Weihnachtsgeschichten - Adventsgeschichten
Kurzgeschichte Weihnachten Weihnacht Advent
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Bärige Weihnachten

© Beate Röttger

Eisig bläst der raue Wind über die nördliche Erdhalbkugel. Mit geradezu ohrenbetäu-bendem Lärm und ungeheurer Kraft lässt er große und kleine Eisschollen aufeinan-der krachen, um sie so für die nächste Zeit unerbittlich miteinander zu verschmelzen.

Schneeflocken wirbeln in rasender Geschwindigkeit durch die Luft. Bizarr füllen sie alle restlichen Ritzen und Spalten der Eisgiganten. Ganz eigenwillige, von klirrender Kälte geprägte Landschaft entsteht.

Väterchen Sturmwind ist in prachtvoller Stimmung. So viel Spaß hat er schon eine ganze Weile nicht mehr gehabt.

Rücksichtslos vertreibt er die wenigen hier lebenden Tiere. Nun ist der Polarkreis sein Revier, daran lässt er keinen Zweifel.

Auch Benno Bär hat sich mit seiner Mutter auf den Weg in Richtung Süden begeben.

Der Weg ist beschwerlich, denn immerhin hat er es seiner Mutter gleichgetan und sich einen ordentlichen Fettwanst angefressen. Außerdem ist er sehr, sehr müde - es ist Zeit für den wohlverdienten Winterschlaf.

Vorher gilt es jedoch noch zu schuften, denn ohne eine schützende Eishöhle kann selbst ein Eisbär mit seinem warmen Pelz nicht in dieser arktischen Kälte überwin-tern. So sagt jedenfalls seine Mutter.

Wenn es nach Benno ginge, würde er es durchaus mal versuchen. Aber - er ist noch zu jung und unerfahren, um seine Entscheidungen selbst zu treffen.

Und, da er keine Lust auf Ohrfeigen von seiner Mutter hat - die ihn jetzt schon ziem-lich laut anbrüllt - setzt er seine Tatzen ein, zeigt seinen guten Willen, gräbt eifrig und zeigt seine architektonischen Baukünste.

Schon bald können sie das frisch erstellte Meisterwerk beziehen und sich dem er-sehnten Schlaf mit jedem Kilo hingeben.

Obwohl Benno ziemlich schläfrig ist, kann er noch nicht zur Ruhe kommen. So viel Neues hat er gelernt und dabei viele Abenteuer erlebt.

Er weiß noch ganz genau, wie er von Eisscholle zu Eisscholle gesprungen ist. Wie schwer es war, auf den kleinen, rutschigen Eistellern zu balancieren - und wie er plötzlich durch eine ungeahnte Wasserkraft weit, weit abgetrieben wurde.

Zugegeben, ein bisschen Angst hatte er schon. Ehrlich gesagt hatte er eine Heiden-angst.

Seine Mutter hatte er gänzlich aus den Augen verloren und auch sonst war außer Eis und Wasser gar nichts mehr zu sehen.

Auch wusste er nicht mehr die Himmelsrichtung, welche den Weg in sein Revier zeigte.

Tieftraurig dümpelte er auf seiner kleinen Eisinsel auf und ab. Er war überzeugt, nie wieder nach Hause zu kommen.

Auf einmal krachte es wie Donnerschlag.

Benno kugelte mindestens fünfmal über Kopf. Ganz schwindelig war ihm.

Noch benommen hörte er ein herzzerreißendes Lachen neben sich. Dieses Etwas hörte gar nicht wieder auf mit dem Gekicher.

Benno war ziemlich durcheinander. Was war passiert und wer war eigentlich dieses braune Wesen, welches wie er aussah?

Die Antwort kam wie von selbst: "Ich heiße Gregor Grizzlie", sagte der braune Petz. "So etwas Komisches wie deine Landung habe ich ja noch nie gesehen. Wie heißt du und wo kommst du her"?

Benno erklärte in kurzen Worten, was passiert war. Er war froh, dass er Gregor ge-troffen hatte, der ihn sofort tröstend in die Arme nahm und ihm zuversichtlich ver-sprach, dass alles wieder in Ordnung kommt. "Nur ein wenig Geduld musst du ha-ben, bis der Wind dreht und die Temperaturen noch ein wenig sinken", sagte Gregor.

Gregor Grizzlie und Benno Eisbär nutzten die Zeit. Sie spielten und tollten den gan-zen Tag. Und wenn es etwas zu entdecken galt, hielt sie nichts zurück.

Eines Tages machten sie einen Streifzug durch den großen kanadischen Wald. Ur-plötzlich tauchten merkwürdige Behausungen vor ihnen auf.

"Das müssen Menschenwohnungen sein", sagte Gregor. "Lass uns einmal nachse-hen wie die so leben."

