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Die Schneekugel© Sigrid WohlgemuthEs kam das Gefühl auf, als würden die Tage immer kürzer. Die Dunkelheit brach früher ein und verdunkelte den Himmel in kürzester Zeit. Der Winter würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Zwei Wochen trennten mich von den ersehnten Ferien, den liebsten Zeitabschnitten des Jahres. Ganz besonders die freien Wochen zu Weihnachten schätzte ich sehr. Es war wieder eine der Nächte, in denen mir das Einschlafen sehr schwer fiel. Am Morgen hatten wir in der Schule eine Klassenarbeit in Mathematik geschrieben, am nächsten Tag sollte der Test in Geographie folgen. Am Abend vor einem Test, welches Fach es auch sei, stellte sich jedes Mal ein leichtes Bauchweh ein. In meinem Bett liegend drehte ich mich von einer Seite auf die andere, der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Am Morgen würde ich übermüdet sein und mich nur mit äußerster Anstrengung auf die Fragestellungen in der Arbeit konzentrieren können. Ich erinnere mich, als wäre es heute, wie sehr ich mir wünschte in einen schönen Traum zu fallen und am Morgen ausgeruht aufzuwachen, um mit guter Laune und ohne Bauchweh zur Schule gehen zu können. Den Geographietest zu überstehen, als wäre es nichts Bedeutendes. Doch es stellte sich kein Traum ein. Ein paar Stunden lag ich wach und wälzte mich im Bett, da verspürte ich Durst. "Heiße Milch mit Honig wäre gut um einschlafen zu können", sagte meine Mutti immer. Kurz überlegte ich, schob die Bettdecke zur Seite, schlüpfte in meine Pantoffeln und schlich mich leise am Elternschlafzimmer vorbei in die Küche. Hinter mir schloss ich die Tür und tastete im Dunklen nach dem Lichtschalter. Da entdeckte ich einen kleinen Lichtschein. Wahrscheinlich hatten meine Eltern vergessen eine Lampe zu löschen. Ohne die Oberbeleuchtung einzuschalten drehte ich mich um und schaute mit halb zugekniffenen Augen in die Dunkelheit, um herauszufinden von welcher Lampe der Schein leuchtete. Es flimmerte vom Küchentisch her. Magisch zog mich dieses Licht an. Ich tastete mich langsam und vorsichtig auf den Tisch zu. Aus einem Meter Entfernung konnte ich die Lichtquelle genau ausmachen. Aber, da stand weder eine Lampe noch eine Kerze. Auf der Mitte des Tisches befand sich eine Schneekugel. Wer mochte sie dort hingestellt haben? Es war die erste, die ich in unserem Haus zu Gesicht bekam. Mein Vater hatte für Schneekugeln nichts übrig, er nannte sie kitschig. Mich bezauberten sie. Sobald der Weihnachtsmarkt öffnete, ging ich zur Holzhütte, in der sie ausgestellt wurden, und bis zur Schließung des Marktes erfreute ich mich fast täglich an ihrem Anblick. Stundenlang konnte ich davor stehen bleiben und sie im Schein der festlichen Beleuchtung des Weihnachtsmarktes betrachten. Nun stand eine Schneekugel in unserer Küche. Mein Erstaunen ließ nicht nach. Ich traute mich nicht sie zu berühren, lief um den Tisch herum und fixierte sie von allen Seiten. Sie war wunderschön anzusehen. Die Schneekugel war ungefähr fünfzehn Zentimeter groß und ruhte auf dem weißen Sockel, der einem Schneeberg glich. Auf der Außenseite befanden sich Figuren: ein goldener Stern, eine goldene Glocke, ein Tannenzapfen, eine goldene Trompete und zwei lustige Schneegesellen. Einer der Figuren trug einen schwarzen Zylinder, der andere einen roten. In den Händen hielten sie ein Plakat. Das Licht reichte nicht aus, um zu erkennen, was darauf geschrieben stand. Auf dem Schneeberg thronte die Schneekugel. In ihrem Inneren stand eine alt aussehende Laterne, von der aus das Licht strahlte. Des Weiteren erkannte ich einen Tannenbaum, auf dessen Ästen der Schnee lag. Vor ihm standen zwei Schneemänner. Nein, es war eine Schneefrau und ein Schneemann. Die Schneefrau trug eine blaue Zipfelmütze mit weißem Rand und einem weißen Bommel. Der um ihren Hals gebundener Schal war rot mit weißen Punkten. Sie hatte ein Lächeln im Gesicht. Hinter ihr stand der Schneemann. Er trug einen schwarzen Zylinder, einen weißen Schal und eine weiße Weste mit goldenen Knöpfen. Seine Arme waren freudig zum Himmel ausgestreckt. Das rechte Bein angehoben, so als würde er jeden Moment tanzen wollen. Schnee lag zu den Füßen der beiden. Vor lauter Erstaunen, und völlig gefangen genommen von der Schneekugel, hatte ich vergessen, warum ich in die Küche gekommen war. Nun wollte ich mir zuerst schnell eine