Weihnachtsgeschichten - Adventsgeschichten
Kurzgeschichte Weihnachten Weihnacht Advent Geschichten für Weihnachtsmuffel
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Mir doch egal!

© Friedhelm Rudolph

"Mir doch egal!", brüllt er hinter ihr her. "Mach doch, was du willst!"

Sie schlurft in die Küche. Das ist nicht mehr der Mann, den ich vor vierzig Jahren geheiratet habe.

Er sitzt in seinem Polstersessel, der Fernseher läuft. Super-G vor Alpenpanorama. Die Zigarette in seiner Hand knistert. Der Qualm legt sich auf die Tapete. Tapezieren? Neue Möbel?

"Mir doch egal! Mach doch, was du willst!"

Eine Weihnachtskrippe aufstellen, jetzt, wo alles anders ist?

"Du spinnst wohl!"

Sie verkriecht sich in der Küche, beugt sich über ihren Groschenroman und weint still in sich hinein. Mir doch egal, soll er sich doch totsaufen, das Schwein, dann habe ich endlich meine Ruhe!

Er sitzt in seinem Sessel. Er sitzt immer in seinem Sessel. Schon vor der Rente. Er sitzt in seinem Sessel und schaut Sport - und trinkt Bier. Viel Bier. Den ganzen Tag.

Heiligabend, elf Uhr zweiunddreißig.

Weihnachten ist abgeschafft. Seit letztem Frühjahr. Per Gesetz. Wegen der Rente, heißt es, weil der Islam jetzt Staatsreligion ist. Abu Umar ist der neue Bundeskanzler. Früher hieß er Timo Skupsch, nennt sich jetzt Kalif von Deutschland. Ein Konvertierter aus Köln, gebürtiger Gelsenkirchener, Selfmademan, Multimillionär; deus ex machina.

Die geringe Wahlbeteiligung, die Nichtwähler, der Regen, das Multikulti-Getue, die überfüllten Hauptschulen, das Wählen im Allgemeinen ... - Die Mutmaßungen der Kommentatoren hüpften wie Kaninchen aus dem Zylinder der Ratlosigkeit.

Dann das Ermächtigungsgesetz. Ein wahrer Husarenstreich. Die Politiker waren mit sich selbst beschäftigt, stritten um Posten und Kommata. Nur die Bayern muckten auf, wurden schnell mundtot gemacht. Das Grundgesetz kam in den Giftschrank.

Den Rechten gefallen die Worte des Kalifen. Doch wenn der Narr seine Schuldigkeit getan hat, werden die grünen Fahnen brennen. So viel ist sicher.

"Mir doch egal! Mach doch, was du willst!"

Die Linke schweigt. Arbeitsplätze sind wichtiger. Runter mit den Lohnnebenkosten, mehr produzieren. Deutschland muss raus aus dem Dreck!

Demokratie war gestern. In der DDR ging es doch auch allen gut, oder? Wen interessieren Religion und Kirche? - In den Kennziffern der Wirtschaftsstatistik liegt der wahre Glauben!

Es wird schon nicht so schlimm werden, sagt die Ratsvorsitzende der EKD.

Die katholischen Bischöfe stimmen zu und beten für den Kalifen. In den Synagogen macht sich die alte Angst breit.

Die USA nennen Deutschland einen Schurkenstaat, in einem Atemzug mit Frankreich und Italien. Der Papst residiert seit drei Jahren in Polen, im Exil. In Rom regiert eine Koalition des Burgfriedens aus Sunniten und Schiiten - das erste dauerhafte Bündnis seit Jahrzehnten. Die Preise für Pasta sind stabil.

Bald ist Europa komplett islamisch. Es fehlen nur noch Portugal, Spanien und Polen.

Der Iran hat gratuliert und Atomwaffen angeboten.

"Mir doch egal! Mach doch, was du willst!"

Unsere Lutherkirche ist jetzt eine Moschee. Die Glocken sind eingeschmolzen. Statt ihrer ruft der Muezzin fünfmal am Tag zum Gebet. Sein "Allahu akbar" und "La illaha illa 'llah" legt sich wie Sirup auf die Dächer und kriecht durch alle Ritzen. Kein blechernes Gekrächze, sondern Dolby Surround. Schließlich sind wir nicht die Dritte Welt!

Wir treffen uns bei einem der Kirchenvorstände oder im Cem-Haus der Aleviten, trinken Schwarzen Tee und essen Butterkekse. Lebkuchen und Spekulatius sind verbannt aus den Regalen im Supermarkt. Selber backen? - Das wäre zu gefährlich. Die Straßen haben Nasen.

