Weihnachtsgeschichte - Von der Kraft des alten Liedes


Ein modernes Weihnachtsmärchen von Bettina Buske.
Weihnachtsgeschichten online lesen, Weihnachtsmärchen, moderne Weihnachtsgeschichten, Bürgerlied, Kreuzworträtsel
Weihnachtsgeschichten - Weihnachtsgedichte - Weihnachtsbücher - eBooks epub - eBooks Amazon Kindle
Home   |   Weihnachtsgeschichten   |   Weihnachtsgedichte   |   Bücher   |   eBooks Amazon   |   eBooks epub
Das goldene Weihnachts-eBook
Das goldene Weihnachts-eBook
Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-939937-77-7
eBook im epub-Format

  • bei Weltbild downloaden
  • bei eBook.de (Libri) downloaden
  • bei Thalia.de downloaden
  • bei iTunes downloaden
  • ... mehr
  • Weihnachtsgeschichten   |   Weihnachtsgedichte   |   Bücher   |   eBooks Amazon   |   eBooks epub

    Von der Kraft des alten Liedes
    oder: Wie der Iler zu seinem Ding kam

    © Bettina Buske

    Es war einmal ein Kaufmann, der hieß Hans. Er bereiste viele Länder und handelte mit edlen Waren. Weil der Handel mit ihm zum beiderseitigen Nutzen war, war er in allen Ländern ein gern gesehener Gast.

    Zur Weihnachtszeit aber reiste Hans in seine Heimatstadt um die Festtage bei seiner Mutter zu verbringen, und jedes Jahr machte er am ersten Weihnachtsfeiertag dem Bürgermeister der Stadt einen Besuch und brachte dessen Tochter Rosa ein Geschenk mit.

    Der Bürgermeister hatte öffentlich einen Eid geschworen, seine Tochter nur mit einem Mann zu verheiraten, der klüger ist als er. Wer aber so vermessen sei, sich zu bewerben und die Prüfung nicht zu bestehen, würde bis zu Rosas Hochzeit aus der Stadt gewiesen und seines Besitzes verlustig.

    Da die Tochter schön war und auch eine große Mitgift erhalten würde, gab es immer wieder Bewerber, die auf ihr Wissen und Glück vertrauend, sich der Prüfung stellten.

    Nur hatte der Bürgermeister gar nicht im Sinn, seine Tochter zu verheiraten und stellte eigenartige Fragen, erklärte jede Antwort für falsch und lies die Bewerber aus der Stadt jagen.

    So gingen die Jahre dahin und nur noch selten freite jemand um die Tochter des Bürgermeisters.

    Für Hans gab es auf der ganzen Welt keine Frau, die ihm besser gefallen würde als Rosa und auch Rosa hatte den Hans von Herzen gern. Doch Hans wollte sich nicht der Willkür des Bürgermeisters aussetzen, denn seine Mutter war schon alt und sollte weder ihr Heim verlieren, noch die Besuche des Sohnes vermissen müssen.

    Es war der Tag vor Heiligabend, da saßen Mutter und Sohn gemeinsam in der Küche. Er machte seine Abrechnungen am Küchentisch und sie verrührte Mehl, Eier und andere Backzutaten zu einem Teig. Dabei summte sie eine Liedstrophe, die Hans irgendwie bekannt vorkam.

    ...
    oder ob wir Röcke nähen
    und zu Schuhen Drähte drehen,
    das tut, das tut nichts dazu.

    Dann sprach sie zu ihm: "Hans, lieber Sohn, egal was du mir morgen Abend für schöne Geschenke machen wirst, meine Wünsche werden sie nicht erfüllen."

    "Was wünschst du denn?", fragte Hans erstaunt.

    "Nun, ich möchte Enkelkinder in meiner Küche herumtoben sehen und habe nicht mehr so viele gute Jahre, um geduldig warten zu können. Du bist schon lange heiratsfähig. Ich weiß doch, dass du die Tochter des Bürgermeisters liebst, warum freist du sie nicht?"

    "Ach Mutter", antwortete Hans, "der Bürgermeister ist ein Betrüger, niemand, so schlau er auch war, hat die Prüfungen bestanden, alle haben Haus und Hof verloren. Das kann ich dir nicht antun."

