Weihnachtsgeschichten - Adventsgeschichten
Kurzgeschichte Weihnachten Weihnacht Advent
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Lisa Marie

© Curd Berger

Mit einem lauten Knall schlug die Wohnungstür zu. Frank stürmte fluchend die Treppe herunter, warf sich die dicke schwarze Winterjacke über und nahm die letzten drei Stufen zur Haustür mit einem Satz.

Zurück in der Wohnung blieb Elke, das Gesicht schluchzend in die Hände vergraben.

Was war passiert?

Im Januar erst sind die beiden hier in das alte Mehrfamilienhaus am Stadtgraben eingezogen. Sie kennen sich jetzt fünf Jahre und jeder findet sie passen sehr gut zusammen, wenn da nicht …, ja wenn da nicht Franks Einstellung zu Kindern wäre.

"Wozu Kinder? Wo soll ich die lassen wenn wir in den Ski- oder Sommerurlaub fahren? Kinder kosten einen Haufen Geld, das ich viel besser verwenden kann. Vielleicht später, wenn wir ein Haus haben und alles was wir uns sonst noch wünschen."

Elke hatte sich damit abgefunden, obgleich sie es nicht wirklich gut findet, dass er immer nur ans Vergnügen denkt.

Nur ans Vergnügen? Nein das stimmt so nicht. Frank arbeitet hart im Dreischichtbetrieb eines Automobilkonzerns um sich und Elke alles leisten zu können was man für Geld nur kaufen kann. Jeden Freitag bringt er seiner Liebsten Blumen mit. Zum Geburtstag gab es einen wunderschönen Ring mit echtem Stein und sein Sparbuch zeigt das er mit Geld umgehen kann. Doch Elke hatte sich ihre gemeinsame Zukunft etwas anders vorgestellt. Das, wie sie sagt, Juppi-Leben liegt ihr nicht besonders. Sie wünscht sich eine Familie, am besten mit drei Kindern.

Gerade heute wieder, am Tag vor Heiligabend versuchte sie ihn zu überzeugen. Er hatte zwei Ringe mitgebracht, zwei Ringe die sehr, sehr viel bedeuten. Elke strahlte und wollte voller Freude "JA" sagen, aber dann dachte sie an den Befund von heut morgen beim Frauenarzt - Positiv, schwanger im zweiten Monat. Die Pille, die Durchfallerkrankung, etwas ist ungeheuer schief gegangen. Wie soll sie ihm das nur sagen?

Sie beginnt: "Frank, Schatz, Du weißt doch, ich möchte so gern das wir eine Familie werden, eine Familie mit Kindern …" "Du kennst meine Einstellung Elke." Antwortete er, "Das ist für mich, zumindest jetzt noch nicht denkbar!" "Frank", sie schaute ihm dabei liebevoll in die Augen, "Frank, ich bin jetzt 28 und Du 31, wann denkst Du denn, dass es Zeit wäre?" "Wenn es nach mir ginge, nie! Aber wenn Du unbedingt Kinder willst, na gut, aber dann musst Du dich auch darum kümmern!" Er sagte das als ginge es darum ein Meerschweinchen zu kaufen. Elke konnte diesen Druck nicht mehr ertragen. "Du verdammter Egoist! Du familienunfähiges Monster von einem Mann! Du sollst mir keinen Zwerghasen kaufen!! Ich rede von gemeinsamen Kindern, denen wir unsere ganze Liebe geben können und in deren Herzen wir lange nach unserem Tode weiterleben. Was bist Du nur für ein grausamer Mensch?!"

"Grausam? Egoist?" Frank begriff nicht wirklich was los war, "familienunfähiges Monster? Fällt Dir nicht noch mehr ein? Warum bist Du denn bei mir, wenn ich so furchtbar bin? Dir geht's wohl zu gut?"

Beide wussten, dieser Streit eskaliert, aber keiner wollte nachgeben und vernünftig reden. Elke wusste, das wäre der denkbar schlechteste Moment Frank ihr Geheimnis zu verraten.

"Ich arbeite auch", schrie sie ihn an, "und bringe Geld nach Hause!" "Von dem bisschen was Du verdienst könnten wir uns nicht einmal einen 14 Tage-Urlaub auf Malle leisten, nicht einmal in der Nachsaison!" In Franks Stimme klang Überheblichkeit.

"Du bist so gemein", Elke sank im Sofa zurück, "so fies, was habe ich an Dir nur gefunden? Und mit Dir wollte ich ein Kind …"

Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und weinte. Frank rannte hinaus, hinaus in die dunkle Kälte.