Tasse Milch mit Honig warm machen. Ich ging zum Herd und schaltete das Licht über der Ablage an. Danach wollte ich mich wieder mit der Schneekugel befassen. Die erhitzte Milch goss ich in eine Tasse, schaltete die Herdplatten und das Licht aus und wollte mich zum Küchentisch begeben. Plötzlich war es stockdunkel in der Küche. Der vorherige kleine Schein war nicht mehr auszumachen. Ich schaltete das Licht wieder an und lief zum Tisch. Die Schneekugel war verschwunden. Ich suchte sie unter dem Tisch und in der ganzen Küche. Sie war nicht zu finden. ‚Du hast geträumt!', ging es mir durch den Kopf. Um zu sehen ob ich träumte, kniff ich mich in den Arm. "Au!" Es war Wirklichkeit. Wiederholt durchsuchte ich jede Ecke. Sie blieb verschwunden. Die Schneekugel wird meiner Fantasie und dem Wunsch nach ihr entsprungen sein. Ich fand keine andere Erklärung. Das lag bestimmt an der Müdigkeit, die mich endlich überkam. Den Schlummertrunk, der in der Zwischenzeit abgekühlt war, trank ich in einem Zug leer, schaltete das Licht aus und ging zurück in mein Zimmer. Kuschelte mich unter die warme Decke, schaltete die Nachtischlampe aus und fiel schnell in einen tiefen Schlaf. Ich träumte von der Schneekugel. Am Morgen erwachte ich überraschend ausgeruht und munter. Meine Eltern saßen in der Küche am Frühstückstisch. "Guten Morgen, Celina." "Guten Morgen Mutti, guten Morgen Papa." "Hast du gut geschlafen, Kind?" Papa reichte mir den Brotkorb mit dem frisch duftenden Toast herüber. "Ich habe mir heute Nacht eine Tasse Milch mit Honig aufgewärmt, weil ich nicht einschlafen konnte." Mit großem Appetit biss ich in mein Brot, das ich mit Butter und Pfirsichmarmelade bestrichen hatte. "Konntest du danach einschlafen?" Meine Mutter drehte sich zu mir um, sie war damit beschäftig den Kaffee aufzuschütten. Sie brachte eine Kanne an den Tisch, setzte sie sich zu uns und goss Papa Kaffee in seine Lieblingstasse. "Träumst du Celina?" Meine Mutter schüttelte mich am Arm. Ich erschrak. "Ich habe gerade an gestern Nacht gedacht, als ..." Ich stockte und biss in mein Brot. Mein Vater vertiefte sich in die morgendliche Zeitungslektüre und meine Mutter schrieb den Einkaufszettel. Ich konnte nicht länger ausharren und platze mit meiner Frage heraus. "Mutti, wo hast du die Schneekugel hingestellt, die gestern Nacht hier auf dem Küchentisch gestanden hat?" Ich sah nicht von meinem Toast auf, sondern bestrich einen zweiten mit Butter und Schokoladencreme. "Celina in unserem Haus gibt es keine Schneekugel." Mutter schaute meinen Vater an. "Hast du eine gekauft, Werner?" Er blickte auf. "Nein, ihr wisst doch, dass ich diese Dinger kitschig finde." Vater las weiter in der Zeitung. "Ich habe heute Nacht eine Schneekugel gesehen. Sie stand hier auf dem Küchentisch." Ich zeigte mit meinem Finger auf den Platz. "Kind, das wirst du geträumt haben." Mein Vater trank einen Schluck Kaffee. "Wir müssen gleich fahren Celina, beeile dich. Ich setze dich an der Schule ab. Schreibt ihr heute einen Test?" Ich nickte. Meine Mutter nahm die Lebensmittel vom Küchentisch und platzierte sie in den Kühlschrank. Das Geschirr räumte sie in die Spülmaschine und stellte sie an. Mein Vater gönnte sich eine weitere Tasse Kaffee. Das Thema Schneekugel war somit beendet. Sie glauben mir nicht, dachten, ich hätte es geträumt. Dabei hatte ich mich in der Nacht in den Arm gekniffen und wusste, es war Wirklichkeit. "Ich hole schnell den Ranzen und den Anorak, dann bin ich bereit zum Starten." Ich ging eilig aus der Küche in mein Zimmer. Flüchtig rüttelte ich das Plumeau aus und legte die Tagesdecke mit dem Batman-Motiv darüber. Da entdeckte ich sie. Die Schneekugel! Sie stand auf meinem Schreibtisch. "Da ist sie ja!" So schnell mich meine Beine trugen lief ich zurück in die Küche. "Die Schneekugel steht auf dem Schreibtisch. Ich habe heute Nacht nicht geträumt. Kommt und seht sie euch an. Sie ist wunderschön." Ich zog meine Eltern mit ins Zimmer und zeigte mit Stolz auf den Tisch. "Wo ist sie, Celina?" Die Augen meines Vaters blickten zwischen mir und dem Schreibtisch hin und her. Meine Mutter stand im Türrahmen. "Da stand sie! Ich habe sie gesehen, als ich die Tagesdecke aufs Bett legte. Sie war da! Glaubt mir doch." Ich spürte, dass Tränen in meine Augen stiegen. Die Schneekugel war wieder verschwunden. "Celina, bitte komm einmal her. Hast du Fieber?" Mutter fühlte meinen Kopf