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Des Pfarrers neue Glocke

© Gabriele Maricic-Kaiblinger

-Heute muss die Glocke werden!
Frisch, Gesellen, seid zur Hand!-

Ja heute, dachte Pfarrer Wechsler, als ihm diese Worte aus Schillers "Das Lied von der Glocke" im Kopf herumschwirrten und resigniert seufzte er.

Ja heute ... und morgen zur Mitternachtsmette sollte die Glocke das erste Mal läuten. Genau dann, wenn die letzten Töne von "Stille Nacht" verklungen waren, und die Glocken anfingen, die Geburt Jesu zu verkündigen, genau dann sollte die neue Glocke das erste Mal erschallen. So hatte der Pfarrer sich das gedacht.

-Dass vom reinlichen Metalle
Rein und voll die Stimme schalle-

Immer wieder verirrten sich Verse des Gedichts in des Pfarrers Kopf, war er doch in den letzten Tagen von seinem Mesner regelrecht damit bombardiert worden.

Die Glocke, die morgen läuten sollte, war gestern geliefert worden und stand nun in einem Karton im Pfarrgarten hinter der Kirche. Der Kran, um die Glocke in den Glockenstuhl befördern zu können, stand ebenfalls bereit. Nur - "Gesellen" waren keine zur Hand. Denn Heiligabend fiel dieses Jahr auf einen Sonntag. Und die Arbeiter waren erst wieder nach den Feiertagen bereit, die Glocke in den Glockenstuhl zu befördern. Vereinbart war ja Lieferung inkl. Montage am Freitagnachmittag gewesen, doch hatte sich die Lieferung auf den Abend verzögert und das sogar nur ‚gerade noch'.

"In der Heiligen Nacht soll sie läuten", murmelte Pfarrer Wechsler vor sich hin, ganz in Gedanken versunken, als ihm plötzlich jemand auf die Schulter tippte. Friedl, der alte Mesner - sein genaues Alter wusste niemand, aber manchem erschien er schon seit über zwanzig Jahren als uralt -, der in gebückter, bedingt durch sein Rückenleiden, Haltung hinter dem Pfarrer stand, hatte die Angewohnheit, stets lautlos herumzuschleichen. Er war überhaupt ein etwas verschrobener Kerl, ohne Familie, Verwandte und gute Freunde, den der Pfarrer nur aus Mitleid bei sich aufgenommen hatte. Seitdem bewohnte er ein kleines Zimmer im Widum und war dem Pfarrer treu ergeben.

"Kenn da ein paar Ausländer", brummte er.

"Ja ... und ... was ist mit denen?", antwortete der Pfarrer, der gedanklich noch immer mit der Glocke beschäftigt, nicht gleich begriff.

"Wären froh um ein paar Euro ..."

"Ach! Du meinst ...?"

Der alte Friedl nickte.

"Ich weiß nicht", meinte der Pfarrer nach kurzer Überlegung. "Da braucht's doch Fachleute."

"Können oft mehr, als wir ihnen zutrauen. Außerdem, die sind froh ..."

"... um jeden Euro, ich weiß", fiel ihm der Pfarrer ins Wort.

"Wenn die hellen Kirchenglocken

Laden zu des Festes Glanz", flüsterte der Mesner nahe am Ohr des Pfarrers.

Pfarrer Wechsler überlegte, doch nicht lange, dann nickte er. Zufrieden schlurfte der Mesner davon. Er war noch nicht lange weg, als den Pfarrer ein ungutes Gefühl beschlich, das er sich nicht erklären konnte. Es dauerte jedoch nicht lange an, weswegen ihm der Pfarrer auch keine weitere Beachtung schenkte.