    "Pah", sagte die Mutter, "den Bürgermeister kenne ich seit der Kindheit, schon damals hat der Alfons gern geschummelt. Wir müssen ihn dazu bringen, den Wissensvergleich nach festen Regeln in aller Öffentlichkeit zu akzeptieren. Jetzt aber, solange der Kuchen backt, werden wir gemütlich Glühwein trinken und du erzählst mir von deinen Reisen."

    Und so taten sie es, Hans erzählte von den fernen Ländern, die er bereist und den interessanten Dingen, die er dabei gesehen hatte, während sie den Glühwein tranken, den die Mutter bereitet hatte.

    Die Nacht war angebrochen, der Kuchen war schon lange aus dem Ofen, doch noch immer saßen sie in der Küche, in der es so schön nach Gebackenem und Glühwein roch und das Herdfeuer gemütlich knisterte.

    Der Glühwein hatte beiden die Wangen gerötet. Lachend stand die Mutter auf, goss, sich auf den Tisch stützend, ihrem Sohn den Rest des Glühweins in den Becher und bemerkte dabei, dass er während des Erzählens in sein Geschäftsfreundebuch kreuz und quer einige Worte aufgeschrieben hatte.

    Verwundert kniff sie die Augen zusammen. Manche Worte überschnitten sich und benutzen dabei dieselben Buchstaben.

    "Hicks", machte die Mutter, "jetzt hab ich den Alfons, sch...schlaf schön."

    Hans der Kaufmann fand jedoch keine Ruhe. Die ganze Nacht musste er über das Gespräch mit seiner Mutter nachdenken, aber er konnte nicht entdecken, wie er den Bürgermeister überlisten könnte.

    Gegen Morgen war sein Plan, das Elternhaus zu verkaufen und mit Rosa und seiner Mutter zu fliehen.

    Großen Gefallen fand er nicht an diesem Plan, denn er wollte seine Heimat nicht verlieren.

    In aller Frühe stand er auf, ging in den Hof und begann Holz zu hacken. Als er mit einem Korb voll Feuerholz in die Küche kam, saß dort auch schon seine Mutter bei einer Tasse Kaffee über seinem Geschäftsfreundebuch und schrieb in die Rechenkästchen Buchstaben und manche Kästchen malte sie schwarz aus. Dabei summte sie wieder dieses Lied, das ihm so bekannt vorkam:

    ...
    ob wir just Collegia lesen
    oder aber binden Besen,
    das tut, das tut nichts dazu.

    Sie sagte: "Ahh, schön, dass du kommst, sag mal, kennst du das Wort big?"
    "Big? Das ist in England die Bezeichnung für groß oder erwachsen." "Prima", meinte die Mutter, "und der Fluss in Italien, der durch Turin und Cremola fließt - von dem du mir erzählt hast - schreibt der sich mit nur zwei Buchstaben, Peh und Oh?"
    "Ja", antwortete Hans, "so wird der Po geschrieben."

    "Hmm", sagte die Mutter, "kennst du etwas, das Iler heißt?"

    "Nein", wunderte sich Hans, "Iler, so ein Wort habe ich noch nie gehört. Warum fragst Du?"

    "Du hast mich da gestern auf eine Idee gebracht. Ein Buchstabenrätsel, das der Bürgermeister lösen muss, natürlich öffentlich, beim Sylvesterball vielleicht. Wenn er es nicht schafft, dann ist der Rätselmacher, also du, klüger als er und er muss dir seine Tochter zur Frau geben."

    "Lustige Idee, aber ein Iler gibt es nicht", meinte Hans.

    "Eben", antwortete die Mutter, "das braucht noch ein Ding. Iler steht hier, also gibt es das Wort ab jetzt, es muss nur noch etwas werden."

    "Haha, na so gesehen magst du Recht haben. Es wird bestimmt irgendein Ding geben, das gut Iler heißen könnte. Ich kann mich gleich bei meinen Geschäftspartnern umhören."

    Hans betrachtete die Seite des Geschäftsfreundebuches. Dann griff er zum Stift und schrieb noch einiges dazu, so dass das ganze Blatt ein rechteckiges Rätsel ergab, mit einer symmetrischen Aufteilung der schwarzen Blindfelder. Alle eingetragenen Buchstabengruppen waren Worte und ergaben Antworten auf Fragen, bis auf vier Kästchen am linken Rand senkrecht, da stand ILER.

