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Grauen am Weihnachtstag© Julia HeinzeDie bunte Weihnachtsbeleuchtung herrschte über alles und ließ die Straße in ihren bunten Lichtern erstrahlen. Hier und da waren auch Tannenbäume in den kleinen Vorgärten der Menschen bunt geschmückt, doch die festlichen Ketten, die von Laterne zu Laterne gespannt waren, hatten die Vorherrschaft. Alles in allem war Feuerthal im Winter ein sehr beschauliches Örtchen. Trotz der nur knapp 1000 Einwohner hatte man manchmal das Gefühl, mitten in einer Großstadt zu sein, schon allein der Beleuchtung wegen. Im Moment jedoch war niemand auf der Straße, vermutlich weil die meisten im warmen Haus am Kamin saßen, dick eingemummelt und mit einer warmen Tasse Tee oder Kaffee in den Händen, während sie sich über die erhaltenen Geschenke freuten. Die wenigen Einwohner, die Kinder hatten, die noch zu Hause lebten, bauten wahrscheinlich Lego mit dem kleinen Rabauken, dem man manchmal die Ohren langziehen könnte, ihn aber trotzdem liebte, oder spielte mit dem kleinen Prinzeschen, das manchmal so hohe Töne anschlug, dass man glaubte, dass einem das Trommelfell platzen würde, Barbie. Aus einigen Häusern drang gedämpftes Klavierspiel und leiser Gesang. Dann jedoch traten zwei Gestalten in das idyllische Bild. Es waren ein hochgewachsener, hagerer Mann und eine kleine, mollige Frau. Sie trug einen langen, schwarzen Mantel, und ihre rötlichen Haare fielen ihr bis zum Po. In der leichten Brise wellten sie sich ein wenig, und umspielten die Frau mit unendlicher Eleganz. Es war fast, als würden sie nicht auf diese Welt gehören. Um ihren Mund lag der Zug eines Lächelns, gedankenverloren, geheimnisvoll und wissend. Der Mann, der an ihrer Seite strich und ebenso unauffällig wie kraftspendend wirkte, hatte schütteres, mausgraues Haar und in seinem Gesicht lag ein unendlich trauriger und erschöpfter Ausdruck. "Es ist wirklich nicht leicht, dich im Auge zu behalten", sagte er, und der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht, ohne die geringste Spur zu hinterlassen, als sein gewohnter Ausdruck zurückkehrte. Die Frau blickte ihn nur an, fragend. "Wieso um alles auf Nara'fiere solltest du auf mich aufpassen müssen? Um meines Vaters Willen, der mich aus der verborgenen Welt hierher brachte, um mich zu schützen, hier in der Menschenwelt wird niemand nach mir suchen. Wahrscheinlich ist dort, von wo ich stamme, sowieso bereits alles vergessen. Nickolas, du machst dir zu viele Sorgen." ,,Und du zu wenig, Mah'chianolá" Das fremde Wort ging ihm leicht über die Lippen, tausende Male hatte er es bereits gesagt. "Dich bedrückt etwas. Sag es mir!" forderte Nickolas' Begleitung ihn nun auf. Nickolas seufzte und machte eine hilflose Geste. "Du würdest es nicht verstehen. Du bist nicht von dieser Welt", sagte er schließlich. "Seit ich hierher gekommen bin musste ich lernen, eine Menge zu verstehen, was vorher für mich unerklärlich war oder nicht mit unserer moralischen Einstellung übereinstimmte - jedenfalls gewissen Dingen gegenüber.", erwiderte Mah'chianolá. Seufzend ergab sich ihr Begleiter. "Na gut. Also … ich weiß nicht so recht, wie ich es sagen soll, aber… es ist so. Überall auf der Welt hungern Menschen. Erwachsene, aber auch unschuldige Kinder. Der Mensch zerstört seinen Lebensraum, Tiere sterben aus, es gibt Diktaturherrschaften und Krieg. Und wir geben unser Geld für unnütze Dinge wie diese Beleuchtung aus. Heute ist Weihnachten. Ein Fest der Liebe!!! Und was tun wir??? Statt Liebe zu schenken, diesen armen Menschen zu helfen, gehen wir zur Untätigkeit verdammt durch diese Straße". ,, Als ich eure Welt zum ersten Mal betrat, habe ich mir die gleich Frage gestellt. Weißt du, es ist nicht so, dass du hier zur Untätigkeit verdammt bist, denn du kannst etwas tun. Du kannst helfen. Es kommt darauf an, was du tust, damit du dich irgendwie fühlst. Versuche, so viele Menschen