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Weihnachtsgeschichten Band 2 Hrsg. Ronald Henss Dr. Ronald Henss Verlag ISBN 978-3-939937-03-6 beim Verlag bestellen bei amazon bestellen
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Pablos erste Weihnachten© Evelin MonscheinWir leben zu sechst hier in diesem Haus. So eine Art Wohngemeinschaft. Ich glaube, ich war als erster hier. Daher gehört mir das Haus. Einige meiner Mitbewohner gehen doch tatsächlich aufrecht auf zwei Beinen und haben nur am Kopf ein Fell. Na ja, jeder wie er glaubt. Sie sind manchmal etwas sonderbar, aber im großen und ganzen ok. Man kann sie wirklich zu vielem gebrauchen. Und was das Beste an ihnen ist: sie gehorchen aufs Wort. Man steht in der Küche und erwähnt so nebenbei, dass man Hunger hat - und schwupp - schon füllen sie einem die Schüssel. Manchmal tu ich das einfach, weil es sie so freut, wenn sie mir behilflich sein können. Ich hab schon mal überlegt, ob ich lernen soll, die Haustür selbst zu öffnen, aber es ist absolut nicht nötig, denn es genügt ein zartes "Miau" - und schon ist einer da und lässt einen hinaus. Oder auch herein - je nachdem, auf welcher Seite der Tür man sich befindet. Eine sonderbare Angewohnheit haben sie jedoch: sie liegen nachts ständig am Rand meines Bettes. Sie kommen meist, wenn ich bereits schlafe und glauben ich merke es nicht. Einer hat sogar einmal versucht, mir gegenüber zu behaupten, das sei sein Bett. Nun ja, zumindest versuchen sie, mich so wenig wie möglich zu stören. Ja, und dann haben wir noch einen. Sieht fast aus wie ich, hat auch vier Beine, jedoch viel zu große, herunterhängende Ohren, dazu ist er riesengroß und sehr plump. Und längst nicht so schön und klug wie ich. Er dürfte Ausländer sein, denn er spricht eine andere Sprache. Klingt irgendwie wie "Wau Wau". Und er hechelt immerzu dienstbeflissen hinter den Zweibeinern her. Mich nennen sie Pablo oder Katerchen. Ihn nennen sie Sam. Wir haben auch einen gemeinsamen Namen, nämlich "Lass das". Klingt irgendwie bescheuert, aber sie verwenden diesen Namen sehr oft. Manchmal kommen fremde Kater in unseren Garten. Die haben hier aber nichts zu lachen, denn bei Besitzstörung kenne ich keinen Spaß. So mancher hat schon als geschlagener Held das Feld räumen müssen. Manchmal bin auch ich der geschlagene Held, aber das dürfen meine Leute nicht merken. Sie könnten sonst den Respekt vor mir verlieren, was eventuell einen Autoritätsverlust zur Folge hätte. Es ist schon besser, ich lasse sie in dem Glauben, dass ich der Größte und Stärkste unter der Sonne bin. Weil wir grade von der Sonne reden - um die mach ich mir ziemliche Sorgen in letzter Zeit. Sie wird immer schwächer. Sie schafft es einfach nicht mehr, den Garten warm zu halten. Und manchmal ist sie überhaupt verschwunden. Ich will in den Garten gehen - und was ist? Saukalt ist es, keine Sonne weit und breit und oft fallen sogar jede Menge Wassertropfen vom Himmel. Meine zweibeinigen Mitbewohner haben für solche Fälle kleine runde Dächer, wenn sie aus dem Haus gehen. Die halten sie sich über den Kopf, damit sie nicht nass werden. Wenn sie sie grad nicht brauchen, dann stehen diese Dinger zusammengefaltet in so einem komischen runden Ding. Unsereiner hat so etwas natürlich nicht. Man hätte ja auch gar keine Pfote frei, um das zu tragen. Denn was ein ordentlicher Kater ist, der benützt alle vorhandenen Pfoten zum Laufen. Aber was mir heute Morgen passiert ist, das hat mich förmlich umgehauen. Ich wollte frohgemut in den Garten gehen, und als ich aus der Tür trat, da war der ganze Garten bedeckt mit einer weißen Masse. Was haben sich meine Leute denn da nur wieder ausgedacht?? Muss das sein? Der schöne Garten! Alles zugedeckt! Ich setze vorsichtig eine Pfote in dieses undefinierbare Etwas. Brrrrrrr! Das ist ja eisigkalt und