Die Aleviten lesen in der Bibel, wir lesen im Koran, an den sich der Kalif nicht hält.

Es ist jetzt wichtig, die Namen Allahs zu kennen. Wer Deutscher werden will, muss nicht mehr wissen, wer Caspar David Friedrich war, sondern die neunundneunzig Namen Allahs aufsagen können: der Herrscher, der Majestätische, der Ehrenvolle, der Einzigheilige ... Wer alle Namen kennt, kommt ins Paradies. Wer alle Namen auf Arabisch kennt, ist Liebling des Diktators.

Die Frauen müssen Kopftücher tragen, damit die Krankenversicherungsbeiträge unter dreißig Prozent gehalten werden können, heißt es, damit die Mindestrente sicher ist.

Mein Vater hat schon vor der "Neuen Zeit" einen Vollbart getragen. Ihn interessiert nicht, wie er aussieht. Ihn interessieren nur die Bier- und Schnapsflaschen, die sich neben seinem Sessel vermehren. Ab und zu trägt er sie in den Altglascontainer, der einmal unser Keller war. Meine Mutter hat nicht mehr die Kraft, sie wegzubringen. Sie trägt einen Herzschrittmacher.

Mein Vater kümmert sich nicht um die leeren Flaschen. Noch nie hat er sich um etwas gekümmert. Meine Mutter lebt nicht mehr in dieser Welt. Mein Vater ist Alkoholiker.

Seit ich den Kontakt zu ihnen abgebrochen habe, geht es mir gut. Mein Bruder berichtet mir manchmal. Ich will nichts mehr davon hören. Das ist nicht mehr meine Geschichte.

"Mir doch egal! Mach doch, was du willst!"

Der Kalif hat die Weihnachtszeit durch den Ramadan ersetzt. Am siebenundzwanzigsten Ramadan dürfen Geschenke ausgetauscht werden. Das Geschenkpapier soll grün sein, stand gestern in der Zeitung, möglichst bedruckt mit einer der einhundertundvierzehn Suren, in arabischer Schrift.

Mein erster Ramadan wird Ende Januar sein. Deutschlands erster Volksramadan wird Ende Januar sein. Wir müssen uns noch an den Mondkalender gewöhnen. Wir werden uns bei den Aleviten im Cem-Haus treffen und mit ihnen den Tag verbringen und hinter zugezogenen Gardinen essen und trinken. Das haben wir uns fest vorgenommen.

Meine Frau will ein Tagebuch führen. Sie heißt mit Vornamen Anne. Sie sagt, dieser Vorname sei ihr eine Verpflichtung. Ich finde, dass sie übertreibt. Wir leben nicht im Untergrund. Noch nicht.

Weihnachtsbäume sind gesetzlich verboten. Krippen werden nur geduldet, wenn sie nicht größer sind als ein Schuhkarton. Der Kalif hat das erlaubt, das gesteht er uns zu. Schließlich ist Jesus gesandter Prophet.

Doch Vorsicht: Die Wächter sind überall! Arbeitslose, die dankbar sind, dass sie wieder gebraucht werden. Sie nehmen ihre Sache sehr ernst. Und die Richter lernen die Scharia.

Weihnachten ist abgeschafft. Sie keift ihn nicht mehr an: "Der Baum steht schief! - Wie hängt denn das Lametta?! - DIE-SE Seite hätte nach vorne müssen!"

Er sitzt trotzdem im Sessel und trinkt.

Keine knallenden Türen.

Er sitzt trotzdem im Sessel und trinkt.

Sie hat unsere alte Weihnachtkrippe aufgebaut. Sie versteht nicht, warum es keine Weihnachtsbäume zu kaufen gibt. Weihnachten ohne Weihnachtsbaum - das geht doch nicht!

Sie hat die Gewohnheit, das Lametta zu bügeln.

Meine Mutter lebt nicht mehr in dieser Welt - schon lange nicht mehr. Sie wird nachher zur Kirche gehen, die jetzt eine Moschee ist, und sich wundern, dass die Kirchenbänke fehlen.

Mein Vater sitzt in seinem Sessel, schaut mit glasigen Augen Sport und trinkt aus der Flasche - und stinkt nach Alkohol. Jeden Tag. Jede Weihnachten.

Ich habe mich vor zehn Jahren von ihnen getrennt. Das ist nicht mehr meine Geschichte.

"Mir doch egal! Mach doch, was du willst!"

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