Benno war es gar nicht geheuer, aber die Neugier war größer. Bäuchlings schlichen sie sich an. Es war nicht viel los im Höhlendorf. Aber herrliche Gerüche umspielten die großen Bärennasen.

Zu gerne hätten sie mit der großen Pranke einmal zugelangt, aber instinktiv wussten sie, dass äußerste Vorsicht geboten war und so wagten sie nur einen winzigen klei-nen Blick in eines der offenen Fenster.

Es war Weihnachten.

Gregors und Bennos Augen sahen auf einen herrlich geschmückten Tannenbaum mit vielen Lichtern. Bunte Kugeln und glitzernde Ketten zierten die Zweige. Er sah so festlich, ja so wundersam verzaubert aus, dass die zwei Bärenfreunde fast die Zeit vergaßen.

Mittlerweile hatte sich das Wetter geändert. Dicke Schneeflocken fielen vom Himmel und die Temperaturen sanken stetig. Die Zeit für Bennos Heimkehr war gekommen. Zwar freute sich Benno auf sein Zuhause - seine Mutter hatte sich bestimmt schon große Sorgen gemacht -, dennoch blieb ein wenig Schwermut zurück. Würde er sei-nen neuen Freund je wieder sehen?

Die Erinnerung an seinen Freund Gregor, die wunderschöne Zeit mit ihm, die aben-teuerlichen Erlebnisse und dieser wundersame Baum lösten Sehnsucht und Trauer in ihm aus.

Schon kullerten dicke Tränen aus seinen Augen. Warum können nicht auch Bären Weihnachten mit Freunden feiern und dabei festlich schmausen?

Benno schlief über seinen Kummer ein. Es war ein leichter, traumloser Schlaf und hin und wieder kullerte noch die eine oder andere Träne über sein wuscheliges Bären-gesicht.

Währenddessen hatte sich ein kleiner Braunbär auf den Weg in Richtung Norden gemacht. Ausgerüstet mit einem stattlichen Tannenbaum bahnte er sich gerade den Weg durch die Eisschollen.

Bitterkalt war es, aber Gregor fror keineswegs. Voll freudiger Erwartung, seinen Freund Benno am Weihnachtstag zu überraschen, stapfte er durch dicke Schneefel-der geradewegs auf die Eishöhle 383 zu.

Natürlich hatte er vorgesorgt und alle Eisbären im Umkreis von 80 Kilometern aufge-fordert, ihren Winterschlaf für nur eine Nacht zu unterbrechen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass eine beachtliche Anzahl von Eisbären bereits auf ihn warte-te. Nur einem hatte Gregor kein Sterbenswörtchen verraten - Benno.

Schnell wurde ein tiefes Loch für den Baumstamm gegraben, die Tanne aufgestellt und - oh Wunder - der Winter und der Nordwind schmückten ihn auf märchenhafte Weise.

Lange Zapfen sowie dicke Eiskristalle hingen von den Ästen. Mutter Eisbär hatte heimlich die gefrorenen Tränen von Benno aufgesammelt. Diese kleinen Kugeln ver-teilte sie so, dass es aussah, als ob eine Perlenschnur den Baum zierte. Ja, und weil der Nordwind schon immer einen guten Draht zu den Nordlichtern hatte, gesellten auch sie sich zu der außergewöhnlichen Weihnachtsgesellschaft.

Nun war es an der Zeit, Benno aus seinem Bärenschlaf zu wecken. Gregor musste schon ordentlich an seinen Ohren ziehen und ihn kräftig rütteln bis endlich eines der Augen ein wenig zwinkerte und den Blick in Gregors Gesicht fallen ließ.

Wie vom Blitz getroffen sprang Benno auf und stellte sich auf seinen vier Tatzen. Konnte er seinen Augen trauen?

Wie groß die Freude wirklich war, lässt sich nicht in Worte fassen.

Benno und Gregor hüpften und tanzten. Fast wäre dabei die kunstvolle Eishöhle Nr. 383 auseinander geborsten. Doch das Schönste für Benno, aber auch für Gregor und die anderen Bären, kam erst kurze Zeit später - nämlich dann, als ihn Gregor auf den Weihnachtsplatz führte.

Benno konnte es nicht fassen. Seine Mutter, alle seine Freunde und Bekannten standen auf dem Festplatz und mittendrin der schönste Weihnachtsbaum der Welt, welcher so prachtvoll von den Nordlichtern angestrahlt wurde, dass einem das Herz vor lauter Vergnügen aus der Brust springen wollte.

Als Gregor seinem Freund Benno nun auch noch Schlittschuhe zum Weihnachtsfest schenkte, damit sie sich des Öfteren besuchen konnten, war Benno der Bär total ü-berwältigt.

Es war nicht nur der herrlichste Tag in seinem Leben, es waren obendrein die ersten und die schönsten "Bärigen Weihnachten".

Aber ganz bestimmt nicht die letzten.

SPIEGEL ONLINE Bestsellerautorin Patricia Koelle

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