nass. Nein! Nichts für mich. Ich gehe wieder ins Haus und rolle mich auf dem Sofa ein, um eine Runde zu schlafen. Als ich nach einiger Zeit wieder erwache und aus dem Fenster gucke, sehe ich, dass das weiße Zeug in rauen Mengen vom Himmel fällt. Richtig dicke Flocken sind das. Ist ja nicht zu fassen. Ich hoffe, das hält nicht zu lange an. Ich will den Garten wieder so haben, wie er war. Mit viel Sonne, mit Wiese und mit Büschen, von denen man die Blätter herunter fetzen kann. ("Lass das, Pablo!") Irgendwie sind meine Leute hektisch in letzter Zeit. Gar nicht so wie sonst. Vielleicht sind sie auch ein wenig durcheinander wegen dieses weißen Zeugs vor dem Haus. Auf alle Fälle haben sie etwas ganz Irres gemacht. Sie haben einen Baum herangeschleppt und ins Wohnzimmer gestellt! Und nicht nur das: sie hängen auch noch lauter komische Dinge drauf. Kugeln und Silberfäden und so Zeugs. Ich pirsche mich langsam und vorsichtig an. Und dann hole ich aus und versetze einer dieser glänzenden Kugeln einen Hieb mit meiner Pfote. Oh Gott, besonders gut haben sie die nicht montiert. Bei der ersten Berührung fällt dieses blöde Ding zu Boden - und ist auch plötzlich gar keine Kugel mehr. Irgendwie schade drum. Obwohl diese vielen glitzernden Einzelteilchen, die nun auf dem Boden verstreut liegen, auch niedlich aussehen. Man könnte vermutlich tolle Spiele damit spielen. Erwartungsfroh schwinge ich die Pfote. Aber sie lassen es mich ja nicht einmal versuchen. Sie rufen mich bei meinem vollen Namen: "Lass das, Pablo!" Und wenn sie das tun, dann wollen sie, dass ich aufhöre - egal was ich grad tue. Ich gebe meistens nach. Es wäre nicht sehr geschickt, seine Leute zu verärgern, denn man weiß nicht, wo man so schnell neue herkriegen soll, wenn die einem den Dienst aufkündigen. Ist ja gar nicht so einfach heutzutage! So trolle ich mich davon. Sie wollen sich offenbar versöhnlich zeigen und rufen mir nach: "Geh doch hinaus in den Schnee, Pablo! Spiel draußen. Das gefällt dir sicher!" Schnee heißt das Zeug da draußen also. Ja, genauso sieht es auch aus! Und wie kommen sie bloß auf die Idee, dass mir das gefallen könnte! Beleidigt verzieh ich mich aufs Sofa. Aber dieser Baum lässt mir keine Ruhe. Sie werden doch wohl nichts dagegen haben, wenn ich mal an diesen glitzernden Fäden ziehe. Fäden und Schnüre sind einfach für Katzen gemacht. Da können sie doch gar nichts dagegen habe. Ich schleich mich also wieder an. Sie stehen immer noch alle um diesen Baum und hängen Dinge auf. Seltsame Beschäftigung. Sie bemerken mich nicht - und so strecke ich meine Pfote aus und zieh mal ordentlich an den Fäden. Hoppla!! Da gerät ja der ganze Baum ins Schwanken! Recht lustig, wie sie da schreien und den Baum festhalten. Einer hebt mich nun auf, trägt mich in den Raum, wo sie das Essen zubereiten. Und leider vergisst er, als er den Raum wieder verlässt, die Tür offenzulassen. Sie sollten sie aber schon wissen, dass ich keine Türen öffnen kann. Nun, wenigstens haben sie auf dem Küchentisch einen Teller Kekse für mich bereitgestellt. Ich springe auf den Tisch und beginne genüsslich, die Kekse zu verzehren. Es sind sehr viele - eigentlich viel zu viele. Bei den letzten beginne ich schon zu würgen. Aber man will ja nicht unhöflich sein. Letztendlich ist mir ein wenig übel, und ich lege mich auf den Küchenstuhl, um zu schlafen. Nicht sehr gemütlich, aber was soll's. Geweckt werde ich durch laute Schreie: "Pablo!!! Wo sind die Kekse???! Na, wo werden sie wohl sein? Ich blinzle ihnen verständnislos und halbschlafend entgegen und antworte mit einem höflichen: "Miau!" Irgendwie scheinen sie es zu bereuen, dass sie mir die Kekse hergestellt haben. Einer hebt mich auf und befördert mich ins Freie. In den Schnee! Das ist ja wohl die Höhe! Krank werde ich werden! Den Tod werde ich mir holen! Ich wate bis zum Bauch im Schnee