wie möglich auf deine Seite zu bekommen. Gemeinsam seid ihr stark!" Nickolas wurde leichter ums Herz. Mah'chianolá verstand ihn besser als jeder andere. Sie wusste, was in welcher Situation gesagt werden musste, damit er sich wieder besser fühlte. Damit ich mich vor Tatsachen verschließe, dachte er bitter und bereute es fast im selben Augenblick. Sie meinte es ja nur gut. Gemächlichen Schritts schlenderten sie weiter, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Die Straßenlaternen und die Weihnachtsbeleuchtung warfen ein beinahe unheimliches Licht auf die beiden. Doch plötzlich veränderte sich etwas. Fast unmerklich, doch ganz eindeutig. Die bisher ruhige Atmosphäre wurde angespannt, dunkel, ja, bedrohlich. Auch Nickolas schien es zu bemerken. Kaum merklich fröstelte er und zog seinen Mantel fester um sich. Unbehaglich sah er sich um, doch da waren nur die erleuchtete Straße und die Schatten, die Finsternis der Nacht, undurchdringlich. Doch Nickolas meinte zu bemerken, dass das Dunkel finsterer und unheilvoller geworden war. "Lass uns ein wenig schneller gehen", meinte er. "Nicko, du Angsthase", lachte sie. Ihr Haar wogte um sie herum in einer scharlachroten Wolke und ihre grünen Augen blitzten. Dann verschwanden sie aus der Straße. Eine Weile lag die Straße wie ausgestorben da. Plötzlich flackerte die Straßenbeleuchtung und erlosch. Dann zog eine Wolke über den bisher wolkenlosen Himmel und verdeckte den Vollmond. Die Finsternis auf der Straße zog sich zusammen zu einer einzigen Kugel, dann… formte sich ein Wesen aus der Schwärze der Nacht. Es war gebildet aus Nacht und Schatten, sein Herz erfüllt von Schwärze und Hass. Seine schwarzen Augen mit den feuerroten Pupillen waren ohne Gefühle, denn das Wesen existierte seit dem Anbeginn der Zeiten, und hatte Leid gesehen, unendlich viel Leid. Denn das war es, wozu die Götter es einst geschaffen hatten. Menschen beschrieben es in vielen Geschichten und nannten es Vampir, doch niemand konnte je wirklich beschreiben, wie grausam es war. Das, was sie vermuteten und aufschrieben, war nichts im Vergleich zur schrecklichen, grauenerregenden Wahrheit. Das Wesen lebte ohne jedes Gefühl, außer dem Hass, der allesverzehrend in ihm loderte, und dürstete nach dem Blut jedes Wesens, dass es sah. Es sog das Leben aus seinem Opfer, und nährte sich davon. Es fraß seinen Leib und ließ zurück nichts außer wenig Blut und Knochen. Denn es trank Blut, und am liebsten das eines Menschen, welche ihm am ähnlichsten waren. Mit einem schnüffelnden Geräusch nahm es die Witterung auf. Es roch nicht etwa einen Geruch, es roch Leben, rotes Blut, warm und lebendig, Liebe und Hass, Freundschaft und Verrat. Erstaunlich schnell huschte es die Straße entlang, und war dabei eins mit der Finsternis, und unterschied sich doch sosehr von ihr. Es war wieder Zeit für ein neues Opfer. Schließlich verschwand auch es am Ende der Straße. Lange Zeit blieb es still. Dann ertönte ein Schrei, hoch und unmenschlich, durchzogen von abermillionen Jahren Hass. Der Schrei eines Wesens auf Jagd. Eine Zweite und Dritte Stimme mischten sich dazu. Die eines Mannes und die einer Frau. Dann: totenstille. Wenig später erschien das Wesen wieder in der Straße. Seine Fänge waren blutbeschmiert, sein Gesicht ebenfalls. Auf sonderbare Weise schien es befriedigt. Dann verschmolz es wieder mit der Nacht. Langsam löste es sich auf, wurde eins mit der Dunkelheit. Doch in diesem Moment wirkte es so majestätisch, dass selbst die Nacht aufhörte zu atmen. Dann war es verschwunden. Zurück blieben nur einige Haare, abgefallen von dem Wesen, kurz bevor es verschwand. Lange, rote. Und kurze, mausgraue.
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Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors. SPIEGEL ONLINE Bestsellerautorin Patricia Koelle
Weihnachtsgeschichten von Patricia Koelle
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