und stellte fest, dass er kühl war. Mein Vater ging kopfschüttelnd zurück in die Küche. "Celina, mache dich bitte fertig, sonst kommst du zu spät zur Schule und ich zur Arbeit." Mutter folgte meinem Vater. Ich hörte wie sie leise miteinander sprachen. Kurze Zeit später fuhr mich meine Mutter in die Schule, und ich versuchte mich auf den Geographietest zu konzentrieren. Es gelang mir außergewöhnlich gut. An diesem Tag konnte ich das Ende der Schule nur mit großer Anstrengung abwarten. Als die Klingel erklang, lief ich schnell aus dem Klassenzimmer. Ich lenkte die Schritte in Richtung Stadtmitte. Aus der Ferne konnte ich den Duft des Weihnachtsmarktes ausmachen. Es roch nach gebrannten Mandeln, Zuckerwatte, Waffeln, Gewürzbonbons und Gebäck. Ich genoss es über den Marktplatz zu gehen. Meine bevorzugte Zeit war am Abend, wenn die bunten Lichterketten den Weihnachtsmarkt in etwas Geheimnisvolles tauchten. Meine Eltern wussten, dass mein sehnlichster Wunsch eine Schneekugel war. "Dafür bist du schon zu alt." "Wie alt ist zu alt?" "Celina, du bist acht Jahre. Aus dem Alter für eine Schneekugel bist du schon herausgewachsen. Haben deine Schulfreundinnen welche?" Meine Eltern stellten mir immer die gleiche Frage. "Ja, meine Freundinnen haben Schneekugeln geschenkt bekommen, als sie kleiner waren!" Ich hielt inne, das war keine gescheite Antwort gewesen. "Siehst du. Als sie kleiner ...!" Ende des Gesprächs. Mir war es egal, wenn ich zu alt für eine Schneekugel sein sollte. Ich befand mich nicht mehr weit entfernt vom Verkaufsstand, und wartete einen Moment, bis sich weniger Besucher um die wunderschönen Schneekugeln drängten. Der Besitzer erkannte mich sofort, weil ich ihn oft besuchte. "Hallo, Celina. Wieder auf dem Weihnachtsmarkt? Heute direkt nach der Schule, wie ich an deinem Ranzen erkennen kann." Der Besitzer beugte sich über die Verkaufstheke zu mir nach vorne und reichte mir die Hand zum Gruß. "Guten Tag, Herr Toren. Haben sie eine Schneekugel mit einer Frau und einem Herrn Schneemann?" Ich schüttelte seine Hand. "Warte, ich werde nachsehen. Ich habe solche. Komm auf die andere Seite der Hütte, da kannst du dir alle ansehen, die als Motiv Schneefiguren haben." In Ruhe sah ich mir jede Schneekugel an. Eine hatte einen Schneemann mit einem langen Bart. In einer anderen war ein Schneemann auf einem Schlitten zu sehen. Eine weitere hatte fünf kleine Schneekinder. Es waren ungefähr zwanzig verschiedene Motive vorhanden, doch nicht eines sah der Schneekugel ähnlich, die ich in der Nacht gesehen hatte. "Haben sie noch andere Motive, Herr Toren? Vielleicht in den Kartons?" "Warte, ich sehe schnell unter dem Tisch nach. Doch ich denke, ich habe alle ausgestellt." Ich hörte ihn wühlen und gab die Hoffnung nicht auf. "Es tut mir leid, Celina. Ich habe nur die Motive, die du hier siehst. Gefällt dir davon keine?" Herr Toren konnte meine Antwort nicht mehr abwarten, da ihn ein Besucher um eine Auskunft bat. "Vielen Dank, Herr Toren. Bis zum nächsten Mal." Ich winkte ihm zu und ging langsam über den Weihnachtsmarkt um zu sehen, ob an den anderen Hütten Schneekugeln zum Verkauf angeboten wurden. Leider fand ich keine weiteren. Traurig machte ich mich auf den Heimweg. Obwohl ich den Umweg über den Weihnachtsmarkt eingeschlagen hatte, erreichte ich pünktlich zum Essen unser Zuhause. Abgelenkt durch die letzten Klassenarbeiten, Basteln und Backen für die Adventszeit, dachte ich nicht mehr oft an das Ereignis mit der Schneekugel. Da sah ich sie wieder. Es war am späten Abend. Ich hatte mich im Badezimmer bettfertig gemacht, legte meine Kleider auf den Stuhl und bemerkte den Lichtschein. Die Schneekugel stand auf der Fensterbank. Ich trat näher an sie heran. Sie konnte nicht lange dort gestanden haben, denn der Schnee sank langsam zu Boden. Vorsichtig schritt ich zur Zimmertür und überlegte, ob ich meine Eltern rufen sollte. "Gute Nacht, Mutti und Papa." Besser nicht, dachte ich und schloss leise die Tür hinter mir. Schnell schaute ich mich um, ob die Schneekugel noch da stand. Sie hatte sich nicht vom Fleck bewegt. Ich trat näher an sie heran und überlegte, sie zu berühren. Meine ausgestreckte Hand hatte fast ihr Ziel erreicht, als ich sie erschrocken zurück zog. "Guten Abend, Celina." Die Schneefrau sprach. "Guten Abend, Celina." Der Schneemann auch. Mit beiden Händen fasste ich an mein Gesicht und spürte, dass es sehr