    Nach dem Frühstück machte er sich auf, seine Geschäftsfreunde zu besuchen. Unterwegs summte er:

    Ob wir stolz zu Rosse reiten
    oder ob zu Fuß wir schreiten
    fürwahr unserm Ziele zu,
    ...

    Sein Weg führte ihn zum Böttcher, er brachte ihm ein kleines Fass voll Whisky aus Schottland mit, besprach mit ihm die Lieferung für das nächste Jahr und sah ihm eine Weile beim Zusammensetzen der Fässer zu. Als der Böttcher mit einem zweigriffigem Metall das Holz des Fasses glättete, fragte der Kaufmann, was das für ein Werkzeug sei.

    "Das ist ein Schabeisen", sagte der Böttcher.

    "So sieht es auch aus", antwortete Hans, wünschte noch "Frohe Weihnacht" und ging weiter zum Goldschmied.

    Dem Goldschmied hatte er eine Kette aus Italien mitgebracht, eine feine Arbeit, wie sie in seiner Stadt bisher noch nie gesehen wurde. Er erzählte ihm von dem Schmuck, den er auf seinen Reisen gesehen hatte, welche Schmucksteine gerade Mode waren und lies sich Arbeiten des Goldschmiedes zeigen. Dann gab er ihm einen großen rosefarbenen Diamanten und versprach ihm einen guten Preis, wenn er ihm bis zum Vormittag des ersten Weihnachtsfeiertages einen Ring damit fertigte. Dabei fragte er nach den Namen der Werkzeuge, konnte aber nichts Neues entdecken. So wünschte er ihm "Frohe Weihnacht" und ging summend weiter zum Kammmacher am Ende der Gasse.

    Aber ob wir neues bauen
    oder altes nur verdauen,
    wie das Gras verdaut die Kuh,
    ...

    Für den Kammmacher hatte Hans Kämme dabei, mit denen sich die Damen in Spanien den Schleier ins Haar stecken, solche sollte der Kammmacher fertigen, denn die Hornkämme des Kammmachers waren in Spanien begehrt.

    Als Hans die Werkstatt betrat, sah er gerade, wie der Kammmacher mit einem gebogenen Messer ein Kuhhorn ausschabte.

    "Was ist denn das?", fragte Hans.

    "Das ist mein neues Schabeisen", sagte der Kammmacher, "habe ich gerade erfunden."

    "So ein nützliches Ding braucht einen besonderen Namen", meinte Hans, "ein Schabeisen hat schon der Böttcher und der Tischler. Du hast einen Iler, mit dem ilst du das Horn aus, klingt doch viel besser als schaben."

    "Wenn du meinst", antwortete der Kammmacher mit der Schulter zuckend und Hans erzählte, warum seine Erfindung Iler heißen musste.

    Damit war der Kammmacher sofort einverstanden, denn sein Bruder hatte vor Jahren um die Tochter des Bürgermeisters gefreit und so Heimat und Besitz verloren.

    Schnell machte sich der Kammmacher auf den Weg, um das Patent auf seinen Iler anzumelden. Unterwegs summte er das alte Lied, das er von Hans gehört hatte:

    Ob im Kopfe etwas Grütze
    und im Herzen Licht und Hitze,
    dass es brennt in einem Nu
    ...

    Hans ging fröhlich nach Hause und erzählte seiner Mutter, was er erreicht hatte. Die Mutter hatte wie jedes Jahr zu Weihnachten einen Korb mit Esswaren für die Armenspeisung gepackt und ging damit zur Frau des Lehrers. Bei der Essenverteilung erzählte sie ihr, dass ihr Sohn gern die Tochter des Bürgermeisters heiraten möchte. Die Frauen überlegten, wie es möglich wäre, am Sylvestertag das Buchstabenrätsel öffentlich aufzuführen, um den Bürgermeister herauszufordern.

    Den Heiligabend verbrachten Mutter und Sohn in freudiger Stimmung, ihre Geschenke lagen unbeachtet auf einem Schränkchen, sie saßen am Tisch, tranken Glühwein und bauten gemeinsam Kreuzworträtsel. In ihren Rätseln war eine Frage immer dabei, die nach dem Schabeisen der Kammmacher.

