Weihnachtsgeschichte - Fia-Lisa Espen: Tante Klara und der Weihnachtsmann


Tante Klara und der Weihnachtsmann. Eine Weihnachtsgeschichte von Fia-Lisa Epsen. Tante Klara ist keine gewöhnliche Tante und sie möchte unbedingt den Weihnachtsmann kennenlernen. Diese bezaubernde Weihnachtsgeschichte gibt es auch in dem eBook "Das goldene Weihnachtsbuch" (eBook für Amazon Kindle).
Eine moderne Weihnachtsgeschichte zum Vorlesen und zum Selberlesen.
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Tante Klara und der Weihnachtsmann

© Fia-Lisa Espen

eBook Weihnachtsgeschichten Das goldene Weihnachtsbuch An Weihnachten machen die meisten Leute immer genau das gleiche wie im Jahr davor. Und wie im Jahr davor. Und so geht das dann immer weiter. Mama sagt, das ist Tradition. Und wir versuchen es auch jedes Jahr, aber so richtig klappt es nie. Papa sagt, bei uns ist es Tradition, dass jedes Jahr etwas Unvorhergesehenes passiert. Und in diesem Jahr war das Unvorhergesehene Tante Klara.

Es begann damit, dass Oma am Tag vor Heiligabend auf der vereisten Treppe vor ihrem Haus ausrutschte. Sie fiel die Stufen hinunter und brach sich das Bein. Da musste sie natürlich ins Krankenhaus und deshalb brachte Mama Tante Klara zu uns. Erst war Tante Klara ganz traurig und durcheinander wegen Omas Unfall. Aber dann hat sie sich beruhigt und danach hat sie sich sogar richtig gefreut. Tante Klara ist nämlich sehr gern bei uns. Das liegt daran, dass Papa immer so viel Spaß macht, wenn er frei hat. Und daran, dass Mama ihre große Schwester ist. Und daran, dass sie dann mit meinen Sachen spielen darf. Das alles findet Tante Klara gut und Weihnachten findet sie natürlich auch gut.

"Weihnachten ist, wenn der Weihnachtsmann kommt", sagte Tante Klara und setzte sich zu mir auf den Teppich. "Malst du ein Bild für den Weihnachtsmann?"

Ich hatte meine Malsachen vor mir ausgebreitet und eigentlich malte ich ein Bild für Oma, aber das konnte ich Tante Klara nicht sagen. Meine Tante kann nämlich sehr schlecht Geheimnisse für sich behalten. Ganz bestimmt hätte sie Oma beim nächsten Telefonat von meinem Bild erzählt. Deshalb nickte ich nur geheimnisvoll. Dabei weiß ich doch längst, dass es keinen Weihnachtsmann gibt. Ich bin schließlich schon neun Jahre alt.

"Marie, Klara!", rief Mama aus der Küche. "Zieht euch an! Wir gehen auf den Weihnachtsmarkt!"

Da haben Tante Klara und ich uns ziemlich beeilt, denn den Weihnachtsmarkt mögen wir beide sehr gern!

Mir wird immer so vorweihnachtlich-kribbelig im Bauch, wenn ich die Buden mit dem Holzspielzeug und dem Christbaumschmuck sehe und wenn es überall nach gebrannten Mandeln und gerösteten Esskastanien duftet. Ich finde es auch schön, wenn man ein klitzekleines bisschen friert, denn dann kann man heißen Kinderpunsch trinken und alles wird noch kribbeliger und noch vorweihnachtlicher. Tante Klara mag am liebsten die Weihnachtslieder, die das alte Karussell mit den Holzpferden spielt, während es sich dreht. Dann singt sie immer mit, auch wenn sie den Text nicht ganz so genau kennt.

Weil heute der Tag vor Heiligabend war, war auf dem Weihnachtsmarkt sogar ein Weihnachtsmann. Er saß in einer der Buden auf einem goldenen Stuhl mit roten Kissen und davor stand eine lange Schlange Kinder. Immer ein Kind nach dem anderen durfte nach vorne gehen und mit dem Weihnachtsmann sprechen.

"Ich will auch zum Weihnachtsmann!", rief Tante Klara.

Mama hat ein bisschen unglücklich ausgesehen. Sie mag es nicht, wenn wir auffallen. Aber wenn man mit Tante Klara unterwegs ist, fällt man eigentlich immer ein bisschen auf. Und Papa hat das auch gar nichts ausgemacht.

"Warum nicht!", hat er gesagt. "Ich stelle mich mit Klara beim Weihnachtsmann an und ihr könnt währenddessen einen Punsch trinken."

Tante Klara hat vor Begeisterung in die Hände geklatscht und Mama hat leise geseufzt. "In Ordnung, wir sind gleich hier nebenan."

