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Duft aus längst vergangenen Tagen© Katinka SchneiderJonathan lag orthopädisch und ergonomisch perfekt gebettet auf dem stufenlos verstellbaren viscoelastischen Multifunktionssessel. Er hatte die Augen geschlossen, als ob er schlafen würde, aber in Wirklichkeit hing er alten Erinnerungen nach. Es war der 24. Dezember. Der große Niedrigenergiebungalow seiner Enkeltochter, die in diesem Jahr zum Weihnachtsfest eingeladen hatte, war erfüllt vom Stimmengewirr seiner großen Familie. Zwei Kinder und fünf Enkel hatte er, und inzwischen war er auch schon achtfacher Uropa. Seine Enkelin hatte ihre beiden Brüder mit Familie, ihre Eltern und ihn eingeladen, und Jonathan genoss zufrieden den Trubel, der ihn umgab. Besonders das ausgelassene Kinderlachen und aufgeregte Getuschel machte ihn sehr glücklich, und dösend schwelgte er in Weihnachtsträumen aus seiner eigenen Kindheit. Fast wäre er eingeschlafen, als er ein kleines Fingerchen spürte, das ihn ganz zart anstupste. Er öffnete sein linkes Auge einen Spalt breit und sah seine Urenkelin Aurelia vor sich stehen. Sie kicherte: "Du siehst aus wie ein alter Pirat!" Jonathan grinste. Dabei sah er noch runzeliger aus als sonst. Aurelia sah in fragend an: "Möchtest du einen Bratapfel?" Jonathan antwortete theatralisch: "Kapitän Jonathan eilt zu Tisch." Als alle hungrigen Bratapfelliebhaber, fast ausnahmslos Kinder, an der langen Tafel saßen, kam Aurelias Mutter Anna mit einem großen Tablett aus der Küche und stellte es auf den Tisch. Die Bratäpfel sahen perfekt aus - kugelrund mit glatter Haut, zart rosenrot gefärbt. Anna hatte die gentechnisch modifizierten Äpfel bereits gefüllt gekauft und innerhalb von Sekunden in der Mikrowelle zubereitet. Die Kinder machten sich gierig über die Äpfel her und veranstalteten nebenbei einen Schmatzwettbewerb. Jonathan aß langsam und still. Anna schaute ihn besorgt an: "Schmeckt dir der Apfel nicht?" "Doch", beruhigte Jonathan sie, "er schmeckt sehr gut. Er hat mich nur an früher erinnert." Die Kinder schauten ihn neugierig an und er fuhr fort: "Wisst ihr, als ich noch ein Kind war und meine Mutter Bratäpfel machte, da sahen die ganz anders aus." "Wie denn?", wollte Aurelias kleiner Bruder Franz wissen. Jonathan schmunzelte: "Nun, einfach nicht so schön. Früher hat man Bratäpfel noch im Backofen zubereitet, da schmorten sie und verbreiteten einen wunderbaren Duft, der durchs ganze Haus strömte. Man musste mich gar nicht zum Essen rufen, der köstliche Geruch zog mich magisch an. Die Äpfel sahen vom langen Schmoren ganz schrumpelig aus." "Wie dein Gesicht?", fragte Aurelias Cousine Emma keck. "Genau. Die Apfelhaut sah aus wie mein altes Hutzelgesicht und war karamellbraun gefärbt. Die Äpfel waren damals auch noch nicht durch Genveränderung resistent gegen jegliche Art von Schädlingen, und so fand ich einmal einen bedauernswerten kleinen geschmorten Wurm in meinem Bratapfel." Der kleine Franz schüttelte sich: "Wie ekelig." Die Teller der Kinder waren leer und sie standen auf um spielen zu gehen. Jonathan aber aß verträumt weiter, atmete tief ein und ahnte den Duft aus längst vergangenen Tagen. Als auch Jonathan fertig gegessen hatte, ging er wieder in den großen Wohnbereich und schaute den Kindern beim Spielen zu. Aurelias großer Bruder Leopold hatte zu seinem letzten Geburtstag einen Roboterhund geschenkt bekommen. Der lief gerade schwanzwedelnd und bellend zwischen den Beinen der Kinder herum. "Platz!", befahl Leopold seinem neuen Haustier. Der Hund setzte sich tatsächlich und hob den Kopf. Emma staunte: "Das ist ja toll! Wie