Weihnachtsgeschichten - Adventsgeschichten
Kurzgeschichte Weihnachten Weihnacht Advent Geschichten für Weihnachtsmuffel
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Weihnachtsrückblick

© Marieluise Popp

Das Fest ist endgültig vorbei, der Weihnachtsbaum ist abgeputzt und liegt im vollen Nadelkleid als allerschönster auf dem Hänger der städtischen Müllabfuhr. Ich atme auf, denn nun zieht wieder Frieden in unser Heim ein. Nicht dass ich ein Weihnachtsmuffel wäre, weit gefehlt, das Fest ist für mich eigentlich der Höhepunkt des Jahres. Doch dieses Jahr war alles anders.

Es begann mit dem Kauf einer neuen Christbaumbeleuchtung. Eine Beleuchtung mit 200 kleinen Lämpchen sollte die gut gewachsene Silberfichte, die mein Mann aus unserm Garten gefällt hatte, schmücken. Voller Stolz präsentierte ich meine Errungenschaft mit der Begründung: "Die alten Kerzenlampen sind nicht mehr in, unser Baum muss mal moderner und strahlender aussehen, so wie die Bäume im Einkaufscenter!"

Mein Mann betrachtete die Schachtel skeptisch, las "Made in Taiwan" und runzelte die Stirn. "Die alte war doch noch in Ordnung. Wir haben sogar noch zwei Ersatzbirnen dafür. Aber wenn du meinst, probieren wir sie mal aus."

"Sie war auch nicht teuer", versuchte ich ihn zu besänftigen.

Am Morgen des Heiligen Abends bugsierten wir gemeinsam die wirklich schön gewachsene Fichte mit ihren vollen, silbergrünen Nadeln die Treppe herauf ins Wohnzimmer. Am Türrahmen hinterließ sie hässliche dunkle Striemen, die ich mit den Worten kommentierte: "Pass' doch auf!"

"Du gehst doch hinten! Ich muss vorn aufpassen!", brachte mein Mann unter Anstrengung hervor, denn der Baum hatte ein beachtliches Gewicht.

Nun fädelten wir gemeinsam, ich auf dem Boden liegend und mein Mann den schweren Baum mühsam gerade haltend, das Stammende in die Halterung des Ständers ein. Die gegenseitigen Hinweise, wie der Baum gerade stehen sollte, waren schon etwas unfreundlicher, weil immer der andere das Falsche tat. Endlich stand er zur Zufriedenheit und wir sogen genüsslich den Duft, den die Fichte verbreitete, in uns ein.

"Womit beginnen wir, mit der Beleuchtung oder mit den Kugeln?"

"Na wie immer, mit den Kugeln."

"Ich glaube, es ist besser, mit der Beleuchtung anzufangen, denn sie ist viel umfangreicher als die alte und hat viel mehr Leitung. Damit reißen wir womöglich die Kugeln wieder runter."

"Warum du unbedingt die neuen Lichter haben musst, die alten sahen so schön aus."

Wir diskutierten noch eine Weile, was die Stimmung nicht unbedingt verbesserte und packten die Beleuchtung aus. 200 niedliche Lämpchen befanden sich etwa im Abstand einer Handspanne auf der dunkelgrünen Schnur! Am Stecker schloss sich die Leitung untrennbar. Das Drama nahm seinen Lauf.

Wir begannen oben, öffneten unter den Lämpchen die Halteringe, so dass die stacheligen Zweige in die entstandene Schlaufe passten, und zogen die Schlinge fest. So schön im Kreis herum, wie wir sonst die Lichter steckten, ging es nicht, die Schnur bildete eine untrennbare Schleife. Wir waren uns immer wieder im Wege. Mit den verzweifelten Kommentaren: Mist - so ein Dreck - Billigprodukt - Furzidee, steckte endlich das letzte Licht auf dem untersten Zweig. Die beiden Schnurenden, die zum Stecker führten, zerrten den Baum krumm, weil sie zu kurz waren.

Wir murmelten etwas von Spannung nachgeben und nachrutschen.

Als der Baum wieder gerade stand, setzte mein Mann probeweise die Beleuchtung unter Strom. Sie brannte, zum Glück! Doch die Verteilung der Lichter konnte keinesfalls so bleiben, oben waren zu wenige, links zu viele und gerade auf dem vorderen Ast leuchteten überhaupt keine. Mein Mann wiegte mit dem Kopf, ich rollt mit den Augen. Erst der Hinweis, dass wir lieber jetzt eine Veränderung vornehmen als dann, wenn die Kugeln angebracht sind, überzeugte uns, wenigstens einige Lämpchen nach oben zu bringen. Zähneknirschend begannen wir umzustecken.

