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Maskerade für einen guten Zweck

© Marie Juillet

Immo schnappte sich die dunkle Sporttasche und verließ eilends die Wohnung. Ein eisiger Wind schlug ihm entgegen, als er auf die Straße trat und die Haustür hinter sich zuzog. Fröstelnd zog Immo den Reißverschluss seines alten Parkas bis oben hin zu und schlug den Kragen hoch. Trotz der winterlichen Kälte, die sich in sämtlichen Winkeln der Straße breit gemacht hatte, sprudelte er vor guter Laune förmlich über und marschierte schnellen Schrittes den verschneiten Gehsteig hinunter. Flüchtig warf er dabei immer wieder mal einen Blick in die weihnachtlich dekorierten Schaufenster der Geschäfte und blieb schließlich für einen kurzen Moment vor einem Juweliergeschäft stehen. Mit glänzenden Augen betrachtete er die kostspieligen Auslagen und lächelte versonnen. Die Rolex mit dem 18-karätigen Goldarmband hatte es ihm schon lange angetan. Bislang hatte er sich dieses luxuriöse Schmuckstück allerdings nicht leisten können. Doch das sollte sich schon sehr bald ändern. Und auch der teure Brillantring für seine neue Flamme Linda würde gewiss nicht mehr lange in dem üppig dekorierten Schaufenster liegen, sondern an ihrem grazilen linken Ringfinger stecken. Oder sollte er seiner Linda vielleicht doch eher die rubinbesetzten Ohrringe schenken? Noch ehe Immo jedoch eine Antwort auf die für ihn so wichtige Frage hatte, sah er aus den Augenwinkeln einen der zahlreichen Weihnachtsmänner über den Bürgersteig stapfen, die sich um diese Jahreszeit zuhauf in der Stadt herumtrieben. Beim Anblick des leuchtend-roten Mantels musste Immo unweigerlich grinsen, zumal diese alberne Maskerade hervorragend in seinen Plan passte. Auch er hatte sich solch ein Weihnachtsmannkostüm besorgt, um heute vorübergehend mal nicht als Immo Jansen in Erscheinung treten zu müssen.

Der Grund dafür war ziemlich simpel. Knapp drei Monate war es nun her, dass er die eher unscheinbare Tanja Gerstner kennen gelernt hatte. Zunächst hatte er lediglich auf eine kurzweilige Affäre spekuliert, erst recht seitdem er sich Hals über Kopf in Linda verliebt hatte. Doch die Tatsache, dass sein Konto in letzter Zeit arg unter seinem exzessiven Lebenswandel gelitten hatte, zwang ihn bedauerlicherweise dazu, ab und an auf seine Linda zu verzichten und sich noch ein wenig mit Tanja zu beschäftigen. Tanja arbeitete in einer kleinen Bankfiliale und war auf Grund ihrer Naivität nur allzu redselig, wenn es um ihren Arbeitsplatz ging. Somit war es für Immo ein leichtes gewesen, dank ihrer umfangreichen Auskünfte einen perfekten Plan auszuarbeiten. Tanja und ihr Chef waren heute alleine in der Bank. Gegen 12.30 Uhr würde Herr Rosner auch heute wieder in dem nahe gelegenen Schnellimbiss seine Mittagspause verbringen. Folglich wäre sie also ganz allein in der Bank. Die beste Gelegenheit, ihr dort einen kurzen Besuch abzustatten. Einen allerletzten Besuch, denn danach würde er sich nur noch um seine Linda kümmern.

Immo hatte die Bank fast erreicht. Wenige Meter vor seinem Ziel hatte er bereits tags zuvor einen alten VW-Bus geparkt, um sich dort ungestört maskieren zu können. Er brauchte nur wenige Handgriffe, um in seinen roten Mantel zu schlüpfen und sich die schneeweiße Perücke und den langen Rauschebart über den Kopf zu ziehen. Dann lief er schnellen Schrittes hinüber zur Bank. Ein flüchtiger Blick durch das Fenster verriet ihm, dass Tanja tatsächlich alleine war. Ohne zu zögern betrat er das Gebäude und ging mit gezückter Waffe auf Tanja zu. "Geld her! Das ist ein Überfall!", forderte er sie mit verstellter Stimme auf, den Kassenbestand in seinen eigens dafür mitgebrachte Jutesack zu verstauen. Tanja starrte ihr Gegenüber fassungslos an. Sichtlich eingeschüchtert leistete sie seinen Worten umgehend Folge und stopfte das Geld hastig in den braunen Jutesack, so dass Immo in Rekordzeit wieder aus der Bank verschwunden war. Im Eiltempo rannte er hinüber zu dem VW-Bus, um seine Maskerade loszuwerden und sich schnellstmöglich auf und davon zu machen. Doch ehe er die Seitentür des Wagens öffnen konnte, spürte er bereits die Mündung einer Pistole an seiner Schläfe. Starr vor Schreck ließ er den Sack samt Inhalt fallen und hob mechanisch die Hände. Noch bevor er wusste, wie ihm geschah, bückte sich die fremde Gestalt auch schon nach dem Geld, raunte ihm ein heiseres "Danke!" zu und rannte davon. Immo wandte sich hastig um, doch alles, was er sah, war ein äußerst flinker Weihnachtsmann, der im Laufschritt das Weite suchte. Blitzschnell war er hinter der nächsten Ecke verschwunden und ließ einen völlig verwirrten Immo Jansen zurück.

Linda zog sich die weiße Perücke und die Maske vom Kopf und schüttelte ihr langes, blondes Haar. Lächelnd kramte sie ihr Handy aus der Manteltasche hervor, gab eine Nummer ein und wartete ab. "Hallo, Tanja! Alles paletti! Ich hab' die Kohle! Du kannst dem Tierheim eine großzügige anonyme Spende zusichern." Zufrieden lauschte sie den Worten der neu gewonnenen Freundin. "Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann!" erwiderte Tanja mit unüberhörbarer Erleichterung. Linda grinste schelmisch und fügte amüsiert hinzu: "Und auf Immos Tagebuch ..."

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Eingereicht am 14. April 2007
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