zum Gartentor und schlüpfe unten durch. Draußen treffe ich Hans, den Nachbarkater. "Haben sie dich auch rausgeschmissen?", fragt er mitleidig. "Ja", erwidere ich, "und sie sind sowieso ganz anders als sonst. Sie haben mir einen Teller Kekse auf den Tisch gestellt. Ich hab sie verspeist, und nun werfen sie mir vor, dass sie weg sind!" "Ich weiß", entgegnet der schwarze Hans, "es ist Weihnachten und da sind sie immer so. Ich erlebe das schon seit Jahren mit!" "Weihnachten? Was zum Geier ist denn das?" frage ich verwundert. "Ach, nichts besonderes", entgegnet Hans, "soviel ich weiß, ist da einer geboren, der Jesus heißt!" "Ein Kater?" erkundige ich mich neugierig. "Aber nein", belehrt mich Hans, "einer von den anderen. Ein Mensch eben!" "Und für den stellen sie so einen Baum mitten ins Haus?" Ich kann es nicht fassen. Hans erzählt weiter: "Die hatten kein Geld damals, die Leute. Jesus Mutter hat ihn in einem Stall zur Welt gebracht und sie haben ihn in eine Krippe gelegt. Er ist dann später ein sehr bedeutender und weiser Mann geworden, der viel für uns alle getan hat. Ich weiß aber nicht genau, was. Und weißt du was? Angeblich mag der uns alle schrecklich gern. Alle Menschen und alle Tiere. Und darum feiern wir eben Weihnachten. Und daher schleppe sie auch einen Baum heran und schmücken ihn, und sie geben sich gegenseitig Geschenke!" Oh Gott, Geschenke! Das wusste ich nicht. Ich hab kein Geschenk für sie! Was soll ich bloß tun? Ich verabschiede mich von Hans und bedanke mich für die Informationen. Nachdenklich streune ich noch ein wenig durch die Gegend. Soll ich einen Vogel erlegen und als Geschenk nach Hause bringen? Oder eine Maus? Ab ich hab das blöde Gefühl, dass das nicht passt. Und außerdem ist mir zu feierlich zumute zum Jagen. Denn das mit dem Jesus und den Geschenken, das berührt mich irgendwie ganz sonderbar. Es ist spät geworden. Saukalt und dunkel. Ich muss nach Hause. Ob ich nun ein Geschenk habe oder nicht. Ein wenig traurig bin ich schon, denn ich mag diese sonderbaren zweibeinigen Wesen bei mir zu Hause und würde ihnen gern eine Freude bereiten. Sam, der Idiot hätte auch einen Ton sagen können wie das ist mit Weihnachten. Der lebt schon lange genug in dieser Familie, um Bescheid zu wissen. So schleich ich etwas bedrückt nach Hause. Ich klopfe an die Terrassentür und einer meiner Leute öffnet mir. Ich sag ihm am besten gleich, was Sache ist. "Miau", sage ich. Und dann erkläre ich ihm wortreich und mit vielen "Miaus" in allen Tonlagen, dass es mir geht wie den Leuten von Jesus. Ich hab kein Geld, um was zu kaufen. Und irgendwie wollt ich auch nichts jagen, weil mir so friedlich und feierlich zumute war. Und so steh ich nun da mit leeren Pfoten. "Da bist du ja endlich, Pablo", sagt er, und er wirkt sehr erleichtert, "wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht!" Und er hebt mich hoch und trägt mich ins Haus. Ich schnurre zufrieden. Das ist eine Begrüßung, wie ich sie mag. Im Wohnzimmer sind sie schon alle versammelt. Und man glaubt es nicht, auf den Baum haben sie Lichter montiert. Die leuchten und strahlen, dass es eine Freude ist. Sie haben sogar etwas drauf gehängt, das mit kleinen Feuersternchen um sich schießt. Ich erzähl schnell noch mal meine Geschichte, warum ich keine Geschenke habe. Aber das scheint ihnen nicht so wichtig zu sein. Ich bin nicht einmal sicher, ob sie alles verstehen, was ich da so miaue. Aber sie freuen sich, dass ich da bin. Sie mögen mich - und ich mag sie auch. Das genügt doch, oder? Und dann singen sie noch ein Lied. Und Sam und ich singen lautstark mit. Wir singen irgendetwas von einer Stillen Nacht. Na, ich hab auf alle Fälle schon stillere Nächte erlebt. SPIEGEL ONLINE Bestsellerautorin Patricia Koelle
Weihnachtsgeschichten von Patricia Koelle
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