Doch gerade als Mama unseren Punsch bestellen wollte, standen Papa und Tante Klara schon wieder vor uns.

"Sie haben uns nicht durchgelassen", sagte Papa und Tante Klara schluchzte laut.

Vor der Weihnachtsmann-Bude standen nämlich zwei Frauen, die als Engel verkleidet waren. Die holten die Kinder von ihren Eltern ab und stellten sie in die Schlange vor den Weihnachtsmann. Nur Tante Klara wollten sie nicht mitnehmen.

"Warum denn nicht?", wollte Mama wissen und gab Tante Klara ein Taschentuch.

"Weil Klara kein Kind mehr ist", sagte Papa. Man konnte richtig sehen, dass er sich geärgert hat. "Ich hab versucht, mit ihnen zu reden, aber sie haben uns einfach abgewimmelt!"

Tante Klara weinte noch mehr und ich fand, dass die Engel-Frauen kein bisschen wie Engel waren, wenn sie Tante Klara nicht zum Weihnachtsmann ließen, nur weil sie erwachsen war.

Oma hatte mir das schon vor langer Zeit erklärt: Tante Klara hatte bei ihrer Geburt zu wenig Sauerstoff bekommen und dadurch war etwas in ihrem Gehirn kaputt gegangen. Deshalb war meine Tante ein bisschen anders als die meisten Leute. Sie konnte nicht lesen und nicht rechnen. Sie konnte auch nicht alleine wohnen, obwohl sie schon fünfunddreißig war. Aber dafür konnte man toll mit ihr spielen und sich verkleiden und Quatsch machen. Mama sagt, in Tante Klara steckt immer noch ein Kind. Aber das haben die Engel-Frauen nicht gemerkt und deshalb war Tante Klara jetzt traurig. Ich habe schon gemerkt, wie ich richtig wütend wurde, da ist mir etwas eingefallen, womit ich Tante Klara vielleicht trösten konnte.

Ich habe sie am Ärmel gezupft, bis sie sich endlich zu mir runter gebeugt hat und dann habe ich ihr ins Ohr geflüstert: "Das ist doch gar nicht der richtige Weihnachtsmann. Der richtige Weihnachtsmann kommt erst morgen!"

Tante Klara bekam große Augen.

"Der richtige Weihnachtsmann", habe ich weiter geflüstert, "hat heute doch gar keine Zeit für den Weihnachtsmarkt. Er muss die Geschenke einpacken und seinen Schlitten beladen. Damit für morgen alles fertig ist."

Tante Klara nickte langsam. Das verstand sie. Ihr Gesicht war zwar noch ganz nass von den Tränen, aber sie fing an zu strahlen.

Papa zwinkerte mir zu. "Da hast du ja richtige Weihnachts-Zauberworte gefunden!", sagte er.

Das fand ich auch. Denn Tante Klara begann jetzt leise zu singen: "Morgen kommt der Weihnachtsmann ..."

"Wie wäre es", fragte Mama, "wenn wir jetzt alle zusammen einen schönen heißen Punsch trinken?"

Das haben wir dann auch getan und es wurde noch einmal so richtig gemütlich.


Am nächsten Morgen bin ich schrecklich früh aufgewacht. Es hat in mir so weihnachtlich gekribbelt, dass ich es kaum noch ausgehalten habe. Das weihnachtliche Kribbeln ist nämlich noch viel stärker als das vorweihnachtliche Kribbeln. Und auch wenn man nicht an den Weihnachtsmann glaubt, ist Heiligabend doch furchtbar aufregend, finde ich!

Es hat aber nichts ausgemacht, dass ich nicht mehr schlafen konnte, denn Tante Klara war auch schon wach. Sie saß im Schlafanzug auf ihrem Bett und hat sich meine alten Bilderbücher angeguckt. Da habe ich mich zu ihr gesetzt und ihr das Buch über die Geburt von Jesus im Stall vorgelesen. Das gehört nämlich zu Weihnachten dazu. Weil Oma es mir früher immer an Heiligabend vorgelesen hat. Und weil es ohne das Jesuskind überhaupt kein Weihnachten gegeben hätte. Als wir das Buch zum dritten Mal durchgelesen hatten, sind Mama und Papa endlich auch aufgestanden und wir haben in der Küche gefrühstückt.

Danach wollte Tante Klara mit mir Weihnachten spielen. Das bedeutet, sie wollte, dass wir so tun, als ob sie der Weihnachtsmann wäre und ich die Kinder, denen der Weihnachtsmann Geschenke bringt. Aber ich hatte keine Zeit. Ich war nämlich mit meiner besten Freundin Katrin verabredet.

***

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