Als der Mesner zurückkam, hatte er fünf Männer dabei. Zwei davon kannte der Pfarrer, sie kamen ab und zu zur heiligen Messe. Er hatte sich auch schon mal mit ihnen unterhalten. Es waren Vater und Sohn. Der 53-jährige Milos und der 25-jährige Mile. Sie waren im Balkan-Krieg aus Slowenien geflüchtet, waren orthodoxe Christen, was sich vom grundlegenden Glauben her nicht viel vom Katholischen unterschied. Deswegen auch die Messebesuche. Die anderen drei kannte der Pfarrer nur flüchtig. Ein etwa vierzigjähriger Mann, Enis, kam aus dem Kosovo und hatte sich, seit er hier war, ein wenig mit Milos und Mile angefreundet. Die beiden anderen kamen aus der Türkei und hießen Enol und Achmed, die sich ebenfalls hier kennengelernt hatten.

Mile setzte sich auf den Kran. Die anderen befestigen die 200 kg schwere Glocke, danach begaben sie sich in den Glockenstuhl. Die alte schmale Holztreppe ächzte und knarrte, als sie hintereinander nach oben gingen. Milos, der bereits früher so eine Arbeit verrichtet hatte, übernahm das Kommando.

Mile mittlerweile, hob die Glocke vorsichtig an und hievte sie langsam in die Höhe. Trotzdem sie festgemacht war und Mile nur wie in Zeitlupe den Hebel betätigte, schwankte die Glocke leicht. Der Pfarrer und der Mesner sahen zu.

"Ziehet, ziehet, hebt!
Sie bewegt sich, schwebt",

murmelte Friedl und starrte wie gebannt der langsam in die Höhe schwebenden Glocke nach.

-Hoch auf des Turmes Glockenstube,
Da wird es zeugen laut. -,

ging es dem Pfarrer durch den Sinn. Und als wäre der Mesner telepathisch begabt, wisperte er weiter dem Pfarrer ins Ohr:

"Noch dauern wird's in späten Tagen

Und rühren vieler Menschen Ohr."

Pfarrer Wechsler warf ihm einen nachdenklichen Blick zu, doch mit einem Mal durchflutete ihn ein stolzes Gefühl und er fühlte sich freudig erregt. Sogar eine kleine Spur Genugtuung wollte sich einnisten und seine Lippen formten sich zu einem Lächeln.

Langsam und sorgsam wurde die Glocke hoch gehievt. Die Männer oben warteten bereits in dem zugigen, engen Glockenstuhl. Auf einem Brett, das halb hinausragte und halb auf dem Gerüst für die Glocke auflag, versuchte Mile, die Glocke aufzusetzen. Sobald es so weit war, lösten die Männer die Glocke aus der Halterung, mit der sie am Kran befestigt worden war. Dann zogen sie das Brett ganz in den Glockenstuhl hinein, ganz vorsichtig, bis sie genau unter der Halterung stand, auf der sie festgemacht werden sollte. Als sie alles festgemacht hatten, schoben sie langsam das Brett unter der Glocke hervor. Diese Arbeit war noch nicht ganz getan, als es plötzlich einen Ruck tat, die Glocke auf die Seite schlenkerte und Enol mit solcher Wucht traf, dass er auf dem schmalen Balken stolperte, gegen die Wand gedrückt wurde, und - als die Glocke wieder zurückschwenkte - reglos zu Boden sank. Die Männer hörten noch einen unterdrückten Schrei, dann bereitete sich Stille aus. Nach der Schrecksekunde war Milos der erste, in den wieder Bewegung geriet.

"Schnell, schnell", rief er und versuchte Enol hochzuheben, was in dem engen Glockenstuhl nicht einfach war, doch die anderen drei erwachten nun ebenfalls aus ihrer Starre und kamen ihm zu Hilfe.

Dem Pfarrer, der bis jetzt den Zurufen der Männer gelauscht hatte, kam die plötzliche Stille, obgleich sie nicht lange währte, eigenartig vor. Und da war auch wieder dieses ungute Gefühl, das ihn nun abermals beschlich. Sein Herz begann verstärkt zu klopfen. Er wusste nicht warum, wusste nur, dass irgendetwas sein musste, dass mit einem Mal etwas anders war.

