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Das Fest der Liebe© Nadine GerlachSie hatte noch nie verstanden, was alle an diesem blöden Fest eigentlich fanden. Ihre Eltern hatten auch nie ein sentimentales Ereignis daraus gemacht. Es war ja nicht so, dass sie die Geschichte von dem Jesuskind nicht süß fand, aber wen interessierte das heute noch? Die Umfragen im Fernsehen zeigten deutlich, dass keiner wusste, warum Weihnachten überhaupt gefeiert wurde. Heute war Weihnachten doch ein einziges Konsumgelage. Und dieses Jahr versprach es besonders schrecklich zu werden. Ausgerechnet zwei Tage zuvor hatte ihr Chef ihr noch eine große Präsentation aufs Auge gedrückt, die am 27.12. fertig sein sollte, um dem Kunden gezeigt zu werden. Wie gesagt, Weihnachten bedeutete ihr eh nichts, aber dieses Mal sollte ihr Sohn zu Besuch kommen. Er lebte seit ihrer Trennung vor drei Jahren bei ihrem Exmann und sie sah ihn nur selten. Sie würde ja gerne mehr Zeit mit ihm verbringen, aber wenn sie Karriere machen wollte, musste sie eben viel Zeit in ihre Arbeit investieren. Es begeisterte sie nicht, aber sie musste ihrem Sohn für diese Weihnachtsferien absagen. Natürlich tat ihr das leid, aber jeder wusste doch, dass Frauen es heute noch schwerer im Berufsleben hatten. Stattdessen hatte sie sich wenigstens mit einer Freundin verabredet. Sie wollten am Weihnachtsabend in eine Cocktailbar gehen, denn ganz alleine war auch irgendwie frustrierend. Sie hatte es die ganze letzte Woche vor lauter Stress nicht geschafft einkaufen zu gehen. Jetzt war schon der 24., aber die Geschäfte hatten ja glücklicherweise vormittags ein paar Stunden auf. Sie zog sich also einen warmen Mantel an und stapfte durch den Schnee zu ihrem Auto. Das war offenbar mit den Temperaturen völlig überfordert und streikte. Also blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als zu Fuß den Weg in die Stadt anzutreten. Das war nicht weiter wild, es waren nur etwa fünfzehn Minuten in die Stadt, aber sie war seit Jahren nicht mehr zu Fuß gegangen. Es war anstrengender als sie dachte, zumal sie durch tiefen Schnee stapfen musste. Ein Blick auf die Uhr und sie hatte tatsächlich eine halbe Stunde gebraucht. Also schnell in den nächsten Laden und wieder heim. In dem Supermarkt herrschte absoluter Ausnahmezustand. Sie kämpfte sich durch den Laden. Es war wirklich schwer, alles zu bekommen, was sie noch brauchte. Die Regale waren so gut wie leer und die Gänge dafür umso voller. Das Fest der Liebe zeichnete sich hier durch hektische Menschen aus, die sie schubsten und drängten. Sie atmete auf, als sie endlich in Richtung Kasse gehen konnte. Und ihr stockte der Atem, als sie an der Kasse ankam. Die Schlange war ellenlang. Nach über einer geschlagenen Stunde Warten kam sie an die Reihe und erlebte die unfreundlichste Verkäuferin seit Jahren. Hätte sie nicht einfach nach Hause gewollt, wäre das noch in eine Diskussion ausgeartet. Kaum aus dem Supermarkt, bekam sie einen Anruf. Es war ihr Chef. Er begann mit einem Vorwurf, warum sie nicht zu Hause sei und an der Präsentation arbeite, sie wisse doch, wie wichtig das sei. Das Gespräch munterte sie erst recht nicht auf. Sie brauchte jetzt jemanden zum Reden, also rief sie ihre Freundin an, mit der sie am Abend in die Bar wollte. Die wimmelte sie ab, da ihr Exfreund zu Besuch sei, mit dem sie auch den Weihnachtsabend verbringen wollte. Es täte ihr leid, aber sie könne ja vorbeikommen, wenn sie wollte. Na klar, sie hatte auf nichts mehr Lust, als mit einem glücklichen Pärchen zu feiern und als fünftes Rad am Wagen daneben zu sitzen. Also würde sie völlig allein sein. Schlimmer ging es kaum noch. Sie beschloss sich ein Taxi zu rufen und nach Hause zu fahren. Die Taxizentrale teilte ihr mit, dass es an Weihnachten bei den Witterungsverhältnissen mindestens anderthalb Stunden dauern konnte, bis ein Taxi frei wurde. Sie verzichtete also, raffte ihre schweren Tüten hoch und machte sich auf den Weg zur Bushaltestelle. Sie hatte einfach keine Lust, jetzt auch noch zu laufen. Sie kam an der Haltestelle an, da fuhr der Bus gerade weg. Sie würde eine Stunde warten müssen. Sie stellte sich an die Haltestelle, als ein Lkw an ihr vorbeifuhr und sie von oben bis unten mit Schneematsch voll spritzte. Das war endgültig zu viel. Sie setzte sich auf die Bank an der Haltestelle, stellte die Tüten ab und brach in Tränen aus. Das war einfach zu viel Frust für einen Tag. Plötzlich hörte sie ein zartes Stimmchen: "Entschuldigung, ich glaube sie brauchen das mehr als ich." Es war ein kleines Mädchen, das an der Straßenecke mit seiner Mutter bettelte. Es streckte ihr etwa einen Euro in Cents entgegen. Sie schaute das Mädchen verdutzt an: "Wie kommst du denn darauf, dass ich das Geld nötiger brauche als ihr?" Das Mädchen schaute auf den Boden: " Na ja, ich habe meine Mama und sie sind ganz allein." Das Mädchen legte ihr das Geld in die Hand und lief zurück zu ihrer Mutter. Sie war völlig perplex, sie nahm ihre Taschen und dachte den ganzen Heimweg über das Mädchen nach. War diese Begegnung ein göttliches Wunder, um ihr die Augen zu öffnen? Sie machte sich das erste Mal Gedanken darüber, was wirklich wichtig ist und wie gut es ihr eigentlich ging. Sie hatte ein Heim, einen Job und einen Sohn, der sie liebt. Das war ihr persönliches Weihnachtswunder. Als sie zu Hause ankam, rief sie ihren Exmann an und bat ihn sie zum Weihnachtsfest abzuholen. Er willigte ein. Sie beschloss, ab sofort nie wieder etwas über das Zusammensein mit ihrem Sohn zu stellen. Denn das war wohl die wahre Bedeutung von Weihnachten, dem Fest der Liebe. Unser Buchtipp: Weihnachtsgeschichten unserer Autoren
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