funktioniert der denn?" "Das ist das neuste Modell. Er reagiert auf verschiedene Stimmen und Befehle", erklärte Leopold stolz. "Die Installation der Software war ziemlich kompliziert. Neu sind auch die Sensoren unter dem Fellimitat. So können die neuen Haustiere jetzt auch reagieren, wenn man sie streichelt." Emil streckte zaghaft seine Hand aus und fragte unsicher: "Darf ich ihn mal streicheln? Oder kann er auch beißen?" "Nein. Er wird besonders gerne hinter den Ohren gekrault.", ermunterte Leopold seinen kleinen Cousin, und während der Hund verwöhnt wurde, setzte er sich neben seinen Urgroßvater und erkundigte sich interessiert: "Hattest du als Kind auch ein Haustier?" "Ich hatte Kaulquappen", setzte Jonathan an, da unterbrach ihn Emma: "Was für Dinger?" "Aus Kaulquappen werden kleine Frösche oder Kröten. Mein sehnlichster Wunsch war aber immer eine Katze. Auf jedem Wunschzettel stand das an erster Stelle." Gedankenverloren fuhr Jonathan fort: "Im Nachhinein bin ich meinen Eltern dankbar, dass ich nur Kaulquappen beobachten durfte, denn allein schon der Tod eines so winzigen Tiers brach mir damals fast das Herz." "Meine Freundin hat eine Roboterkatze, aber Leos Hund ist viel besser", sagte Aurelia beiläufig. "Warum haben deine Eltern dir kein Tier geschenkt?", wollte Emma wissen. "Damals gab es noch keine Robotertiere, die man einfach ausschalten konnte, wenn man zum Beispiel in den Urlaub fahren wollte. Echte Tiere machen auch echten Dreck, werden wirklich krank und sterben irgendwann. Das alles wollten meine Eltern mir ersparen. Aber -", und dabei schaute Jonathan nachdenklich erst den Hund und dann die Kinder an "echte Tiere sind weich und warm, anhänglich und treu ..." Nun setzte sich auch Aurelia neben ihren Urgroßvater und kuschelte sich an ihn. Sie schaute ihn von der Seite an und fragte: "Was war denn noch anders, damals, als du so alt warst wie ich?" "Wie alt bist du denn inzwischen?", wollte Jonathan wissen, denn seit einiger Zeit konnte er sich so manches einfach nicht mehr merken. "Im Sommer bin ich neun geworden", antwortete Aurelia stolz. Jonathan schloss seine Augen und begann zu erzählen: "Als ich neun Jahre alt war, das war 2007, da lag an Weihnachten viel Schnee." "Hier in Deutschland?", unterbrach Leopold ihn ungläubig. Jonathan blickte seinen Urenkel ernst an: "Ja. Aber mit den Jahren fiel immer seltener Schnee, es wurde einfach zu warm. Vor 85 Jahren war es im Durchschnitt noch fünf Grad kälter. Auch in den Alpen waren die Gipfel irgendwann selbst im Winter grün. Aber ich bin schon so alt, dass ich als Kind noch Schlitten fahren und Schneemänner bauen konnte." Sehnsuchtsvoll murmelte Emma: "Ich würde auch gern mal einen Schneemann bauen." "Ich auch!", rief Emil. Betrübt nickte Jonathan: "Ja, heute ist so manches anders ... Die Adventszeit war für mich und meinen kleinen Bruder eine ganz magische Zeit. Geheimnisvoll und spannend. Wir bekamen selbstgemachte Adventskalender. Jeden Morgen durfte man ein Säckchen auspacken. "Und was war drin?", wollte Franz wissen. Jonathan dachte kurz nach: "Mal ein Bleistift, mal ein Aufkleber, ein kleines Auto oder ein fluoreszierender Stern." "Du Armer", meinte Leopold mitleidig. "Unser Adventskalender ist an den 3-D-Projektor angeschlossen und über das Internet abrufbar. Jeden Tag gibt's eine neue Überraschung wie Spiele, Videos und so." "Wow!", staunend zog Jonathan seine Augenbrauen in die Höhe. "Wahrscheinlich würde ich gar nicht an die Überraschungen rankommen. Ist mir zu kompliziert geworden, die Technik." "Dabei ist das ganz einfach", widersprach Leopold eifrig. "Komm, ich zeig dir mal was." Er