinge selbst rechtzeitig in die Hand nehmen. Im darauf kommenden Jahr zeigte ich mich hervorragend vorbereitet. Wochenlang hatte ich die einschlägigen Anzeigen in den Tageszeitungen studiert und war frühzeitig mit dem ein oder anderen Anbieter in Verhandlungen getreten. "Was heißt schon langjährige Erfahrung, pädagogisch solide Ausbildung, ehemaliges Engagement am Staatstheater? Mit ihrem 08/15 Angebot bin ich nicht zufrieden. Ich möchte dieses Jahr etwas Be-son-der-es." Mit diesen Worten lehnte ich einen der ersten Anbieter ab. Nachts träumte ich bereits von Auftritten mit leibhaftigen Engeln, die ein himmlisches Konzert zum Besten gaben. Ein ganzes Rudel Rentiere und ein mit Geschenken überfüllter Schlitten bildeten den gebührenden festlichen Rahmen. "Die Kosten spielen keine Rolle. Wir feiern nur einmal im Jahr Nikolaus!", hatte ich zu Beginn meiner Suche großzügig geäußert. Als ich die schaurigen Preise erfuhr für einen kurzen Auftritt - ohne alle himmlische Begleitung - wurden meine Ansprüche bescheidener. Nach einigen Kontakten wäre ich zufrieden gewesen mit einem Angebot ohne pädagogische und schauspielerische Ausbildung, allerdings mit der ortsüblichen Grundausstattung. Die meisten Gespräche endeten meinerseits mit der Frage: "Ist das Ihr Ernst?" Er war es. Auch ein kurzer Besuch schien mit unserem bescheidenen Durchschnittseinkommen nicht bezahlbar. Zugegeben, mitunter gab es auch erschwingliche Preise, die jedoch einen kleinen Nachteil aufwiesen: Diese Anbieter waren weit über das Weihnachtsfest hinaus ausgebucht. "So lange will ich meinen Nachwuchs nach der vorjährigen Enttäuschung nicht warten lassen", lehnte ich tapfer entschlossen ab. Es verstrichen ganze drei Wochen und der besagte Termin näherte sich mit einem bedrohlichen Tempo. Ich schloss entschieden aus, die Familie müsse sich mit einem im Auto vorbei fahrenden Nikolaus bescheiden. Ein Weihnachtsmann, ein finanziell besonders attraktives Angebot, sprach nur russisch, aber das machte die Sache nur glaubwürdiger. Dessen radebrechende Ehefrau versprach, als Engel verkleidet, die wichtigsten Passagen zu übersetzen. "Es gibt kleines Problem. Können erst halb zwölf. Musst uns in Kleinhausen mit dein Auto abholen. Ist nur 40 Kilometer". Nach Bekanntgabe dieser kleinen misslichen Details, war ich nicht mehr ganz so überzeugt, versprach jedoch höflich, wieder anzurufen. Der nächste Anruf betraf eine junge Abiturientin: "Ich habe das noch niemals gemacht," beichtete sie gleich zu Beginn unseres Gesprächs, als wenn es sich um eine schwere Sünde handelte. Danach klang sie zuversichtlich: "Im Schultheater wurde ich für die Darbietung des Engel Gabriels sehr gelobt". Es gab wieder "kleines Problem": "Mir fehlt noch die passende Bekleidung. Sobald ich sie habe, melde ich mich wieder bei Ihnen." Meine mir selbst vorgetragenen ernsten Bedenken, sie könnte zu jung und zu weiblich für diese Aufgabe sein, stellte sich als vorschnell heraus: Sie hat sich bis heute nicht bei uns gemeldet. "Mir schwebt eine surrealistische Kulisse vor", begann ein Künstler seine Ideen zu entfalten. Die Gestaltung der Wohnung in einem dunklen Rot und einem tiefem Blau würden am besten den drohenden Weltuntergang andeuten, setzte er mir fachmännisch auseinander. "Was halten sie von zwei nackten Engeln, die Schwerter tragen, statt des üblichen verkleideten Mannes", phantasierte er weiter, "diese werden die düstere Endzeitstimmung eindrucksvoll vertiefen". Ich hegte keine Zweifel daran. Er war erstaunt, dass ich seine epochemachenden Vorschläge erst noch mit meiner Frau