Unser Buchtipp Weihnachtsgeschichten Band 3 Dr. Ronald Henss Verlag ISBN 978-3-939937-07-4 beim Verlag bestellen bei amazon bestellen
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Jochanaans Entdeckung© Che SeibertJochanaan hockte in der Nähe des Feuers und bemühte sich, nicht aufzufallen. Eigentlich sollte er nicht hier sein. Einer der Männer wollte ihn schon wegscheuchen. Doch gerade in dem Moment waren diese Fremden gekommen. Ein Mann mit einem Esel, darauf seine schwangere Frau, die sehr schwach wirkte. Der Mann hatte den Wirt angefleht, ob sie noch einen Raum für ihn und seine Frau hätten. Sie sei kurz davor zu gebären, und alle anderen im Dorf hätten sie schon weggeschickt. Er sei ihre letzte Hoffnung. Aber der Wirt schüttelte unwirsch den Kopf. Da rief Sacharja, einer der anderen Männer: "Lass sie doch in den Stall gehen, du hast doch gerade Deine Ochsen verkauft, da ist in der Ecke noch Platz." Jochanaan hatte kräftig genickt in seinem dunklen Winkel. Er hatte Mitleid mit den Fremden. Seine Familie kämpfte auch immer wieder mit Schwierigkeiten in fremden Gegenden und war froh, wenn sich Menschen freundlich zeigten. Und er wusste aus seiner Welt, dass die Frauen immer Ruhe brauchten, wenn sie Kinder bekamen. Und die Männer mussten allerlei Anstrengungen unternehmen, um für ein paar Tage so etwas wie ein Heim zu schaffen. Als Mirjam, so hieß die Frau, er hatte den Mann zu ihr reden hören, einen Augenblick ans Feuer trat, sah Jochanaan, wie schön sie war, trotz des Tuches, das ihr Haar verhüllte. Dann fasste der Mann sie am Arm, nachdem er den Esel abgeladen hatte, und ging mit ihr in Richtung Stall. Eigentlich sollte Jochanaan nur etwas Mehl gekauft haben. Sein Vater hatte ihm ein paar Kupfermünzen gegeben und ihn angewiesen, nicht herumzutrödeln. Er hatte seine Aufgabe auch erledigt, aber Jochanaan war ein neugieriger Junge, er konnte stundenlang im Schatten hinter den Männern hocken und ihren Gesprächen lauschen. Im Moment war der Aufruf zur Volkszählung von Pontius Pilatus, dem verhassten Römer, das Thema. Ein paar Männer fragten leise, wofür das eigentlich gut sein solle. Die Römer wollten doch sicher wieder nur mehr Steuern erheben. Warum sollte man sonst die Menschen zählen? Nur Sacharja versuchte ein paar Male, die Aktion zu verteidigen. Aber er war Zöllner, und die anderen fuhren ihn an: "Schweig still, Römerfreund, sonst kannst Du Dir einen anderen Platz suchen. Du kannst froh sein, dass Du hier bei uns sitzen darfst." Sacharja maulte noch ein wenig, nahm aber dann den ziegenledernen Weinschlauch und ließ den Wein in seinen Mund rinnen. Jochanaan wusste nicht so genau, was ein Zöllner war. Aber wohl nichts Gutes, so viel war sicher. Obwohl Sacharja derjenige gewesen war, der sich für die Fremden eingesetzt hatte. Komisch. Und was waren eigentlich Steuern? Er wagte nicht zu fragen. Ein paar Male waren Männer zu ihnen gekommen, einmal auch begleitet von zwei oder drei Römern, die mit den Männern seiner Familie im großen Zelt verschwanden. Dann wurde eine Zeitlang gestritten, man konnte es überall hören, und da war auch das Wort Steuern gefallen. Dann gingen die Männer wieder. Und in den nächsten Wochen gab es weniger zu essen als sonst. Als er nachgefragt hatte, schüttelte sein Vater nur den Kopf, und seine Mutter fing an zu weinen. Auf einmal hörte Jochanaan ein Stöhnen aus dem Stall. Auch die Männer am Feuer hatten es mitbekommen, ihre Köpfe wanderten kurz in die Richtung. Aber dann kreiste wieder der Weinschlauch, und ihre Stimmen schwollen an. Jochanaan schlich vorsichtig um die Runde und lehnte sich an die Tür zum Stall. Er vernahm ein stoßweises Atmen und die beruhigende Stimme des Mannes. Ob die Frau jetzt gerade ihr Kind bekam? Er hatte es im Lager schon ein paar Male von Ferne mitbekommen, wenn die Familie größer wurde. Irgendwie war fast immer eine der Frauen schwanger. Und dann machten die anderen ein großes Aufhebens, die Männer mussten sich verziehen, und irgendwann trat die älteste der Frauen mit einem roten quäkenden Etwas vor das Zelt, und alle waren begeistert. Aber hier gab es keine andere Frau. Überhaupt war in den Dörfern, an denen sie auf ihren Wanderungen vorbeikamen, alles anders als bei seiner Großfamilie. Die Frauen liefen nur im Haus herum, man bekam wenig von ihnen mit, die Männer waren oft unfreundlich und gemein zu den Frauen und spielten sich auf. Und abends am Feuer hatte keine Frau etwas zu suchen. Komisch war das. In seiner Familie spürte Jochanaan mehr Gemeinschaft. Sie alle waren dauernd unterwegs mit den Tieren, da waren sie aufeinander