holte sich eine Fernbedienung und deutete auf den Weihnachtsbaum. Der stattliche Baum befand sich in einer der Zimmerecken. Seine Nadeln glänzten in einem satten smaragdgrün. Geschmückt war er mit glänzenden Kugeln in allen nur erdenklichen Violettnuancen. Sie schimmerten wie Schwarzkirschen, Pflaumen, Brombeeren und Trauben, wie Lavendel, Flieder, Alpenveilchen und Stiefmütterchen. Feinstes Lametta zierte die Zweige und kleine Kerzen verbreiteten flackernd ein angenehmes Licht. Der wundervolle Anblick wurde plötzlich gestört durch eine Menüleiste, die neben dem Stamm auftauchte. Der technikbegeisterte Leopold drückte auf einige Knöpfe und auf einmal war gar nichts mehr zu sehen. Gähnende Leere, wo gerade eben noch der Baum gestanden hatte. Zum Staunen blieb Jonathan kaum Zeit, denn schon wurde er von seinem 11-jährigen Urenkel aufgefordert: "Sag mir mal, welches dein liebster Nadelbaum ist!" Da musste der alte Mann nicht lange nachdenken. Er erzählte: "Einmal haben wir uns eine Blautanne aus dem Wald geholt. Mein Vater hatte eine große Säge dabei. Mein Bruder und ich durften uns den Baum selbst aussuchen." "Und dein Vater hat ihn ganz alleine abgesägt?", wurde er von der staunenden Aurelia gefragt. "Ja. Wir Kinder mussten aufpassen, dass er nicht auf uns drauffiel. Er passte nicht ganz ins Auto, die Spitze hing aus dem Kofferraum raus. Geschmückt haben wir die Bäume immer alle zusammen. Wir hörten Weihnachtsmusik und fühlten uns ganz feierlich. Die Blautanne war ganz schön stachelig, ein Nadelbaum im wahrsten Sinne des Wortes. Aber sie war wunderschön!" Gedankenverloren blickte er in die leere Zimmerecke und lächelte verträumt, als würde er den Baum wahrhaftig sehen. Er zuckte vor Schreck zusammen, als unerwartet wie aus dem Nichts wirklich eine Blautanne im Zimmer stand. Leopold kicherte und fragte: "Wie möchtest du den Baum schmücken? Schau mal, hier kannst du die Kugelgröße, -anzahl und -farbe wählen. Probier's doch mal!" Jonathan wählte rot: himbeer-, erdbeer-, preiselbeerrot. Viele Kugeln, große und kleine. Kein Lametta. Honiggelbe Kerzen. Im Nu war der Baum geschmückt. "Wie schön!", wisperte Aurelia neben ihm. Und Leopold lobte laut: "Gut gemacht! Siehst du, war doch ganz einfach. Wir können jederzeit einen neuen Baum gestalten." In diesem Augenblick ertönte ein markerschütterndes Krähen aus der Ecke und Jonathan starrte entsetzt auf den Baum. Im gleichen Moment war dieser auch schon verschwunden und seine Enkelin Barbara saß mit ihrer Familie auf einem Sofa und strahlte ihn an. "Mama, Deine Cousine Barbara!", schrie Franz in die Küche. Leopold bemerkte stolz: "Den Klingelton für das 3-D-Bildtelefon hab' ich ausgesucht." Der Wohnraum füllte sich schnell mit allen anwesenden Familienmitgliedern. Übermütig lachend winkten die Kinder einander zu und die Erwachsenen wünschten sich ein frohes Fest. Anna erzählte ihrer Cousine, dass sie eine köstlich gefüllte Klongans für den Abend gekauft hatte, die Männer tauschten sich über sensationelle technische Neuheiten aus, und die Kinder rätselten herum, was sie wohl geschenkt bekommen würden. Alle plauderten munter und ausgelassen, als ob sie wirklich zusammen in einem Raum wären. Ganz unbemerkt in diesem ganzen Trubel saß ein schmächtiger alter Mann staunend auf dem Sofa und starrte ehrfürchtig diese Illusion an, die ihm so täuschend echt gegenübersaß. "Frohe Weihnachten, Opi!", klang die vergnügte Stimme seiner Enkelin ihm in den Ohren. Noch immer sprachlos nickte Jonathan ihr zu und hob die Hand zum Gruß. Im nächsten Augenblick war der utopische Zauber auch schon vorbei und die Familie zerstreute