kühl geworden war. Hastig drehte ich mich um. Vielleicht waren es die Stimmen meiner Eltern, die ich hörte. Die Tür war geschlossen. Ich vernahm ein Klopfen. An der Zimmertür? Ich drehte mich wieder um. Nein, das Klopfen kam aus dem Inneren der Schneekugel. Ein weiteres Klopfen erklang. "Celina, Celina! Hörst du nicht?" Die Schneefrau und der Schneemann klopften abermals an die Schneekugel. Unsicher nickte ich und sah mit erstaunten Augen auf die beiden Gestalten. "Kannst du die Schneekugel öffnen? Wir möchten hier heraus." Die Schneemenschen drückten mit vereinten Kräften gegen die Glaskugel. Verlegen schüttelte ich den Kopf. "Warum? Wir möchten aus der Schneekugel heraus." Sie schoben weiter an der Glaskugel. Bei jedem Klopfen wirbelten sie den Schnee auf. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Weder traute ich mich zu sprechen noch mich zu bewegen. Viel zu erschrocken war ich darüber, was vor meinen Augen geschah. "Celina, hilf uns." Sie sprachen lauter und ich verspürte Angst, dass meine Eltern im Wohnzimmer auf uns aufmerksam würden. So war es dann auch. Ich hörte Schritte auf dem Flur und merkte, dass jemand vor der Zimmertür stand und bestimmt hören wollte, was da so laut vor sich ging. Ich sprang ins Bett. Zuvor legte ich den Zeigefinger auf den Mund und bedeutete damit den Schneemenschen, sich still zu verhalten. Die Tür öffnete sich langsam. "Celina, ist alles in Ordnung?" Meine Mutter sah sich im Raum um. Jetzt würde sie die Schneekugel entdecken, dachte ich. "Alles in Ordnung, Mutti. Gute Nacht." "Gute Nacht, Kind. Schaf gut." Meine Mutter lehnte die Tür an, und ich hörte Schritte, die sich entfernten. Hatte sie die Schneekugel nicht gesehen? Ich kroch aus dem Bett und ging zur Fensterbank. Die Schneekugel war verschwunden. Enttäuscht schlüpfte ich zurück ins Bett, knipste das Nachttischlämpchen aus und fand lange keinen Schlaf. Langsam fielen die ersten weißen Flocken vom Himmel, und wir Kinder freuten uns auf eine Schneeballschlacht. In der Nacht vor Nikolaus putzte ich meine Stiefel und stellte sie vor die Wohnungstür. Ich hoffte, der Nikolaus würde mir eine Schneekugel in den Schaft stecken. Am frühen Morgen erwachte ich. Neugierig, was der Nikolaus mir gebracht hätte, schlich ich auf Zehenspitzen, da ich meine Eltern nicht aufwecken wollte, zur Wohnungstür. Langsam und leise öffnete ich sie. Vor ihr standen die Stiefel prall gefüllt mit Geschenken. Ich huschte in mein Zimmer zurück und schüttete den Inhalt der Stiefel auf das Bett. Nüsse, Lebkuchen, ein Nikolaus aus Schokolade, Marzipan, eine Rute und ein eingepacktes Geschenk purzelten heraus. Erwartungsvoll riss ich das Papier eilig herunter. Ein grünes Buch mit dem Titel: "Weihnachtsgeschichten" kam zum Vorschein. Ich rüttelte nochmals an den Stiefeln, doch es befand sich nichts mehr in ihrem Inneren. Ich huschte nochmals zur Wohnungstür. Hatte ich etwas übersehen? Keine Schneekugel! Voller Enttäuschung ging ich in mein Zimmer zurück. Ich steckte alle Nikolausgeschenke in die Stiefel und stellte sie vors Bett und packte den Schulranzen. Als ich ihn öffnete, kam mir ein Lichtschein entgegen. Vorsichtig steckte ich die Hand hinein und holte den leuchtenden Gegenstand heraus. Die Schneekugel! Zum ersten Mal hielt ich sie in der Hand. "Guten Morgen, Celina." Die Schneemenschen begrüßten mich gleichzeitig. Ich verspürte keine Angst mehr. "Guten Morgen, Schneefrau und Schneemann." Freudig tanzte ich mit der Schneekugel in den Händen im Zimmer. Der Schnee im Inneren wirbelte umher. "Halt, halt. Uns wird schwindelig. Es dreht sich alles in unseren Köpfen." Die Schneefrau war zu Boden gestürzt und der Schneemann hielt sich an der Straßenlaterne fest. "Entschuldigung. Ich werde mich erst daran gewöhnen müssen, dass ihr echt seid und nicht nur Figuren." Vorsichtig stellte ich sie auf die Schultasche. "Hilf uns, Celina. Bitte lass uns hier heraus." Wieder versuchten die Schneemenschen mit geballten Kräften das Glas zu schieben. "Warum wollt ihr aus dieser schönen Schneekugel heraus?" Erschrocken und ängstlich schaute ich ihnen zu. "Wir möchten etwas erleben! Nicht nur hier drinnen bewundert oder hin und her geschüttelt werden, dass uns ganz mulmig im Bauch wird. Jeder, der uns sieht, schüttelt uns um zu sehen, wie der Schnee auf uns rieselt. Immer und immer wieder. Wir möchten das nicht mehr. Zu lange sind wir in dem Glashaus