    Zum Frühstück am anderen Morgen besuchte sie der Goldschmied und brachte den bestellten Ring.

    Die Mutter des Kaufmanns fragte, was das für ein Ring sei, und Hans antwortete, das sei der Verlobungsring für Rosa.

    "Der Ring ist sehr schön", antwortete die Mutter, "eigenartig der Stein, rosa und manchmal hellbraun, aber sind Verlobungsringe nicht mit weißen Diamanten?"

    "Ja, Mutter", antwortete Hans, "das ist normalerweise so, aber Rosa mag nur farbige Edelsteine. Ich will ihr aber unbedingt einen Diamanten schenken, ist er doch das Zeichen der Ewigkeit und Rosa die Farbe des Glücks. Ein Versprechen auf ewiges Glück mit mir geb ich ihr mit dem Ring."

    Als Hans am Nachmittag den Bürgermeister besuchte, sah er dort am Kaffeetisch auch der Lehrer sitzen, der ihm heimlich zuzwinkerte. Und er sah seine Rosa, die ihm freudig entgegen kam.

    Der Bürgermeister wischte sich mit einer Serviette den Mund und sagte: "Ah, mein lieber Freund, ich habe ja interessante Sachen von Ihnen gehört. Sie sollen eine Methode entwickelt haben, mit der der Wissenstand unterhaltsam überprüft werden kann. Ich habe auch gehört, dass sie geprahlt haben, dieses Rätsel sei so intelligent entwickelt worden, dass selbst ich es nicht lösen kann. Glauben Sie mir, mein lieber Freund, ich löse alle Rätsel."

    Hans verneigte sich vor dem Bürgermeister und antwortete: "Ich werde dieses Rätselspiel vor dem Sylvesterball den Bürgern zur allgemeinen Unterhaltung vorstellen, da können Sie gern ihr großes Wissen beweisen."

    Dann überreichte er der Rosa ein kleines Päckchen und wünschte ihr laut "Frohe Weihnachten " und flüsterte "Ich hoffe, du erkennst was es bedeutet, Liebste."

    An ihrem errötendem Gesicht sah er, dass sie es erkannt hatte, und als sie "Ja, gerne" hauchte, bekam auch er einen Anflug von Röte ins Gesicht.

    Neugierig sah nun auch der Bürgermeister nach dem Geschenk.

    "Oh, mein lieber Freund", sagte er, "wenn das ein Diamant wäre, müsste ich glauben, Sie wollten mich herausfordern. Glücklicherweise ist es ein Farbstein."

    "Es ist, was es ist", antwortete Hans.

    Am letzten Tag des Jahres war es in der Stadt so Brauch, dass sich die Herren der Stadt im Rathaussaal zum Sylvesterball trafen. Auf dem Rathausplatz waren Buden und Stände für die anderen Bürger aufgebaut, damit alle gemeinsam das alte Jahr verabschieden und das Neue begrüßen können.

    In all den Jahren zuvor begann die Veranstaltung abends, aber in diesem Jahr füllte sich der Platz bereits schon am Nachmittag. Dass es ein neues Ratespiel geben würde, hatte die Runde gemacht, und die Bürger waren gespannt auf die Unterhaltung. Auch wollten sie sehen, wie sich der Bürgermeister beweisen würde, und viele Zuschauer hofften, dass er endlich einmal in seine Schranken gewiesen werden würde.

    Auf einer Bühne wurde eine große Platte aufgebaut und die Menschen sahen, dass die Fläche in rechteckige weiße Kästchen aufgeteilt war, die nummeriert waren und in symmetrischen Abständen von schwarzen Kästchen unterbrochen wurden. Noch hatten sie keine Vorstellung, was das werden sollte, aber sie waren alle sehr gespannt.

    Als die Veranstaltung begann, trat Hans hervor und erklärte den Leuten, wie das Rätsel funktioniert. Dann bat er sie, zwei unparteiliche Personen zu bestimmen, eine sollte die Fragen laut verlesen und die andere sollte die Antworten mit dem Ergebnis des Bürgermeisters vergleichen.

    Die Frauen auf dem Platz riefen nach Dorian Schönhaar, dem beliebten Burgschauspieler als Vorleser und die Männer bestimmten den Fußballschiedsrichter Fritz Durchblick zum Kontrolleur der Antworten.