Das also war passiert.

Er fuhr in die Stadt und irrte ziellos durch die Fußgängerzone. "Kinder, Kinder, immer wieder Kinder …" murmelte er vor sich hin, trat den einen oder anderen Stein vor sich her und stemmte beide Hände in seine Taschen. "Was soll ich mit Kindern?"

Unbemerkt für ihn leerten sich allmählich die Straßen und das eine ums andere Kaufhaus schloss seine Pforten.

In der Mitte der Stadt war ein Park. Hier angekommen setzte er sich trotz der Kälte auf eine Bank, denn er fühlte sich nicht wohl. Frank lehnte sich leicht zurück und schloss die Augen.

"Entschuldigung …", Frank schreckte zusammen und drehte sich um. Hatte er nicht eben die Stimme eines Kindes vernommen? "Entschuldigen Sie …", da wieder. Er stand auf und starrte angestrengt in die Dunkelheit. Erst jetzt trat langsam ein kleines Mädchen, mit lockigem Haar, in den Schein der Parklaterne. "Entschuldigen sie, aber können Sie mir vielleicht helfen? Ich habe meine Mammi verloren im Kaufhaus und bei der Suche nach ihr habe ich mich verlaufen." Frank hatte sich gefangen und sagte: "Komm, wir gehen zur Polizei, die wird Dir helfen!" "Nein, nicht zur Polizei. Bitte nicht!" "Warum nicht? Hast Du etwas angestellt?" "Nein, ich habe nichts angestellt, ich will doch nur meine Mammi suchen und Du sollst mir helfen!" "Na gut", das Mädchen tat Frank leid, "wo wohnst Du denn?" Er beugte sich zu ihr hinunter. "Versprochen?? Nicht zur Polizei!" Die Kleine sah ihn fragend an. "Sag mir bitte wo Du wohnst Kleine." "Erst versprechen." "Ok. Versprochen." "Großes Indianerehrenwort??" "Jaa, großes Indianerehrenwort!" "Ich weiß nicht." "Was weißt Du nicht?" "Wo ich wohne weiß ich nicht." "Willst Du mich verarschen?? Dann ab zur Polizei!" "Du hast es versprochen, keine Polizei, Du hast es versprochen, großes Indianerehrenwort!!" Frank holte tief Luft. "Jetzt mal ganz ruhig. Wir fangen von vorne an. Wie heißt Du überhaupt?" "Lisa, Lisa-Marie." "Und wie alt bist Du?" "Acht Jahre." "Hast Du Hunger Lisa?" "Lisa-Marie, soviel Zeit muss sein sagt Mammi immer." Frank muss lächeln: "Hast Du Hunger LISA-MARIE?" "Ja, ein wenig. Einen Hamburger könnte ich schon vertragen." "Gut, da hinten sehe ich McBurger, gehen wir also." Frank nahm sie bei der Hand und ein seltsames Gefühl überkam ihn, es fühlte sich alles so unwirklich an.

Zielstrebig steuerte er auf das Lokal zu. "Ich möchte gern draußen sitzen", bat die Kleine. "Aber das ist doch viel zu kalt." "Ich friere nicht." Sagte sie leise.

Frank räumte den Schnee von zwei Stühlen, einem Tisch und fragte: "Was möchtest Du denn gern haben?" "Was alle Kinder gern haben." "Verstehe, Pommes mit Ketchup und einen Hamburger." Er verschwand um alles zu holen. "Pommes mit Ketchup und einen Hamburger…", sagte Lisa-Marie leise, "was alle Kinder gern haben.., das ich nicht lache. Kinder haben Eltern gern, Eltern und ein schönes Zuhause, aber was weißt Du schon davon."

Frank kam wieder und stellte alles auf den Tisch. "Danke Frank." "Bitte kleine Lisa-Marie. Du bist schon seltsam." Beide aßen, plötzlich stutzte Frank, "…woher weißt Du eigentlich meinen Namen?" "Geraten, einfach geraten." Erwiderte sie. Er schaute ungläubig, doch gab er sich damit zufrieden und sie ließen es sich schmecken.

"Was machen wir jetzt mit Dir?" sinnierte Franz. "Weihnachtsmarkt wäre schön, da gibt es ein Karussell und vielleicht treffen wir da ja auch Mammi, sie sucht mich bestimmt dort. "Meinst Du? Gut dann gehen wir:" Wieder nahm er ihre Hand und spürte wie etwas von ihrer Wärme in ihn strömte. Sie folgten dem bezauberndem Duft gebrannter Mandeln und den lieblichen Klängen der Weihnachtslieder, die vom Markt herüber klangen.