eingesperrt. Bitte hilf uns!" Sie sahen mich flehend an. "Wie?" Voller Nervosität sah ich zur Zimmertür. Meine Mutter stand im Türrahmen. "Guten Morgen, Celina. Führst du Selbstgespräche?" Sie kam auf mich zu. "Was versteckst du in deinem Ranzen?" Mutter zeigte mit dem Finger darauf. Was sollte ich antworten? Ich griff in den Ranzen und hielt ein grünes Buch in der Hand. Die Schneekugel war verschwunden. "Das Buch habe ich vom Nikolaus geschenkt bekommen. Ich möchte es meinen Freundinnen in der Schule zeigen und es mir während der Pausen genauer ansehen." Schnell kam mir diese Ausrede über die Lippen. Wie kam das Buch überhaupt in den Ranzen? Hatte ich es nicht zurück in den Stiefel gesteckt? "Zeig mal." Meine Mutter nahm mir das Buch aus der Hand und blätterte in ihm. "Es sind Kurzgeschichten über Weihnachten. Sehr schön. Wenn du möchtest, könntest du uns jeden Abend eine Erzählung vorlesen, oder die Geschichte, die dir am besten gefällt, am Heilig Abend." Meine Mutter reichte mir das Buch zurück. Ich steckte es in den Ranzen. Als meine Mutter aus dem Zimmer war, räumte ich die Schultasche aus, um nach der Schneekugel zu suchen. Ich fand sie nicht. Die letzten Arbeiten waren geschrieben. Meine Klassenkameraden und ich atmeten auf. Die ersehnten Weihnachtsferien fingen an. Ich hatte die Schneekugel schon fast vergessen, da stand sie auf dem Nachttisch, als ich mich schlafen legen wollte. Die Schneemenschen winkten mir zu. Ich schloss die Zimmertür und setzte mich aufs Bett. "Hallo, Celina." Die Schneefrau und der Schneemann lächelten mir zu. An ihren Gesichtern konnte ich erkennen, dass sie sich freuten mich zu sehen. "Hallo, ihr beiden. Habt ihr auch einen Namen?" Sie schauten sich an. "Wir sind Schneefrau und Schneemann." "Ich werde heute versuchen euch zu helfen. Vielleicht gelingt es mir, wenn ich den Schneeberg abdrehe. Wartet, haltet euch an der Straßenlaterne oder an dem Tannenbaum fest. Es wird bestimmt wackelig werden." "Halt! Du musst es über einer Schüssel öffnen, damit du die Flüssigkeit und den Schnee nicht verlierst, sonst wird alles nass." Woher sollte ich eine Schüssel holen? Ich konnte unmöglich in die Küche gehen. Es war spät und meine Eltern saßen vor dem Fernseher und verfolgten die Spätnachrichten. "Nimm den Blumenübertopf von der Fensterbank." Die Schneemenschen zeigten aufgeregt mit ihren Händen darauf. "Gute Idee!" Ich hielt den Schneeberg über den Topf und drehte langsam daran. Er bewegte sich. Vorsichtig machte ich weiter. Schon floss das Wasser und der Schnee aus der Glaskugel heraus. Ich hielt meine freie Hand unter die Öffnung. Auf einmal hielt ich zwei kalte, kleine Schneemenschen auf der Handfläche. "Willkommen, ihr Beiden", flüsterte ich ihnen zu. "Danke, du hast uns befreit, das werden wir dir nie vergessen." Die Schneemenschen tanzten einen Reigen. "Vorsichtig, ihr werdet herunterfallen, wenn ihr so übermütig seid." Da war es schon passiert. Ich fing sie im letzten Moment mit der anderen Hand auf. Die Glaskugel, die ich vor lauter Schreck los ließ, fiel herunter, in den Blumenübertopf. Ich erschrak. Zum Glück war die Glaskugel durch den Fall nicht zersprungen. Die Schneemenschen setzten sich. Ich hob sie näher ans Gesicht, damit ich nicht so laut sprechen musste. Schließlich wollte ich meine Eltern nicht auf uns aufmerksam machen. "Wie soll es nun weitergehen?" Ich sah die Schneemenschen fragend an. "Wir müssen ein Weilchen warten. Du kannst uns den Weihnachtmarkt zeigen, wenn die Kirchturmuhr zwölf Mal schlägt. Wir gehen nach draußen. Dort ist es kühler für uns. Heute ist eine segensreiche Nacht, weil es schneit bei sternklarem Himmel. Bist du einverstanden?" Vor Freude fingen sie wieder zu tanzen an. "Gut, ich lege mich schlafen. Ich lasse euch im Übertopf, weil dort der Schnee ist, der euch kühlt. Macht mich wach, wenn es soweit ist." Ich stellte sie auf den Nachttisch und kuschelte mich unter die Bettdecke. Nach den zwölf Kirchturmschlägen weckten mich die Schneemenschen sachte auf. Ich zog mir Winterkleider und Stiefel an und schlich mich mit den Beiden in der Jackentasche aus dem Haus. Als wir im Freien standen, holte ich die Schneemenschen aus der Tasche. "Ich halte euch in der Hand, damit ihr sehen könnt wohin wir gehen." "Nein, lass uns runter auf den Schnee und erschrick dich nicht. Das ist der Zauber der Nacht." An ihren Gesichtern konnte ich erkennen, wie sehr