Weihnachtsgeschichten - Adventsgeschichten
Kurzgeschichte Weihnachten Weihnacht Advent Geschichten für Weihnachtsmuffel
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Der sozialrevolutionierte Weihnachtsmann
Vom verbalpädophilen Knecht Ruprecht zum gemeinnützig verantwortungsvollen Revolutionär des deutschen Gesundheitssystems

© Julien LeGermain

Es galt bislang als unbestritten, dass sich der Weihnachtsmann Jahr für Jahr als Schwerbehinderter anhand seines durch Ren(n)tiere turbobeschleunigten Schlittens durch die Dörfer und Städte unseres Landes bewegte. Denn welche Ausgeburt männlichen Geschlechts, außer ihm, konnte schon überzeugend behaupten, seinen Sack auf dem Rücken zu tragen und dabei vermeintlich unartigen Kindern der Nation mit Schlägen der Rute zu drohen, den braven hingegen mutmaßliche Geschenke durch Entleerung seines Sacks zu offerieren. Als von der Natur benachteiligter Exhibitionistenanwärter mit starkem Hang zur Verbalpädophilie, der sich nicht scheut, unseren Kindern solch zweifelhafte Angebote zu unterbreiten, durfte er sich bis heute unangeklagt und als geduldet zur Weihnachtszeit frei auf unseren Straßen bewegen.

Aus der gängigen Praxis unserer Gesetze und der Gesetzeswächter wissen wir natürlich, dass auch der Weihnachtsmann seitens der Staatsanwaltschaft weder angeklagt noch in irgendeiner Form verurteilt werden kann, so lange ein Kind nicht nachweislich durch ihn angegriffen oder sexuell belästigt wurde. Dennoch steht er unter ständiger Beobachtung, da er als gewaltbereit gilt und aufgrund seiner Behinderung eine offensichtliche, sexuelle Fehlentwicklung durchmachen musste.

Wenn er den Kindern erschien, so war nicht selten zu beobachten, wie unsere kleinen Sprösslinge mit angsterfüllten und weit aufgerissenen Augen vor dem Coca-Cola gesponsorten, in Rotweiß gekleideten Dauerrentner hin und her wankten, während sich ihre Eltern in geradezu sadistischer Genugtuung und Belustigung förmlich gegenseitig überboten. Bereits hier wäre seit vielen Jahren zu prüfen gewesen, ob diese Handlungsweise von Erziehungsberechtigten etwa die "Befriedigung niederer Motive" oder einen anderen Straftatbestand zu erfüllen imstande gewesen wäre.

In Zeiten umstrittener Gesundheitsreformen, in denen bislang nicht nur hervorragend ausgebildete Ärzte Deutschlands eher das Weite, denn das Nahe suchten, um sich in Fremdländern statt in Deutschland für Wissen und Tätigkeit gebührend honorieren zu lassen, fehlt es im Inland natürlich an kompetenten Medizinern und Diagnosen. Dieser Umstand hat einerseits den Vorteil, dass deutsche Gefilde jetzt zu Verweil- und Einwanderungsgebieten schwer Suizid gefährdeter Menschen wurden, weil solche Menschen ganz bewusst allen lebensverlängernden Maßnahmen aus dem Wege gehen und damit auf professionelle Götter in Weiß verzichten können. Andererseits bleiben überlebenswillige Deutsche, die sich aufgrund ihrer unterschichtigen Prekariatsexistenz einen Umzug in das Land ihres bisherigen Hausarztes nicht leisten können, sich selbst und ihrem Schicksal überlassen.

Hinsichtlich dieser Tatsache hat die Interessengemeinschaft ambitiös-innovativer Weihnachtsmann-Gestaltungsprogramme, kurz "IGAIWG", ein völlig neues und dem Zeitgeist entsprechendes Konzept vorgestellt. Schon aufgrund und in Verbindung aller Verdachtsmomente seines konservativen Auftretens und Handelns aus der Vergangenheit, wird hier ein komplett veränderter Weihnachtsmann geschaffen, dessen Eigenschaften und Aufgaben in einem neuen Acht-Punkte-Katalog erwähnt werden:

  1. Der Weihnachtsmann soll wieder als ein nützliches Mitglied unserer Gesellschaft verstanden werden und muss demnach auch als solches eingesetzt werden.
  2. Aufgrund der negativen und zweifelhaften Vorgeschichte ist der Weihnachtsmann künftig nicht mehr für Kinder zuständig. Sein Wirkungskreis erstreckt sich ausschließlich auf erkrankte, kränkelnde und hypochondrische Erwachsene in Ermangelung eines fähigen Ärztepotentials.
  3. Der Weihnachtsmann legt den roten Anteil seiner Berufsbekleidung ab, indem er den Bedürftigen nur noch in sattem Weiß begegnen wird, um auf diese Weise Gewohnheit und Gewohnheitsrecht der überlebenswilligen Bürger deutscher Lande Rechnung zu tragen.
  4. Alle künftigen Geschenke beschränken sich auf angemessene, für ein Jahr ausreichende und tatsächlich wirksame Medikamente, die vorher auf einem Wunschrezeptzettel vom Gesundungsbedürftigen vermerkt wurden. Der Weihnachtsmann ist angewiesen, sich auch wirklich der darauf niedergeschriebenen Gesundungsartikel zu bedienen und für deren Bedarfsmedikationen Sorge zu tragen, ohne vorherige Absprachen zu treffen oder etwaige Sponsoren-Verträge mit Pharmareferenten zu schließen.
  5. Der Weihnachtsmann bleibt in seiner wieder aufgebauten Vorbildfunktion unbestechlich und verteilt die Medikamente kostenfrei und ohne jedwede Zuzahlungspflicht. Zuzahlungsbefreiungsbescheinigungen seitens der Krankenkassen sind daher nicht erforderlich.
  6. Da der Weihnachtsmann eine sehr verantwortungsvolle Funktion für den gesamten gesellschaftlichen Bereich und dessen Gesundheitssystem übernimmt, tritt er gleichfalls für staatliche Interessen ein, die zur langfristigen Gesundung Deutschlands dienlich sind. Langzeit-Arbeitslosen, deren Alter und Chancen einer eventuellen Arbeitswiederaufnahme widersprechend oder kontraproduktiv gegenüber stehen, dürfen abweichend auch schon mal falsche oder überdosierte Medikamente als letztes wohlwollendes Geschenk vom Weihnachtsmann überreicht werden. Seine weitere, zusätzliche Aufgabe bestünde allerdings darin, das Resultat menschlicher Überreste mit seinem großen Sack auch anschließend zu entsorgen. Eine gleiche Vorgehensweise ist für Pflegeheimbetreute angedacht, deren Angehörige für Pflege- und Unterkunftskosten nicht aufzukommen imstande sind.
  7. Der nicht mehr zeitgemäße Rentier-Schlitten weicht einem sich in freundlichem Tannengrün präsentierenden Spezialfahrzeug, welches eine zweckmäßige Mixtur von Notarztwagen und Müllabfuhrgefährt miteinander harmonisch zu verbinden weiß. Als Signallichter sollen hier weihnachtliche, bunte Kerzen das bislang übliche Blaulicht vertreten, während Martinshorn und Yelp-Ton durch engelhaft klingende Glöckchen ersetzt werden.
  8. Die Behältnisse der von Knecht Ruprecht verteilten Medikamente sollen nach bewährtem Pfandflaschensystem von Jahr zu Jahr wieder eingesammelt und neu befüllt werden. Dies gilt selbstverständlich auch für Injektionsbestecke, da sie sodann als Infektionsbestecke aus ihrer Einweg-Isolation herausgeführt und somit für humanwirtschaftliche Übersichtlichkeit und Einsparungen sorgen werden.

Wie fast immer haben solch erfolgreiche Konzepte bereits Nachahmer gefunden, die sich schon heute Gedanken um Funktion und Auftreten des Osterhasens in Verbindung mit kindgerechter Erziehung machen. So ist man gerade dabei, nach möglichen Lösungen zu suchen, wie das demokratisch-antiautoritär erzogene Hausbalg auf der grünen Wiese nach den Osterschätzen sucht, ohne dem Hasen dabei in die Eier zu treten.

Uns allen künftig eine frohe Weihnacht!

SPIEGEL ONLINE Bestsellerautorin Patricia Koelle

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