sich. Die Frauen gingen in die Küche und die Männer begaben sich auf das Hausdach, um dort die neu angelegte Bepflanzung zu besichtigen. Aurelia wollte der 7-jährigen Emma etwas in ihrem Zimmer zeigen, Franz und Emil kümmerten sich wieder um Leopolds Hund, und Leopold selbst kreierte einen neuen Weihnachtsbaum, der abermals märchenhaft glitzerte und funkelte, farbenprächtig leuchtend, verschwenderisch geschmückt. Jonathan atmete tief aus. Ein Bildtelefon, das dreidimensionale Holografien projiziert, hatte er noch nie gesehen. Er war überwältigt und auch ein bisschen durcheinander. Er lehnte sich auf dem behaglichen Sofa zurück, das sich optimal und wohltuend dem Körper anpasste, und beruhigte sich mit jedem Atemzug. Sein Blick fiel auf seine Hände. Die feingliedrigen Finger waren faltig, aber feinmotorisch immer noch ausgezeichnet beweglich. Krankheiten wie Gicht und Rheuma gehörten zum Glück der Vergangenheit an. Er bewegte seine langen Finger und bestaunte sie wie ein Wunder. Ihm kamen die unzähligen originellen Weihnachtskarten in den Sinn, die er mit seiner Mutter zusammen gebastelt hatte. Viele Adventsnachmittage lang hatten sie geschnitten und geklebt und gemeinsam auf sehr kreative Weise Jahr für Jahr neue fantasievolle Karten fabriziert. Er selbst verschickte dann als Erwachsener seine Weihnachtsgrüße als E-mail-Post über das Internet, problemlos per Verteiler. Seine eigene mail-box war im Dezember immer randvoll. Jetzt aber erst begriff er, was Leopold damit gemeint hatte, als dieser erzählt hatte, dass er täglich zahllose 3-D-Weihnachtsgrüße bekommen würde ... Seine Fantasiereise wurde unterbrochen, als die beiden Mädchen mit einer Schale Gebäck ins Zimmer kamen. Schnell waren sie umringt von den anderen Kindern, und viele kleine gierige Hände griffen in die bonbonbunte Pracht. "Meins schmeckt nach Maiglöckchen", schwärmte Aurelia genüsslich. "Meins nach Zuckerwatte", schmatzte Emil zufrieden. "Lasst mich mal so ein stachelbeergrünes probieren", prustete Emma, dass die Krümel nur so flogen. Auch Franz grabschte begeistert in die Schale und griff nach einer neonorangefarbenen Kugel. "Das sind die besten! Die schmecken nach Pfirsichcreme. Uropa, willst du auch eins?" Jonathan verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Er konnte die besten Grimassen schneiden. Die Kinder bogen sich vor Lachen. "Nein, danke", quetschte er hinter seiner spitz rausgestreckten Zunge hervor. Dann grinste er und sagte freundlich: "Das ist lieb von dir, Franz, aber dieses künstliche Gebäck ist nichts für meinen alten Magen. Als ich so jung war wie ihr, da schmeckten die Plätzchen noch nach Honig und Vanille, nach Nelken, Ingwer und Zimt, nach Kardamom, Anis und Piment. Das war die reinste Gaumenfreude. Die ganze Familie verarbeitete Berge von Teig in der Adventszeit. Wir rührten, kneteten, rollten und wälzten und waren von Kopf bis Fuß mehlbestäubt. Das ganze Haus roch süß nach den Gewürzen." "Wir haben in der Betreuung auch Plätzchen gebacken", wurde er von Emma unterbrochen. "Ja, aber heute gibt es nur noch diese fertigen Backmischungen mit Farbstoffen und künstlichen Aromen", wandte Jonathan ein. "Ihr stellt die Teigbällchen in die Mikrowelle und habt Sekunden später die fertigen Kekse vor euch stehen." "Ist doch gut, dass das so schnell geht, da haben wir mehr Zeit zum Spielen", nuschelte Franz mit vollem Mund. "Was spielt ihr denn so?", wollte Jonathan von seinen Urenkeln wissen. "Wir haben tolle 3-D-Computerspiele", kam es aus Leopolds Richtung. Aurelia berichtete: "Ich spiele am liebsten Fremdsprachenlernspiele." "Spielt denn keiner von euch ein