angewiesen, hielten zusammen. Aber bei der Geburt? Das war Frauensache. Hier jedoch war keine Frau zu sehen. Sollte er zum Feuer gehen und fragen? Aber die Männer würden sicher über ihn lachen und ihn dann fortschicken. Sie hatten ihn einfach bisher vergessen und deshalb nichts mehr gesagt. Plötzlich ertönte ein heller Schrei aus dem Stall. Ein Kind. Mirjam hatte ihr Kind bekommen. Kurze Zeit später schwang die Tür auf, und der Mann trat heraus. Er stutzte, als er Jochanaan sah, ging dann aber weiter zu den Männern am Feuer. Einer der Männer blickte zu ihm auf, fragte etwas. Der Mann sagte: "Ja, ein Sohn." Eine Glückwunschwelle brandete auf, dann waren sie wieder in ihr Gespräch vertieft. Jochanaan ahnte, dass der kurze Augenblick der Aufmerksamkeit nur daran lag, dass es ein Sohn war. Söhne waren mehr wert, unter Männern. Die Frauen hatten alle Kinder gleich lieb, aber die Männer ... Der Wirt stand auf, ging mit dem Mann zu einem Schuppen und holte ihm eine Hacke heraus. Sicher wollte der Mann die Nachgeburt vergraben, damit keine wilden Tiere angelockt würden. Seine Mutter hatte ihm das einmal erklärt. Die Nachgeburt, das war der Rest von dem Kuchen, wovon die Kinder im Bauch der Mutter lebten, sozusagen. Auch bei ihm sei das so gewesen. Er konnte sich das nicht vorstellen. Aber wenn seine Mutter das sagte, musste es stimmen. Bisher hatte noch immer alles gestimmt, was sie ihm erzählt hatte. So kam es ihm vor. Und jetzt brauchte man den Kuchen nicht mehr, weil das Kind jetzt die Milch von der Mutter bekam. Der Mann kam wieder und ging in den Stall. Jochanaan blickte durch den Türspalt und sah im Schein einer Fackel den Mann über Mirjam gebeugt. Sie sah ihn mit glücklichen Augen an. "Joseph", sagte sie, "ich bin so froh." Er nahm das Kind und hielt es vor sich hin. "Jehoschua", sagte er strahlend, "mein kleiner Jehoschua". Und über das Gesicht der Mutter glitt ein dankbares Staunen. Der Mann gab Mirjam das Kind zurück, kramte in ihren Sachen und ging zu der Krippe, die mitten im Raum stand. Er hatte ein paar Tücher in den Händen und legte und stopfte sie über das Heu, damit das Kind ein Lager hätte. Mirjam kam mit dem Kind zu ihm, und gemeinsam betteten sie Jehoschua in die Krippe und deckten ihn mit einem Mantel zu. Dann hob Joseph etwas vom Boden auf, ergriff die Hacke und kam zur Tür. Jochanaan duckte sich schnell in die Ecke, so dass Joseph ihn nicht sah. Als Joseph an ihm vorbei war und Richtung Feld stapfte, schob Jochanaan vorsichtig die Tür auf und blickte zur Krippe. Er wusste nicht, wieso, aber es ging ein Leuchten von dem Kind aus, das er nicht verstand. Er spürte es nur. Mirjam hockte vor ihrem Kind und strich ihm immer wieder über die Stirn. Als er näher kam, sah sie sich um. Er erschrak, aber sie lächelte. "Na, willst Du auch meinen kleinen Jehoschua sehen? Wie heißt Du denn?" "Jochanaan" flüsterte er. "Komm her, Jochanaan, guck, mein Jehoschua. Bist Du hier aus dem Dorf?" Jochanaan schüttelte den Kopf. "Nein, meine Familie ist draußen auf dem Feld, wir sind Hirten, ich sollte nur etwas Mehl kaufen ..." Mirjam fasste ihn an der Hand und zog ihn zur Krippe. Da lag das Neugeborene und blickte ihn mit großen Augen an. Es ging Jochanaan durch und durch. "Was ist mit Deinem Kind? Er ist so ... ich weiß auch nicht, aber ..." Mirjam berührte ihn am Arm. "Weißt Du, Jochanaan, als ich schwanger war, kam auf einmal ein Engel zu mir und sagte, mein Kind wäre ein Geschenk Jahwes, ein Zeichen, etwas Besonderes." Jochanaan erschrak. Ein Engel von Jahwe? Er hatte manchmal von Jahwe reden hören, leise und voller Ehrfurcht. Aber das war so weit weg gewesen. Und jetzt hier? Im Stall? Ein Zeichen? Er verstand das nicht. Aber irgendetwas ging hier vor. Ganz sacht glitt er an das Kopfende der Krippe und berührte Jehoschuas Stirn. Und da lachte das Kind ihn an. Und Maria nahm seine Hand und nickte. "Siehst Du, Jochanaan, Jehoschua lacht. Er hat Dich in sein Herz geschlossen." Als Jochanaan aus dem Stall hinaustrat, hatte er das Lachen Jehoschuas in seinem Herzen. Er würde es nie vergessen. Schnell rannte er los, nachdem er sich den Beutel mit dem Mehl unter den Arm geklemmt hatte. Beinahe hätte er ihn vergessen. Er wollte seiner Familie, allen, von dem Kind in der Krippe erzählen. Sie sollten auch kommen und Jehoschuas Lachen spüren. Das Geschenk Jahwes sollte auch zu ihren Herzen sprechen. Jochanaan wusste, es hatte sich etwas verändert in der Welt.
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Weihnachtsgeschichten von Patricia Koelle
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