sie sich freuten. Ich setzte sie in den Schnee und ging einen Schritt zurück. Es dauerte nicht lange, da schwebte vom Himmel ein goldener Streifen auf die Erde und überzog die Schneemenschen mit einem Hauch aus glitzernden Kristallen. Kurz darauf wurden sie größer. So groß, wie ich sonst einen Schneemann baute. "Vollbracht! Wir können nebeneinander zum Weihnachtsmarkt spazieren." Die Schneemenschen schüttelten sich. Sie nahmen mich in die Mitte. Wir wanderten durch die weihnachtlich dekorierten Gassen. In einer Straße war eine wahre Landschaft aufgebaut. Dort kletterte der Nikolaus durch den Kamin. Auf der anderen Haushälfte saß der Weihnachtsmann im Schlitten, der von acht Rentieren gezogen wurde. Ein Schneemann stand im Vorgarten mit einer roten Zipfelmütze, einer Möhrenase und runden Kohleaugen. Im Mund steckte eine große Pfeife. Ein blauer Schal war um seinen Hals gelegt. Als wir am Schneemannhaus vorbei gingen, hörten wir hinter uns eine Stimme. "Kann ich mitkommen?" Ich erschrak so sehr, dass ich nicht merkte, wie ich auf eine Eisschicht trat, und rutschte zwei Meter auf dem Hosenboden entlang. Die Schneemenschen halfen mir schnell auf die Beine. Wir kehrten ein Stück des Weges um. Da kam uns der Schneemann mit der großen Pfeife entgegen. "Wohin geht ihr?", fragte der Schneemann. "Wer bist du?" Ich sah ihn erstaunt an. "Ferdinand. Ihr seid an unserem Haus gerade vorbei gegangen. Da habt ihr mich doch gesehen." Er trat in unsere Mitte. "Ja. Du kannst sprechen und gehen?" Ich streckte die Hand aus um zu fühlen, ob er aus Schnee war. "Die beiden Schneemenschen sind auch aus Schnee. Wo ist der Unterschied?" Gekränkt schaute Ferdinand mich an. "Entschuldige, ich wollte dich nicht beleidigen. Ich bin darüber sehr erstaunt. Schneefrau und Schneemann sind aus einer Schneekugel. Durch einen Sternenzauber wurden sie groß. Sie wünschen sich, dass ich ihnen den Weihnachtsmarkt zeige. Du kannst ruhig mitkommen, Ferdinand. Mein Name ist Celina." Ich gab ihm zur Versöhnung die Hand. Ferdinand reichte mir die seine. Sie war ziemlich kalt. Wir spazierten zu viert in die Stadt hinein. Die Straßen waren durch die Weihnachtsbäume, die den Markt alleeartig einrahmten, wie verzaubert. Es war spät in der Nacht und duftete nach den Leckereien vom Tage. "Es ist alles geschlossen. Wenn die Hütten geöffnet sind, tauchen sie den Weihnachtsmarkt in eine schöne, festliche Stimmung. Tut mir leid, dass ich euch dies nicht zeigen kann." Traurig sah ich meine drei Begleiter an. Sie lächelten. Ich bemerkte nicht, was sich hinter meinem Rücken ereignete. Erst, als leiser Gesang an mein Ohr drang, drehte ich mich um. Alle Verkaufsstände waren geöffnet. Die Melodie erklang von der Kettenschaukel. Ich stand vor Erstaunen mit geöffnetem Mund und konnte nicht glauben, was ich erlebte. Aus allen Richtungen kamen Schneemenschen auf den Weihnachtsmarkt. Sie gingen mit ihren Schneekindern auf die Kettenschaukel, auf das Pferdekarussell, an die Losbuden und an die Hütten mit weihnachtlichen Süßigkeiten. Ich war so überrascht, dass ich nicht merkte, wie ich zu den Hütten gezogen wurde. Wir kauften Lose und tranken heiße Schokolade mit einer dicken Sahnehaube. Man schenkte mir ein Lebkuchenherz, Zuckerwatte und gebrannte Mandeln. Vor lauter Freude tanzten wir zu den weihnachtlichen Klängen. Nach einiger Zeit blieben wir ausgelassen und nach Luft schnappend vor der Hütte mit den Schneekugeln stehen. Herr Toren befand sich nicht dort, sondern eine Schneefrau mit einer roten Schürze und einem grünen, dicken Schal um den Hals. "Möchtest du eine Schneekugel kaufen?" Sie sah mich erwartungsvoll an. "Nein, danke, ich habe schon eine." Ich zwinkerte den Schneemenschen zu. Wir gingen weiter, und weil wir überall stehen blieben, dauerte es lange, bis wir das Ende des Weihnachtsmarktes erreicht hatten. "Du hast ganz rote Wangen bekommen, Celina." Ferdinand streichelte sie und kühlte sie mit der Schneehand. Ein wenig später trennten wir uns von ihm. Ferdinand ging zurück auf seinen Platz und winkte uns ein letztes Mal zu. Vor uns lag noch ein kleines Stück Weg. Ich wurde müde vom vielen Wandern und von dem Erlebten in dieser sternenklaren Nacht. "Möchtet ihr mit ins Haus kommen?" Silberner Regen fiel auf die Schneemenschen nieder. Einen Augenblick später waren sie klein. "Bring uns zurück in die Glaskugel", sprach die Schneefrau. Ich bückte mich und wollte