Als erstes holte Frank eine riesige Zuckerwatte, gab sie Lisa-Marie, schaute ihr in die grünen Augen und bemerkte das sie eine sehr große Ähnlichkeit mit Elke hat.

So ein süßes Ding, denkt er, die Mutter muss es furchtbar vermissen. "Wie sieht Deine Mammi aus?" will Frank wissen, "was hat sie an?" "Sie sieht aus wie ich, nur größer. Sie hat einen grauen Mantel an und ist superlieb." "So haben wir natürlich keine Chance sie zu finden. Wir müssen wohl oder übel doch zur Polizei kleine Lisa-Marie." "Sag doch einfach Lisa zu mir, ich mag Dich leiden." "Ok, Lisa wir müssen zur Polizei, hast Du verstanden?" "Ja, Ja ich verstehe, aber ich möchte so gern noch ein ganz klein wenig hier bleiben, nur ein ganz klein wenig. Mit meinem Vater konnte ich nie auf solch einen Markt gehen und Spaß haben." "Warum denn nicht kleine Lisa?" "Er ist vor meiner Geburt schon gestorben, deshalb habe ich ihn nie kennen gelernt und hätte doch so gern mit ihm gelebt, soviel unternommen und gelernt." "Er hätte sicher sehr viel Freude mit Dir gehabt kleine Lisa. Es tut mir sehr leid." "Es muss Dir nicht Leid tun. Es muss gar nichts auf der Welt, alles ist nur kann.. und möglich.. nichts muss."

Nachdem sie den Weihnachtsmarkt hinter sich gelassen hatten und auf dem Weg zur nächsten Polizeistation waren beschloss Frank, sobald es möglich ist mit Elke und der kleinen Lisa gemeinsam den Markt zu besuchen, wenn es Lisas Mutter recht ist. Er hatte die kleine in sein Herz geschlossen und spürte wie gut ihm das tat. Der ganze Streit war vergessen und eine innere Ruhe erfüllte ihn. Auf ihrem Wege kamen sie an der Bank vorbei auf der Frank anfangs gesessen hatte. "Warte hier einen Moment", sagte Lisa. Frank war es in diesem Moment recht, denn er merkte wie ihn die Kräfte seiner Beine verließen. Er setzte sich und schloss die Augen.

Wie durch dichte Watte hörte Frank: "Da, er wacht auf, schnell die Trage …" Langsam konnte Frank schemenhaft die Umrisse eines Arztes im weißen Kittel erkennen der sich über ihn beugte. "Hallo, Hallo, hören sie mich. Hallo, reden sie bitte." "Was ist los …" Franks Zunge war schwer wie Blei. "Sie hatten einen Schwächeanfall und wären erfroren wenn man sie nicht gefunden hätte. Wir bringen Sie jetzt ins Krankenhaus, bleiben Sie ganz ruhig." "Das Mädchen, wo ist das Mädchen??" "Ganz ruhig, ganz ruhig hier ist kein Mädchen" der Arzt geht neben der Trage her und sagt zum Sanitäter: "Er ist noch etwas verwirrt, geben sie ihm sicherheitshalber noch ein wenig Beruhigungsmittel für den Transport."

Als Frank im Krankenhaus erwachte, saß Elke an seinem Bett und hielt seine Hand. "Verzeih mir Frank, verzeih mir bitte meine Worte, ich liebe Dich doch so sehr." "Schon gut Elke, ich liebe Dich doch auch. Wenn ich gesund bin, dann reden wir noch mal in Ruhe über alles. Verzeih mir das ich so eigensüchtig war. Natürlich werden wir Kinder haben und das soll auch nicht lange dauern." "Ja", sagte Elke, "Du hast Recht, lange dauert es nicht mehr." "Wie meinst Du das?" fragte Frank erstaunt. "In sieben Monaten sind wir zu dritt, wenn es dir ernst ist." "Das heißt Du…, wir sind schwanger?? Du kannst Dir nicht vorstellen wie sehr ich mich freue!"

Sie umarmten sich noch lange. Wenige Tage später wurde Frank entlassen.

Er suchte einige Zeit nach dem kleinen Mädchen, doch außer ihm hatte es niemand gesehen.

Im Juni wurde ihr gemeinsames Kind geboren, eine Tochter, sie heißt Lisa-Marie und mit jedem Tag wird sie seiner Begegnung ähnlicher.

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