Musikinstrument?", hakte Jonathan nach. Als die Kinder nur die Köpfe schüttelten, forschte er weiter: "Wie sieht's mit malen aus, oder basteln? Habt ihr für eure Eltern ein Weihnachtsgeschenk gebastelt?" "Keine Zeit", erwiderte Leopold knapp. "Wir sind doch den ganzen Tag in der Schule, nachmittags haben wir verschiedene Lern-AGs und müssen Selbstkontrolltests schreiben." Emil verkündete stolz: "Im Kindergarten haben wir am PC einen Tannenbaum geschmückt und ausgedruckt. Das Bild schenke ich meinen Eltern!" Jonathan nickte langsam: "Stimmt, ihr werdet ja den ganzen Tag in Schule und Kindergarten betreut, weil eure Eltern alle arbeiten. Ich bin als Kind nur vormittags in den Kindergarten und die Schule gegangen. Am Nachmittag hatten wir Zeit, um uns mit Freunden zu treffen, im Garten zu spielen oder eben zu malen und zu basteln. Ich hab meinen Eltern und Großeltern immer was Selbstgemachtes geschenkt. Meine Mutter war, wie die meisten Mütter damals, nachmittags zu Hause. Sie hat mir auch das Flöte Spielen beigebracht. An Heiligabend haben wir Weihnachtslieder gesungen und ich hab dazu geflötet." Aurelia sah ihren Urgroßvater staunend an und fragte bittend: "Kannst du uns mal was vorspielen?" Ein geheimnisvolles kleines Lächeln huschte über Jonathans Gesicht: "Mal sehen ..." Ein bisschen schade fand Jonathan es schon, dass durch den globalen Wettbewerb Kreativität und Fantasie, Musik und Kunst so unwichtig geworden waren. Was zählte war, in kürzester Zeit so viel wie möglich zu lernen. Doch wenn er sich seine pfiffigen und vergnügten Urenkel so betrachtete, verflog der Hauch von Traurigkeit schnell. Emil und Franz: verspielt und fröhlich, Emma: gewitzt und mit sorglosem Temperament - ein wahrer Luftikus; Und seine einfühlsame Aurelia mit den großen schimmernden Augen, die so eine friedliche Ruhe ausstrahlten. Leopold mit seiner selbstbewussten Persönlichkeit, aufgeweckt und überaus begeisterungsfähig ... Da kam Anna und forderte die Kinder auf sich anzuziehen. "Wir fahren gleich zur Kirche. Der ökumenische Weihnachtsgottesdienst beginnt in einer halben Stunde." In Windeseile zogen sich die Kinder an, denn sie wussten: Nach Gottesdienst und Abendessen würden sie endlich ihre Geschenke bekommen ... Sie fuhren mit den zwei Solarautos von Annas Brüdern, beide wahlweise auch mit Biokraftstoff zu fahren und mit jeweils acht bequemen Softsitzen ausgestattet. Der Autopilot wurde programmiert und brachte sie sicher zur Kirche. Das Gotteshaus war, wie jedes Jahr zu Weihnachten, sehr voll, aber sie fanden alle einen Platz dicht beieinander. Als die Orgel zu spielen begann, wurde es ganz still. Andächtig lauschte jeder dem feierlichen Klang der Melodie. Die Erwachsenen wie auch die Kinder hörten aufmerksam der Predigt zu und nahmen sich den Sinn der uralten Worte zu Herzen. Der Gesang der Gemeinde war kraftvoll. Jonathan saß inmitten seiner Familie. Sein Herz wurde von einer tiefen warmen Dankbarkeit durchströmt. Er blickte zurück auf ein ereignisreiches Leben voll von aufregenden Neuerungen und spannenden Veränderungen. Aber hier in der Kirche blieb der unaufhaltsame Fortschritt und die stetige Zukunftsmusik vor der Tür. Das Alte war anwesend, spürbar nah Tradition, Brauch und Glaube. Alles war wie immer, man konnte sich fallen lassen in das Vertraute, konnte ohne Termindruck die weihnachtliche Stimmung auf sich wirken lassen. Als die Menschen sich zum Gebet erhoben, schloss Jonathan seine weisen Augen und eine Träne rollte leise die furchige Wange herunter ... Unser Buchtipp: Weihnachtsgeschichten unserer Autoren
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