Wir lockerten mühsam die Halterungsringe und zogen sie vom Ast. Da der Zwischenraum der Lämpchen so kurz war, mussten die meisten Lampen erst einmal wieder ab, um dann nachgesteckt werden zu können. Den ausgelassenen Ast berücksichtigten wir nun reichlich, was allerdings auf Kosten der Mitte ging.

Allmählich waren unsere Finger von den Nadeln völlig zerstochen. Doch was half es, immer wieder waren irgendwo Lampen zu viel oder zu wenig. Es zog sich hin.

Wehmütig dachte ich an das Baumputzen früher. Mein Mann besorgte das mit unserer Tochter. Sie legten dabei die Schallplatte von der Weihnachtsgans Auguste auf und verteilten wohlgeordnet Glaszeug und Beleuchtung auf den Zweigen. Zum Schluss hängten sie die Silberfäden dran, während ich mit der Weihnachtsgans beschäftigt war. Zum Mittagessen war alles fertig, auch mein Sauerkraut und das Gänseklein, das wir immer am Heiligen Abend mittags aßen.

Plötzlich erreichte ein verdächtigter Geruch das Wohnzimmer.

"Die Gans! Mein Sauerkraut!", rief ich entsetzt und rannte zur Küche. Rauchschwaden kamen mir beim Öffnen der Tür entgegen. Ich riss die Bratröhre auf und sah die Bescherung: Die Gans war schwarz. - Mir wurde schlecht. Mein Mann lüftete erst einmal und stocherte in der Gans und dem Sauerkraut herum. Vielleicht war noch etwas zu retten?

Die oberste Lage des Krautes konnte noch verwendet werden und zwischen der verbrannten Gänsehaut und dem angebrannten Boden fischten wir ein paar genießbare Fleischstückchen heraus. Mein Mann stillte seinen Hunger, ich brachte keinen Bissen hinunter. Mit Tränen in den Augen suchte ich in der Kühltruhe nach einem Ersatzbraten für den 1. Feiertag. Er musste für sechs Personen reicht, denn wie jedes Jahr war die Familie unserer Tochter zu Gast. Die Rettung war eine Rehkeule, die ich eigentlich für den Hochzeitstag aufgehoben hatte.

Ein Blick zur Uhr versetzte uns fast in Panik. Es begann schon dunkel zu werden.

Wir ließen am Baum die Lichter Lichter sein und hängten in Windeseile Kugeln, Zapfen und Glöckchen ran. Auf die goldenen Schleifen verzichteten wir aus Zeitgründen.

Die leeren Kartons lagen noch im Zimmer verteilt, als mit Getöse die Enkel hereinstürmten. Staunend blieben sie vor dem Baum stehen.

"Sieht der schön aus!"

"Wie riecht denn das bei euch?"

Wir nickten mit einem vielsagenden Seufzer und räumten die Schachteln weg.

Ich verzog mich bis zur Bescherung in der Küche.

Heute nun haben wir den Weihnachtsbaum abgeputzt. Eigentlich wollten wir das schon viel eher tun, aber weil er doch so schön aussah, seine Nadeln gut fest hielt und so viel Mühe gemacht hatte, verschoben wir es immer wieder. Die Glassachen waren schnell abgenommen und in die Kartons eingeordnet. Ein Zapfen, gerade der mit dem schönsten Muster, fiel dabei runter und zerbrach. Schade!

Dann kam die gefürchtete Beleuchtung dran. Vom Zweig ging sie gut ab, wir waren ja geübt. Doch sie musste in die Verpackung. Auf eine Plasteunterlage sollten alle 200 Lämpchen dicht an dicht zwischen die hochstehenden Zähnchen gedrückt werden. Die erste Reihe ging ganz gut, obwohl Daumen und Zeigefinger rote Eindrücke zeigten, denn nur mit erhöhtem Kraftaufwand klickten die winzigen Lämpchen in die Zacken ein. Dass dabei keine zu Bruch ging, war ein Wunder. Ab der zweiten Reihe kam das Problem mit der Schnur. Wohin mit den Leitungsschlaufen? Dort wo sie nach der Schablone hin sollten, waren schon die von der ersten Reihe. Wie sollte da noch die dritte und vierte Reihe hin passen? Ursprünglich müssen sie einmal drin gewesen sein, ich hatte sie in dieser Schachtel gekauft. Also einige Lämpchen drückte ich noch in die vorgesehenen Zähne und als mir die Finger signalisierten, Schmerzgrenze erreicht, wickelte ich den Rest um die Unterlage. Das ergab eine Verdrehung mit dem Anfang, denn die Beleuchtung war ja im Ganzen. Aus Verzweiflung steckte ich den Fitz in eine geräumige Plastetüte und legte das Bündel in die große Weihnachtskiste oben drauf.

Deckel zu und Frieden, bis zum nächsten Jahr.

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