sie in die Jackentasche stecken, als der Schneemann sich ein Stück entfernte. "Sollen wir unsere Freiheit, die wir gerade erst erhalten haben, aufgeben? Es war schön auf dem Weihnachtsmarkt. Ihn einmal aus einer anderen Sicht zu sehen, als in einer Hütte zum Verkauf ausgestellt zu sein. Schneefrau, lass uns nicht zurück in die Kugel gehen." Bittend sah der Schneemann sie an. "Unsere Welt ist dort. Überleg einmal, wie viele Kinder können wir damit glücklich machen? Du siehst die Freude in ihren leuchtenden Augen, wenn sie uns schütteln und der Schnee auf uns fällt. Hast du das vergessen? Ich weiß, uns dreht sich der Magen und der Kopf, doch wir stehen das ganze Jahr über in unzähligen Wohnungen und sehen die Menschen, die in dem Haus leben, für einander da sind, und können sie auf Schritten ihres Lebens begleiten." Die Schneefrau kam in meine offene Handfläche und setzte sich nieder. "Du hast Recht! Celina, bitte bring uns zurück. Es war eine wunderschöne Nacht, wir werden sie nie vergessen. Du hast uns geholfen, dass wir den Weihnachtsmarkt und das Treffen mit anderen Schneefamilien erleben durften." Tränen der Freude glitzerten in seinen Augen. Ich steckte die Schneemenschen in die Tasche und öffnete die Haustür. Leise schlich ich ins Zimmer. Ich nahm den Blumenübertopf, streichelte die Schneemenschen kurz, und setzte sie auf ihre Plätze vor dem Tannenbaum und der Laterne. "Ich werde euch leider auf den Kopf stellen müssen. Haltet euch fest." Langsam floss das Wasser mit dem Schnee zurück in die Kugel. Ich drehte sie am unteren Ende des Schneeberges zu. Dort standen nun die beiden Schneemenschen, klopften an die Glaskugel und winkten mir mit einem Lächeln zu. Ich stellte sie auf den Nachttisch, schlüpfte in den Schlafanzug und krabbelte ins Bett. Mit einem letzten Blick auf die Schneekugel schlief ich glücklich und erschöpft ein. Als ich am nächsten Morgen erwachte, war die Schneekugel verschwunden. Ich war mir sicher, es war nur ein Traum, da entdeckte ich den Blumenübertopf, der auf dem Teppich lag. Kein Traum! Freudig hüpfte ich aus den Federn. Ich kleidete mich an und freute mich auf den Abend, denn es war der vierundzwanzigste Dezember. Meine Mutter war bereits bei den Vorbereitungen für das Mittagessen, als ich in die Küche kam. "Guten Morgen, Celina. Du hast lange geschlafen." Sie schälte Kartoffeln. "Guten Morgen, Mutti." Es war eine lange, ereignisreiche Nacht, wollte ich sagen. Im letzten Moment hielt ich mir die Hand vor den Mund, damit es mir nicht herausrutschte. "Hilf mir bitte bei den Vorbereitungen. Wir werden gleich den Tannenbaum schmücken, damit das Christkind Zeit hat, die Geschenke darunter zu legen, wenn wir ein letztes Mal den Weihnachtsmarkt besuchen." Meine Mutter ging voraus ins Wohnzimmer. Ich blieb eine Weile in der Küche und dachte an die vergangene Nacht. Ob ich die Schneekugel jemals wiedersehen würde? Ich folgte meiner Mutter. Mein Vater stellte gerade den Tannenbaum in den Ständer. Er war groß, sodass Papa ihn an der Wand mit einem Haken und einer Kordel befestigte, damit er nicht umkippte. Gemeinsam schmückten wir ihn. Als wir fertig waren, schloss meine Mutter das Wohnzimmer ab, damit keiner mehr rein gehen konnte. Die Tür zur Terrasse hin war geöffnet, die Rollladen halb herunter gelassen. Ein Zeichen für das Christkind, dass unser Tannenbaum geschmückt war und wir auf die Geschenke warteten. Wir aßen eine Kleinigkeit zu Mittag, dann zogen wir unsere warmen Jacken an und spazierten bei leichtem Schneefall zum Weihnachtsmarkt. Als wir in die Straße von Ferdinand, dem Schneemann mit der großen Pfeife einbogen, entdeckte ich ihn von weitem. Ich hatte das Gefühl er würde mir zuwinken. Schon aus der Ferne spürten wir den herrlichen, süßen Duft des Weihnachtsmarktes in der Nase. Wir schlenderten von einem Stand zum anderen, so wie ich es in der Nacht mit den Schneemenschen getan hatte. Wir kamen an den Stand mit den Schneekugeln. Herr Toren hatte gerade keine Besucher. "Hallo, Celina. Ein letzter Besuch auf dem Weihnachtsmarkt?" Er winkte mir zu. "Ja, Herr Toren. Noch einmal diese wundscherschönen, bezaubernden Schneekugeln betrachten." Ich spürte, wie meine Augen leuchteten. Nie würde ich aufhören, diesen Anblick zu lieben, egal wie alt ich auch war. "Ich hoffe, meine Tochter hat sie nicht belästigt. Wie es aussieht, war sie bestimmt oft hier und liebäugelte mit Ihrer