abklären müsse. Aus künstlerischer Rücksicht verschwieg ich ihm das Wesentliche: Er konnte von Glück sagen, mit Klara nicht persönlich verhandeln zu müssen, sie hätte ihm samt seiner zwei Engel die angesprochene Stimmung schon vermittelt. Am 4. Dezember hatte ich dann endlich Glück. Ein erfahrener Nikolaus hatte Termine frei, und dann zu einem Preis, den wir uns ohne die Aufnahme eines Kredits erlauben konnten. Er brauchte nicht am Ende der Welt abgeholt zu werden, sprach deutsch als Muttersprache, erschien weder zu jung noch zu weiblich, und er hatte kein Bedürfnis, unsere Wohnung künstlerisch umzugestalten. War es denn zu glauben? "Ich habe einen Nikolaus gefunden", jubelte ich lauthals. "Ich werde Ihr Künstlerhonorar sofort auf ihr Konto überweisen. Das ist das Wenigste, was ich für Sie tun kann," versprach ich ohne Zögern. Wahrscheinlich hätte ich ihm in meinem Glück auch die Hand meiner Tochter versprochen, wenn ich eine gehabt hätte. Als ich auf meiner Arbeitsstelle von meinem Glück erzählte, - zuhause sollten meine Bemühungen schließlich weiter ein wohlgehütetes Geheimnis bleiben -, lachte man mich aus, schalt mich wegen meiner kindlichen Vertrauensseeligkeit. "Sag mal, liest du eigentlich keine Zeitung", erkundigten sich die Kollegen besorgt. "Der Weninger Kurier schreibt seit Wochen darüber. Eine Bande von Betrügern zog im letzten Jahr mit diesem Trick gutgläubigen Interessenten das Geld aus der Tasche". Wie sich herausstellte, hatten fragliche Übeltäter stets zugesagt, nach der Überweisung des Honorars als Nikolaus aufzutreten. "Keiner dieser vermeintlichen Weihnachtsmänner ist trotz erfolgter Überweisung je aufgetaucht", beendeten sie ihre eindrückliche Warnung. Ich war diesem Betrüger auf den Leim gegangen, weil ich keine Zeit mehr fand, neben den Anzeigen auch die Artikel zu lesen. "Na warte, da bist Du dieses Mal an den Falschen geraten", schwor ich Rache. Ich informierte sofort die Polizei, über das mutmaßliche Verbrechen. "Wo kämen wir hin, wenn jeder die Ahnungslosigkeit und offensichtliche Notlage seiner Mitmenschen skrupellos ausnützen darf?", rechtfertigte ich den drastischen Schritt vor mir selbst. Wie sich später heraus stellte, war der aufgebrachte Verdacht völlig unbegründet und zudem hatten sich die genannten Vorfälle auch in einem ganz anderen Teil unseres Landes zugetragen. "Das mit ihrer Nikolausfeier können Sie vergessen", teilte mir der zu Unrecht verdächtigte Mann telefonisch mit. Kurz, er versagte mir erbost rundweg jegliche weitere Zusammenarbeit. Er war auch nicht durch die Verdoppelung der Gage dazu zu bewegen, mir meinen kleinen Irrtum nachzusehen.
Entmutigt fand ich mich auch mit diesem letzten Schicksalsschlag ab. Unerschrocken wollte ich mich dem zu erwartenden Familiendrama stellen. "Papa, gehst Du wieder einen Weihnachtsmann suchen" oder "Papa, arbeitet der Weihnachtsmann jetzt mit dem Osterhasen zusammen", würden meine Kinder erbarmungslos lästern. Aber es kam ganz anders. Ich entschloss mich, sofort reinen Tisch zu machen und erzählte vor versammelter Mannschaft, wie alle meine Bemühungen ins Leere gelaufen waren. Aber statt zu spotten und zu hänseln, begannen sie mich zu trösten. "Wir haben einen tollen Papa, was brauchen wir da noch einen Nikolaus?" ermunterten sie mich. Der Kleinste brachte es auf den Punkt: "Du hast es versucht und dich ganz doll bemüht, weil Du uns lieb hast. Das ist genug - mehr als genug."
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Weihnachtsgeschichten unserer Autoren
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