    Ab und an hörte man jemanden singen:

    ... oder ob wir schläfrig denken:
    Gott wird's wohl im Schlafe schenken,
    das, ja das tut was dazu!

    Der Bürgermeister betrat die Bühne, und der Schauspieler las die erste Frage: "Eins waagerecht, Vogelnachwuchs."
    Vier Felder zählte der Bürgermeister. "Das kann nur Brut sein" und schrieb es ein.

    "Eins senkrecht: Verlobte"

    Wieder zählte der Bürgermeister die Felder, von denen das erste schon mit einem B belegt war. "Braut, wie einfach das ist!", rief er und ziemlich schnell hatte er den oberen Teil des Rätsels ausgefüllt.

    Im Mittelteil dann wurde nach europäischen Städten und Flüssen gefragt und nach Metallen und immer gelang es dem Bürgermeister, ein Wort in das Rätsel zu schreiben, meist wusste er es, manchmal ergab sich aus den schon im Rätsel stehenden Buchstaben der Hinweis auf die Lösung. Dann kam es: "33 waagerecht, Schabeisen der Kammmacher"

    "Was soll das sein?", dachte der Bürgermeister, aber dann sah er, dass es nur vier Buchstaben waren, von denen schon zwei in der Mitte eingetragen waren. Von London ein L und vom Esel ein E. "nichts le nichts", dachte der Bürgermeister, "hm...le...hmm" Flex werden die meinen..., mal sehen, Frauenname nichts nichts ...ona, Fiona wird das sein, dann ist das Schabeisen der Kammmacher Flex, davon habe ich schon gehört, eine Flex."

    Als der Bürgermeister siegessicher seine Arme hob und einige Leute ihm im Publikum applaudierten, öffnete der Schiedsrichter den Umschlag , holte das Lösungsblatt heraus und begann mit dem Schauspieler, die Lösungen zu vergleichen.

    Fast alles war richtig, aber eben nur fast.

    Der gesuchte Frauenname war Ilona und nicht Fiona, das gesuchte Gebirge hieß Ural und nicht Alai und das Schabeisen der Kammmacher hieß Iler und nicht Flex.

    Hans trat mit Rosa an der Hand auf die Bühne und rief freudig: "Wir werden am kommenden Sonntag Hochzeit feiern und alle Bürger der Stadt sind dazu eingeladen, denn ich habe mit dem Rätsel bewiesen, dass ich klüger bin als der Bürgermeister."

    "Ich höre wohl nicht richtig!", rief der Bürgermeister, aber das Publikum rief: "Doch, richtig gehört! Hurra, es lebe das Brautpaar!"

    Die Leute jubelten und sangen:

    ... Alle, die dies Lied gesungen,
    so die Alten wie die Jungen,
    tun wir, tun wir was dazu!

    Da wurde dem Bürgermeister klar, dass es dem Kaufmann nicht darum gegangen war, sein Rätselspiel vorzustellen. Wer mehr weiß, darf seine Tochter heiraten, so hatte er es damals auf dem Rathausplatz geschworen, als er noch dachte, die Regeln bestimmen zu können. Nun war er so dumm gewesen, einen Wissenstest nach den Regeln anderer zu machen. Er merkte, dass er sein Spiel verloren hatte.

    Wer ihn so vorführte, hatte Ideen und Verbündete.

    Widerwillig gab der Bürgermeister bekannt, dass zu Ehren des Brautpaares die Vertriebenen wieder in die Stadt kommen dürfen und auch ihren eingezogenen Besitz zurückerhalten werden.

    Da war eine große Freude in der Stadt und als am Sonntag dann die Hochzeit gefeiert wurde, waren auch die vertriebenen Bewerber mit ihren Familien dabei.

    Hans und Rosa lebten glücklich miteinander und die Mutter des Kaufmannes konnte sich noch lange an dem fröhlichen Spiel ihrer Enkelkinder erfreuen. Das Entwerfen von Kreuzworträtseln ist ihre liebste Beschäftigung geworden. Ihr Sohn war Kaufmann genug, um auch daraus eine Verdienstmöglichkeit zu machen. Er verkaufte jeden Monat ein neues Kreuzworträtselbuch, das die Leute begeistert lösten.

