Weihnachtsgeschichten - Adventsgeschichten
Kurzgeschichte Weihnachten Weihnacht Advent
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Der Weihnachtswunsch

© Natalie Diser

"Woran denkst du, Felix?"

Felix drehte sich überrascht um und blickte in das fragende Gesicht seines Bruders Dennis. Die ganze Zeit über saß Felix vor dem Fenster und schaute in die Dunkelheit hinaus auf der Suche nach Lichtern, die jedoch vom heulenden Schneesturm verschluckt wurden.

Eng in ihre Wolldecken eingekuschelt haben die beiden Brüder es sich vor dem gemütlichen Kamin bequem gemacht. Um dem kalten Winterabend noch besser zu trotzen, trank jeder von ihnen ein wohltuendes heißes Getränk: Dennis eine Tasse mit heißer Schokolade, Felix dagegen bevorzugte den Limonentee.

"An nichts Besonderes, nur immer an das Übliche", antwortete Felix gleichgültig und schaute hinunter auf seine Teetasse.

"Also ich denke gerade darüber nach, was unsere Eltern uns dieses Jahr wohl zur Weihnachten schenken werden", sagte Dennis voller Vorfreude und seine Kinderaugen glänzten umso mehr im Schein des Kaminfeuers, "Ich hoffe, es wird etwas Spannendes sein, wie eine Sheriffpistole mit einem passenden Stern dazu, mit meinem Name drauf oder vielleicht auch ein Ritterschwert aus echtem Eichenholz, wie Fred aus meiner Klasse eins hat! Man, dann könnte ich bei den Jungs so richtig angeben!"

Vor lauter Aufregung hat sich Dennis etwas von der heißen Schokolade auf seine Händchen verschüttet. Leicht jammernd stellte er seine Tasse auf dem Boden ab und leckte vorsichtig die braune Flüssigkeit von seinen schmerzenden Fingern ab.

Felix konnte ein Kichern nicht unterdrücken und er machte sich über seinen ein Jahr jüngeren Bruder lustig: "Dann solltest du dich lieber schonen, wenn du das Weihnachtsfest heil überstehen und deinen Freunden es später so richtig zeigen möchtest."

Verärgert sah Dennis seinen lachenden Bruder giftig an. Felix saß ganz zerbrechlich auf dem Schaukelstuhl, blass wie der Schnee, der draußen umherwirbelte.

"Das musst du gerade sagen!", zischte Dennis, "Deine Knochen zerbrechen wie die Kristallfiguren von Mama, sobald man sie nur doll genug anfasst!"

Mit einem Mal verstummte das Lachen und eine peinliche Stille gewann die Oberhand. Etwas unwohl trank Dennis seine Schokolade und vermied dabei die strafenden Blicke seines älteren Bruders.

"Weißt du warum der Winter meine liebste Zeit des Jahres ist?", fragte Felix mit ruhiger Stimme und schaute dabei wieder aus dem Fenster in den Schneesturm hinaus.

"Hmm?", kam es aus der andere Ecke des Sofas.

"Weil die ganze Welt wie ein riesiges Federkissen wirkt. Der Schnee scheint so weich zu sein. Ich wünschte es wäre so, dann müsste ich keine Angst mehr haben, dass ich mich verletzten könnte, sobald ich nur einen Fuß nach draußen fassen würde. Ja, das wünsche ich mir zur Weihnachten! Eine Welt aus Watte!"

Tränen rollten aus Felix großen braunen Augen, kugelten die schmalen Wangen runter und versalzten den Limonentee, sobald sie in die Tasse fielen.

Dennis hatte plötzlich Mitleid mit seinem Bruder. Er wusste, dass keiner Felix diesen Wunsch erfüllen konnte. Dennis trank einen kräftigen Schluck von der heißen Schokolade, um seine müden Gehirnzelle zum Grübeln zu verleiten. Er wollte sich unbedingt etwas einfallen lassen, was seinem Bruder Freude bereiten könnte. Als Dennis schließlich aufstand, um schlafen zu gehen, sagte er entschlossen und mit versteinerter Miene, um Felix nicht zu zeigen, dass er sich gerade an dem heißen Getränk fast die Zunge verbrannt hatte: "Gut, das Erste, was wir am Heiligabend tun werden, noch bevor wir unsere Geschenke auspacken oder die leckere Ente essen werden, ist, wir gehen mit Mama und Papa nach draußen in den Garten und bauen einen Schneemann unter den flauschigweichen Wolken."

Während Dennis die Treppe im Flur hochging, wandte Felix sich wieder dem Sturm, der hinter dem Fenster tobte, zu. Dieses Mal betrachtete er die herumwirbelnden Schneeflocken viel intensiver und es fiel ihm ein, dass diese zerbrechlichen Eiskristalle sich den Kräften des rasenden Windes stellten, obwohl ihre Beschaffenheit nicht für solche Strapazen geeignet ist.

Warum sollte dann nicht auch er seine körperlichen Schwächen überwinden und frei in die Welt gehen?

Felix dachte lange über die neugeborene Idee nach, bis seine Augenlider vor lauter Müdigkeit zufielen und er in seinen samtweichen Träumen versank.

SPIEGEL ONLINE Bestsellerautorin Patricia Koelle

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