Auslage." Meine Mutter nahm eine Schneekugel in die Hand und schüttelte sie kräftig. "Vorsicht Mutti, denen wird ja ganz flau im Magen, wenn du sie so rüttelst." Vorsichtig nahm ich sie ihr aus der Hand und stellte sie zurück auf den Ausstellungsplatz. "Möchtest du eine Schneekugel?" Mein Vater sah mich an. Ich traute mich mit dem Kopf zu nicken. "Nun gut, weil du sie so gerne hast, kannst du dir ab jetzt jedes Jahr eine auf dem Weihnachtsmarkt aussuchen. Gefällt dir diese?" Mein Vater nahm eine in die Hand. "Warten Sie. Du hattest mich vor ein paar Tagen nach einer mit zwei Schneemenschen gefragt. Mal sehen, wo habe ich sie hingelegt. Ach ja, hier im Karton. Entspricht sie der, die du gesucht hast?" Herr Toren reichte mir die Schneekugel, und Tränen füllten meine Augen. Meine Schneekugel, die mich seit Wochen begleitete. Ob sie nun für immer bei mir bleiben würde? "Du weinst ja, Kind!" Mein Vater war überrascht über meine Freude. "Wir nehmen diese. Was kostet sie?" Mein Vater zog die Geldbörse aus der Jackentasche. "Lassen Sie Ihr Geld mal schön stecken, junger Mann. Das ist ein Geschenk von mir an Celina. Ich habe noch nie ein Kind gesehen, dass meine Schneekugeln so oft anschauen kam und sie so sehr liebt. Frohe Weihnachten zusammen, und ich hoffe, wir sehen uns im nächsten Jahr wieder." Herr Toren bediente neue Besucher. Mein Danke hörte er schon nicht mehr. "Frohe Weihnachten", riefen meine Eltern ihm winkend zu, und wir begaben uns auf den Heinweg. Ich hielt die Schneekugel in der Hand und begutachtete sie von allen Seiten. Irgendetwas war anders als vorher, doch ich wusste nicht, was es war. Als wir zu Hause ankamen, gönnte ich mir ein warmes Bad. Danach zog ich mir das schönste Kleid über. Meine Schneekugel nahm ich in jedes Zimmer mit. Die Schneemenschen hatten die gleichen Kleider an, der selbe Tannenbaum, die Laterne. Ich kam nicht darauf, was sich verändert haben könnte. Nach einem genüsslichen Weihnachtsessen, mit gebratener Ente, Rosenkohl, Kartoffeln und meiner Lieblingsnachspeise, Schokoladencreme mit Sahnehäubchen, gingen wir zum Wohnzimmer. Ich vernahm den Klang eines Glöckchens, dann öffnete sich die Tür. Die Schneekugel ließ ich nicht aus der Hand. Unter dem Tannenbaum lagen die Geschenke. Mein Vater verteilte sie. In einem kleinen Kästchen lag für Mutti ein goldener Ring, besteckt mit Diamanten. Mein Vater öffnete seins, und zum Vorschein kam ein Aktenkoffer mit Laptop, den er sich schon lange gewünscht hatte. Für mich gab es eine zweistöckige Puppenstube. Einen Barbiezug, einen Barbiesportwagen mit Pferdeanhänger, einen neuen Ranzen und ein Kinderhandytelefon. Doch am meisten freute ich mich über die Schneekugel. Nach einer Weile fragte mich meine Mutter: "Hast du eine Geschichte aus dem grünen Weihnachtsbuch, das dir der Nikolaus geschenkt hatte, ausgewählt? Möchtest du sie vorlesen?" Sie schaute in meine Richtung und kuschelte sich in die Decke auf der Couch. Das grüne Weihnachtsbuch! Ich hob meine Schneekugel näher ans Gesicht. Die Schneefrau hatte ein grünes Buch in der rechten Hand. Das war es! Dieses Buch befand sich vorher nicht da. Ich las, auf dem Umschlag stand: "Weihnachtsgeschichten". Ich fing an zu lachen und konnte kaum aufhören. Ich drückte die Schneekugel an mich. "Kind, was ist so lustig für dich, wenn deine Mutter dich fragt, welche Geschichte du uns vorlesen möchtest?" Mein Vater war erstaunt über mein Verhalten. Ich antwortete nicht. Ließ meine Eltern mit überraschten Gesichtern zurück und lief in mein Zimmer um das Buch zu holen. Freudig kam ich zurück in das weihnachtlichen Glanz ausstrahlende Wohnzimmer, setzte mich in den Sessel und nahm die Schneekugel ganz nah zu mir. Mit einem letzten Blick auf sie konnte ich erkennen, was die beiden Schneefiguren auf ihr Plakat geschrieben hatten: 'Frohe Weihnachten'. Wenn das nicht das glücklichste und fröhlichste Weihnachten gewesen war, das ich je erlebt hatte! Freudig schlug ich das Buch auf, hielt aber bei der Überschrift inne. Ich blickte zu meinen Eltern. Nun werden sie mir die Geschichte glauben. "Die Erzählung trägt den Titel: Die Schneekugel. Es war wieder eine der Nächte, in denen mir das Einschlafen schwer fiel ..."
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SPIEGEL ONLINE Bestsellerautorin Patricia Koelle
Weihnachtsgeschichten von Patricia Koelle
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