Als dann Enol aus der Sakristei stürzte und aufgeregt zu sprechen begann, sodass seine Stimme sich überschlug, da brauchte der Pfarrer die genauen Worte gar nicht mehr hören, um die bittere Tatsache zu erfassen.

"Wir müssen ihn runterholen", rief er dem Mesner zu und begab sich sogleich auf den Weg nach oben. Er hatte jedoch kaum ein paar Stufen erklommen, als ihm die Männer bereits entgegenkamen. In der Sakristei breitete der Mesner einstweilen eine Decke auf, darauf legten sie Enol. Der Pfarrer begann mit "Mund zu Mund Beatmung", dazwischen rief er dem Mesner zu:

"Wir brauchen die Rettung. Schnell, ruf an!"

Friedl blieb jedoch stumm stehen und starrte abwechselnd Enol und den Pfarrer an.

"Was ist? Worauf wartest du?!"

"Ihm kann keiner mehr helfen."

Friedl war es schließlich, der die Männer wider in den Glockenstuhl schickte, um den Striemen, der sich gelockert und somit den Unfall ausgelöst hatte, zu befestigen.

"Dann ...", begann der Pfarrer.

"Sie soll doch läuten oder?", fiel ihm der Mesner ins Wort.

"Ja, aber ..."

"Ohne Scherereien, Probleme und Gerede am Hl. Abend."

"Sicher, aber ..."

"War illegal da, allein", flüsterte der Mesner.

Pfarrer Wechsler blickte auf.

"Niemand wird ihn vermissen ..."

"Trotzdem, seine Familie zu Hause ...?"

"Hat niemanden mehr."

"Ich weiß nicht ..."

"Wenn die hellen Kirchenglocken

Laden zu des Festes Glanz", wisperte der Mesner nun und: "Die Leute wollen jetzt keinen unbekannten Toten. Überall festliche Stimmung ..."

Und als würde die Natur seine Worte bestätigen, fing es draußen auf einmal an zu schneien, was dieses Jahr schon lange nicht mehr passiert war, und schmückte den Winterabend idyllisch.

"Wem hilft oder schadet es, wenn sein Tod erst später ... oder gar nicht bemerkt wird?"

"Die Dorfbewohner, viele haben ihn gesehen, ihn vielleicht sogar besser gekannt ..."

"Ist nun eben wieder weg - war nirgends gemeldet."

"Werden   d i e   schweigen?", fragte der Pfarrer und deutete nach oben.

"Ja."

"Aber ... er muss doch begraben werden."

"Mach ich", sagte der Mesner und tat es.

Der Pfarrer stand so im Banne des Geschehens, dass er bis heute nicht recht begriff.

-Ach, vielleicht , indem wir hoffen,
Hat uns Unheil schon getroffen.-

Er fragte nie nach, wo der Mesner Enol begraben hatte. Manchmal brannte ihn diese Frage zwar auf der Zunge, doch er sprach sie nie aus. Er hatte das Gefühl, wenn er frage, würde er sich nur wieder Gedanken machen und er wollte sich keine unnötigen unangenehmen Gedanken machen müssen und neue Probleme aufhalsen. Das Leben war so schon hart genug.

Am nächsten Abend jedoch, um Mitternacht, als de letzte Ton von "Stille Nacht" verklungen war und die Glocken die Geburt des Jesuskind ankündigten, da erfüllte der Schall der neuen Glocke die Kirche.

-Denn mit der Freude Feierklänge
Begrüßt sie das geliebte Kind."

Da stand der Pfarrer ganz still und lauschte andächtig und seine Augen strahlen heller als der Kerzenschein.

-Von dem Dome,
Schwer und bang,
Tönt die Glocke
Grabgesang.-

***

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Eingereicht am 30. März 2007
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