    Der Bürgermeister, von seinem Amt abgedankt, saß zu Hause und schrieb an einem Kreuzworträtsellösungsbuch.

    Und jedes Jahr singen die Bürger der Stadt in Erinnerung an dieses Ereignis auf dem Rathausplatz zu Sylvester dieses Lied:

    Ob wir rote, gelbe Kragen,
    Helme oder Hüte tragen,
    Stiefel tragen oder Schuh',
    oder ob wir Röcke nähen
    und zu Schuhen Drähte drehen,
    das tut, das tut nichts dazu.

    Ob wir können präsidieren
    oder müssen Akten schmieren
    ohne Rast und ohne Ruh',
    ob wir just Collegia lesen
    oder aber binden Besen,
    das tut, das tut nichts dazu.

    Ob wir stolz zu Rosse reiten
    oder ob zu Fuß wir schreiten
    fürwahr unserm Ziele zu,
    ob uns Kreuze vorne schmücken
    oder Kreuze hinten drücken,
    das tut, das tut nichts dazu.

    Aber ob wir neues bauen
    oder altes nur verdauen,
    wie das Gras verdaut die Kuh,
    ob wir in der Welt was schaffen
    oder nur die Welt begaffen,
    das, ja das tut was dazu!

    Ob im Kopfe etwas Grütze
    und im Herzen Licht und Hitze,
    dass es brennt in einem Nu,
    oder ob wir hinter Mauern
    stets im Dunklen träge kauern,
    das, ja das tut was dazu!

    Ob wir rüstig und geschäftig
    wo es gilt zu wirken kräftig
    immer tapfer greifen zu,
    oder ob wir schläfrig denken:
    Gott wird's wohl im Schlafe schenken,
    das, ja das tut was dazu!

    Drum ihr Bürger, drum ihr Brüder,
    alle eines Bundes Glieder,
    was auch jeder von uns tu!
    Alle, die dies Lied gesungen,
    so die Alten wie die Jungen,
    tun wir, tun wir was dazu!

    *


    Nachsatz

    - Das Lied, an das sich Hans und seine Mitstreiter erinnerten, war das Bürgerlied von 1845/1848.
    Es werden verschiedene Verfasser genannt: Adalbert Harnisch oder Leberecht Uhlich oder der Chefpräsident des Oberlandesgerichtes Naumburg Nettler.
    Es greift die Gedanken der französischen bürgerlichen Revolution von 1789 auf, Einigkeit und Recht und Freiheit und wurde ein heimliches politisches Lied für die bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848. Es wird auf die Melodie des Liedes: Prinz Eugen gesungen und so konnte man schnell zum Prinz-Eugen-Text wechseln, wenn Polizei oder Militär auftauchten. Durch die Verfolgung der demokratischen Kräfte in Deutschland und Österreich wanderte das Lied mit ins Exil nach Amerika und wurde auch dort zum Arbeiterlied, weil sein Text die Menschen immer wieder neu daran erinnert, dass Einigkeit stark macht.

    - Das erste Kreuzworträtsel der Welt erschien am 21. Dezember 1913 in der Weihnachtsbeilage der Zeitung New York World, so ist es auf Wikipedia zu lesen.

    - Iler ist ein althochdeutsches Wort für ein gebogenes Messer, und das Schabeisen der Kammmacher wird noch heute so bezeichnet und sehr gern im Kreuzworträtsel eingebaut.

    ***

    Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen jeglicher Art bedürfen der Zustimmung der Rechteinhaber.

    Unsere besonderen Empfehlungen

    Buch + eBook epub eBook Amazon Kindle eBook epub-Format

    Anfang   |   Weihnachtsgeschichten   |   Weihnachtsgedichte   |   Bücher   |   eBooks Amazon   |   eBooks epub
    Weihnachten -- Weihnachtsgeschichten -- Weihnachtsgedichte
    gedrucktes Buch eBook Amazon Kindle eBook epub-Format
    Bücher - eBooks Amazon Kindle - eBook epub-Format
    Home   |   Weihnachtsgeschichten   |   Weihnachtsgedichte   |   Bücher   |   eBooks Amazon   |   eBooks epub

    © Dr. Ronald Henss Verlag